Kreon. Der Chor. Ein Bote.
Der Bote
Mein König, diesmal plaudr ich nicht, wie mich
Die othemlose Schnelle bring und wie
Sich leicht gehoben mir der Fuß. Denn öfters
Hielt mich die Sorg und wendet auf dem Wege
Mich um zur Rückkehr. Denn die Seele sang
Mir träumend viel. Wo gehst du hin, du Armer!
Wohin gelangt, gibst du die Rechenschaft?
Bleibst du zurück, Unglücklicher? so aber
Wird Kreon es von einem andern hören.
Wie kümmerst du deswegen denn dich nicht?
Derlei bedenkend, ging ich müßig langsam,
Und so wird auch ein kurzer Weg zum weiten.
Zuletzt hat freilich dies gesiegt, ich soll
Hieher, und wenn mein Sagen auch für nichts ist,
So sprech ich doch. Denn in der Hoffnung komm ich,
Es folge nur, dem, was ich tat, was not ist.
Kreon
Was gibt's, warum du so kleinmütig kommest?
Der Bote
Ich will dir alles nennen, was an mir ist,
Denn nicht getan hab ich's; weiß auch nicht, wer es tat.
Und nicht mit Recht würd ich in Strafe fallen.
Kreon
Du siehst dich wohl für. Hüllest ringsherum
Die Tat und scheinst zu deuten auf ein Neues.
Der Bote
Gewaltiges macht nämlich auch viel Mühe.
Kreon
So sag es itzt, und gehe wieder weiter!
Der Bote
Ich sag es dir. Es hat den Toten eben
Begraben eines, das entkam, die Haut zweimal
Mit Staub bestreut und, wie's geziemt, gefeiert.
Kreon
Was meinst du? wer hat dies sich unterfangen?
Der Bote
Undenklich. Nirgend war von einem Karst
Ein Schlag; und nicht der Stoß von einer Schaufel,
Und dicht das Land; der Boden ungegraben;
Von Rädern nicht befahren. Zeichenlos war
Der Meister, und wie das der erste Tagesblick
Anzeigte, kam's unhold uns all an, wie ein Wunder.
Nichts Feierlichs. Es war kein Grabmal nicht.
Nur zarter Staub, wie wenn man das Verbot
Gescheut. Und auch des Wilds Fußtritte nirgend nicht,
Noch eines Hundes, der gekommen und zerrissen.
Und schlimme Worte fuhren durcheinander.
Ein Wächter klagt den andern an; und fast
Gekommen wär's zu Streichen. Niemand war,
Der abgewehrt. Denn jeder schien, als hätt
Er es getan, doch keiner offenbar,
Und jeder wußt etwas für sich zu sagen.
Wir waren aber bereit, mit Händen glühend Eisen
Zu nehmen und durch Feuer zu gehn und bei den Göttern
Zu schwören, daß wir nichts getan und daß wir
Von dem nichts wußten, welcher das Geschehne
Beratschlagt oder ausgeführt. Zuletzt,
Als weiter nichts zu forschen war, spricht einer,
Der alle dahin brachte, daß das Haupt
Zu Boden ihnen sank, aus Furcht, denn nichts
Dagegen wußten wir, noch auch, wie wir
Es schön vollbrächten, und es hieß, man müsse
Die Tat anzeigen, dir es nicht verbergen.
Und dieses siegt', und mich, den Geisterlosen,
Erliest das Los, daß die Gewissenhaftigkeit
Ich hab und bin zugegen, wider Willen;
Ich weiß, ich bin es vor Unwilligen,
Denn niemand liebt den Boten schlimmer Worte.
Chor
Mein König, lange rät, es möchte göttlich
Getrieben sein das Werk, mir das Gewissen.
Kreon
Laß das! damit du nicht zum Zorngericht auch mich noch
Beredest und ein Narr erfunden seist und Alter.
Denn allzuschwer fällt dieses, daß du sagst,
Die Geister aus jenseitigem Lande können
Nachdenklich sein um dieses Toten willen.
So zärtlich ehren sollten sie, umschatten einen,
Der doch die Gruppen ihrer Tempelsäulen
Und Opfer zu verbrennen kam, ihr Land
Und ihr Gesetz zu sprengen; oder siehest du,
Daß Schlimme von den Himmlischen sind geehrt?
Mitnichten. Doch es nehmen einige
Von sonst her mir dies übel in der Stadt
Und murren, ingeheim die Häupter schüttelnd,
Und im Geschirre biegen diese mir
Den Nacken so nicht ein, daß Menschlichs kommen könnte.
Von diesen sind Geschenke worden diesen,
Das weiß ich wohl, daß sie derlei gestiftet.
Denn unter allem, was gestempelt ist,
Ist schlimm nichts wie das Silber. Ganze Städte
Verführet dies, reizt Männer aus den Häusern.
Verbilden und verwandeln kann's aufrichtige Sinne,
Daß sie der Sterblichen ihr schändlich Werk erkennen.
Und viel Geschäft den Menschen weist es an
Und jeder Tat Gottlosigkeit zu wissen.
So viele dies getan, durch Lohn bewegt,
Sie taten's in der Zeit, zu Rechenschaft.
Wenn aber Leben hat der Erde Herr in mir auch,
So weiß ich dies und, dargestellt zum Eide,
Sag ich dir dies: den Täter müßt ihr liefern,
Der hackt die Toten, den vors Auge müßt ihr
Mir schaffen, oder lebend erst, ans Kreuz gehängt,
Das üppige Beginnen mir verraten,
Dann könnet ihr gefaßt sein auf die Hölle.
Da schaut ihr dann, woher man den Gewinn holt,
Vermacht die Plünderung einander und erfahrt,
Daß alles nicht gemacht ist zum Erwerbe.
Das weißt du gut, durch schlimmen Vorteil sind
Betrogen mehrere denn wohlbehalten.
Der Bote
Gibst du was auszurichten, oder kehr ich so?
Kreon
Weißt du, wie eine Qual jetzt ist in deinen Worten?
Der Bote
Sticht es im Ohre, sticht's im Innern dir?
Kreon
Was rechnest du, wo sich mein Kummer finde?
Der Bote
Der Täter plagt den Sinn, die Ohren ich.
Kreon
O mir! welch furchtbarer Sprechart bist du geboren?
Der Bote
So ist's, weil ich nicht in der Sache mit bin.
Kreon
Du bist's! um Geld verratend deine Seele!
Der Bote
Ach! furchtbar ist Gewissen ohne Wahrheit!
Kreon
So mal' die Satzung aus! Wenn aber ihr
Nicht anzeigt, die's getan, so mögt ihr sagen,
Gewaltiges Gewinnen gebe Schaden.
Kreon geht ab.
Der Bote
Dem kann denn doch wohl nachgespüret werden.
Ob's aber treffen auch sich läßt? So etwas
Geht nämlich, wie es zustößt eben; nun scheint's nicht,
Als sähest du mich wieder hieher kommen.
Denn unverhofft und gegen meine Meinung
Erhalten, sag ich jetzt viel Dank den Göttern.
Er gehet ab.