[Zimmer der Königin] Ein anderes Zimmer im Schloß. Die KÖNIGIN und POLONIUS treten auf. POLONIUS Er kommt sogleich; setzt ihm mit Nachdruck zu; Sagt ihm, daß er zu wilde Streiche macht, Um sie zu dulden, und daß Eure Hoheit Sich zwischen große Hitz und ihn als Schirm Gestellt hat. Ich will hier mich still verbergen. Ich bitt Euch, schont ihn nicht! HAMLET hinter der Szene. Mutter, Mutter, Mutter! KÖNIGIN Verlaßt Euch drauf; Sorgt meinetwegen nicht. Zieht Euch zurück, Ich hör ihn kommen. Polonius verbirgt sich hinter dem Arras-Wandteppich. Hamlet kommt. HAMLET Nun, Mutter, sagt: was gibts? KÖNIGIN Hamlet, dein Vater ist von dir beleidigt. HAMLET Mutter, mein Vater ist von Euch beleidigt. KÖNIGIN Kommt, kommt! Ihr sprecht mit einer losen Zunge. HAMLET Geht, geht! Ihr fragt mit einer bösen Zunge. KÖNIGIN Was soll das, Hamlet? HAMLET Nun, was gibt es hier? KÖNIGIN Habt Ihr mich ganz vergessen? HAMLET Nein, beim Kreuz! Ihr seid die Königin, Weib Eures Mannes Bruders, Und - wär es doch nicht so! - seid meine Mutter. KÖNIGIN Gut, andre sollen zur Vernunft Euch bringen. HAMLET Kommt, setzt Euch nieder; Ihr sollt nicht vom Platz, Nicht gehn, bis ich Euch einen Spiegel zeige, Worin Ihr Euer Innerstes erblickt. KÖNIGIN Was willst du tun? Du willst mich doch nicht morden? He, Hülfe! Hülfe! POLONIUS hinter der Tapete. Hülfe! He, herbei! HAMLET Wie? Was? Eine Ratte? Er zieht. Tot! für 'nen Dukaten, tot! Tut einen Stoß durch die Tapete. POLONIUS hinter der Tapete. Oh, ich bin umgebracht! Fällt und stirbt. KÖNIGIN Weh mir! Was tatest du? HAMLET Fürwahr, ich weiß es nicht; ist es der König? Zieht den Polonius [hinter der Tapete] hervor. KÖNIGIN O welche rasche, blutige Tat ist dies! HAMLET Ja, gute Mutter, eine blutige Tat, So schlimm beinah, als einen König töten Und in die Eh mit seinem Bruder treten. KÖNIGIN Als einen König töten! HAMLET Ja, so sagt ich. Zu Polonius. Du kläglicher, vorwitzger Narr, fahr wohl! Ich nahm dich für 'nen Höhern; nimm dein Los, Du siehst, zu viel Geschäftigkeit ist mißlich. - Ringt nicht die Hände so! Still! Setzt Euch nieder, Laßt Euer Herz mich ringen, denn das will ich, Wenn es durchdringlich ist, wenn nicht so ganz Verdammte Angewöhnung es gestählt, Daß es verschanzt ist gegen die Vernunft. KÖNIGIN Was tat ich, daß du gegen mich die Zunge So toben la**en darfst? HAMLET Solch eine Tat, Die alle Huld der Sittsamkeit entstellt, Die Tugend Heuchler schilt, die Rose wegnimmt Von unschuldvoller Liebe schöner Stirn Und Beulen hinsetzt, Ehgelübde falsch Wie Spielereide macht; o eine Tat, Die aus des Treubunds Leib die Seele wahrhaft Ausreißt und die den süßen Glauben macht Zum Wortgepräng. Des Himmels Antlitz glüht, Ja, diese Feste, dieses Weltgebäude, Mit Trauermiene, wie vorm Jüngsten Tag, Ist trübsalskrank vor dieser Tat! KÖNIGIN Weh mir! Welch Tat, donnerverkündet, brüllt so laut? HAMLET Seht hier auf dies Gemälde und auf dies, Das nachgeahmte Gleichnis zweier Brüder. Seht, welche Anmut wohnt auf diesen Brauen! Apollos Locken, Jovis hohe Stirn, Ein Aug wie Mars, zum Drohn und zum Gebieten, Des Götterherolds Stellung, wenn er eben Sich niederschwingt auf himmelnahe Höhn; In Wahrheit, ein Verein und eine Bildung, Auf die sein Siegel jeder Gott gedrückt, Der Welt Gewähr für einen Mann zu leisten: Dies war Eur Gatte. - Seht nur her, was folgt: Hier ist Eur Gatte, gleich der brandgen Ähre Verderblich seinem Bruder. Habt Ihr Augen? Die Weide dieses schönen Bergs verlaßt Ihr Und mästet Euch im Sumpf? Ha, habt Ihr Augen? Nennt es nicht Liebe! Denn in Eurem Alter Ist der Tumult im Blute zahm; es schleicht Und wartet auf das Urteil; und welch Urteil Ging' wohl von dem zu dem? Sinn habt Ihr sicher, Sonst könnte keine Regung in Euch sein; Doch sicher ist der Sinn vom Schlag gelähmt, Denn Wahnwitz würde hier nicht irren; nie Hat so den Sinn Verrücktheit unterjocht, Daß nicht ein wenig Wahl ihm blieb, genug Für solchen Unterschied. Was für ein Teufel Hat so beim Blindekuhspiel Euch betört? Sehn ohne Fühlen, Fühlen ohne Sehn, Ohr ohne Hand und Aug, Geruch ohn alles, Ja nur ein Teilchen eines echten Sinns Tappt nimmermehr so zu. Scham, wo ist dein Erröten? Wilde Hölle, Empörst du dich in der Matrone Gliedern, So sei die Keuschheit der entflammten Jugend Wie Wachs und Schmelz in ihrem Feuer hin; Ruf keine Schande aus, wenn heißes Blut Zum Angriff stürmet, da der Frost ja selbst Nicht minder kräftig brennt und die Vernunft Den Willen kuppelt. KÖNIGIN O Hamlet, sprich nicht mehr! Du kehrst die Augen recht ins Innre mir; Da seh ich Flecke, tief und schwarz gefärbt, Die nicht von Farbe la**en. HAMLET Nein, zu leben Im Schweiß und Brodem eines eklen Betts, Gebrüht in Fäulnis, buhlend und sich paarend Über dem garstigen Nest - KÖNIGIN O sprich nicht mehr! Mir dringen diese Worte ins Ohr wie Dolche. Nicht weiter, lieber Hamlet! HAMLET Ein Mörder und ein Schuft; ein Knecht, nicht wert Das Zehntel eines Zwanzigteils von ihm, Der Eur Gemahl war; ein Hanswurst von König, Ein Beutelschneider von Gewalt und Reich, Der weg vom Sims die reiche Krone stahl Und in die Tasche steckte. KÖNIGIN Halt inne! Der Geist kommt. HAMLET Ein geflickter Lumpenkönig! - Der Geist kommt. Schirmt mich und schwingt die Flügel über mir, Ihr Himmelsscharen! - Was will dein würdig Bild? KÖNIGIN Weh mir! Er ist verrückt! HAMLET Kommt Ihr nicht, Euren trägen Sohn zu schelten, Der Zeit und Leidenschaft versäumt zur großen Vollführung Eures furchtbaren Gebots? O sagt! GEIST Vergiß nicht! Diese Heimsuchung Soll nur den abgestumpften Vorsatz schärfen. Doch schau! Entsetzen liegt auf deiner Mutter; Tritt zwischen sie und ihre Seel im Kampf; In Schwachen wirkt die Einbildung am stärksten: Sprich mit ihr, Hamlet! HAMLET Wie ist Euch, Mutter? KÖNIGIN Ach, wie ist denn Euch, Daß Ihr die Augen heftet auf das Leere Und redet mit der körperlosen Luft? Wild blitzen Eure Geister aus den Augen, Und wie ein schlafend Heer beim Waffenlärm Sträubt Euer liegend Haar sich als lebendig Empor und steht zu Berg. O lieber Sohn, Spreng auf die Hitz und Flamme deines Übels Abkühlende Geduld! Wo schaust du hin? HAMLET Auf ihn, auf ihn! Seht Ihr, wie blaß er starrt? Sein Anblick, seine Sache würde Steine Empfänglich machen. Nein, sieh nicht auf mich, Damit nicht deine klägliche Gebärde Mein strenges Tun erweicht; sonst fehlt ihm dann Die echte Art; vielleicht statt Blutes Tränen. KÖNIGIN Mit wem besprecht Ihr Euch? HAMLET Seht Ihr dort nichts? KÖNIGIN Gar nichts; doch seh ich alles, was dort ist. HAMLET Und hörtet Ihr auch nichts? KÖNIGIN Nein, nichts als uns. HAMLET Ha, seht nur hin! Seht, wie es weg sich stiehlt! Mein Vater in leibhaftiger Gestalt: Seht, wie er eben zu der Tür hinausgeht! Geist ab. KÖNIGIN Dies ist bloß Eures Hirnes Ausgeburt; In solcher wesenlosen Schöpfung ist Der Wahnsinn sehr geübt. HAMLET Der Wahnsinn? Mein Puls hält ordentlich wie Eurer Takt, Spielt ebenso gesunde Melodien; Es ist kein Wahnwitz, was ich vorgebracht. Bringt mich zur Prüfung, und ich wiederhole Die Sach Euch Wort für Wort, wovon der Wahnwitz Abspringen würde. Mutter, um Eur Heil! Legt nicht die Schmeichelsalb auf Eure Seele, Daß nur mein Wahnwitz spricht, nicht Eur Vergehn; Sie wird den bösen Fleck nur leicht verharschen, Indes Verderbnis, heimlich untergrabend, Von innen angreift. Beichtet vor dem Himmel, Bereuet, was geschehn, und meidet Künftges; Düngt nicht das Unkraut, daß es mehr noch wuchre. Vergebt mir diese meine Tugend; denn In dieser feisten, engebrüstgen Zeit Muß Tugend selbst Verzeihung flehn vom Laster, Ja kriechen, daß sie nur ihm wohltun dürfe. KÖNIGIN O Hamlet, du zerspaltest mir das Herz! HAMLET O werft den schlechtern Teil davon hinweg Und lebt so reiner mit der andern Hälfte. Gute Nacht! Doch meidet meines Oheims Bett, Nehmt eine Tugend an, die Ihr nicht habt. Der Teufel Angewöhnung, der des Bösen Gefühl verschlingt, ist hierin Engel doch: Er gibt der Übung schöner, guter Taten Nicht minder eine Kleidung oder Tracht, Die gut sich anlegt. Seid zu Nacht enthaltsam, Und das wird eine Art von Leichtigkeit Der folgenden Enthaltung leihn, die nächste Wird dann noch leichter; denn die Übung kann Fast das Gepräge der Natur verändern, Sie zähmt den Teufel oder stößt ihn aus Mit wunderbarer Macht. Nochmals, schlaft wohl! Um Euren Segen Bitt ich, wenn Ihr selbst Nach Segen erst verlangt. - Für diesen Herrn Tut es mir leid: Der Himmel hat gewollt, Um mich durch dies und dies durch mich zu strafen, Daß ich ihm Diener muß und Geißel sein. Ich will ihn schon besorgen und den Tod, Den ich ihm gab, vertreten. Schlaft denn wohl! Zur Grausamkeit zwingt bloße Liebe mich; Schlimm fängt es an, und Schlimmres nahet sich. Ein Wort noch, gute Mutter! KÖNIGIN Was soll ich tun? HAMLET Durchaus nicht das, was ich Euch heiße tun; Laßt den gedunsnen König Euch ins Bett Von neuem locken, in die Wangen Euch Mutwillig kneipen, Euch sein Mäuschen nennen, Und für ein paar verbuhlte Küss', ein Spielen In Eurem Nacken mit verdammten Fingern, Bringt diesen ganzen Handel an den Tag, Daß ich in keiner wahren Tollheit bin, Nur toll aus List. Gut wärs, Ihr ließts ihn wissen! Denn welche Königin, schön, keusch und klug, Verhehlte einer Kröte, einem Molch So teure Dinge wohl? Wer täte das? Nein, trotz Erkenntnis und Verschwiegenheit Löst auf dem Dach des Korbes Deckel, laßt Die Vögel fliegen und, wie jener Affe, Kriecht in den Korb, um Proben anzustellen, Und brecht Euch selbst den Hals! KÖNIGIN Sei du gewiß: Wenn Worte Atem sind, Und Atem Leben ist, hab ich kein Leben, Das auszuatmen, was du mir gesagt. HAMLET Ich muß nach England; wißt Ihrs? KÖNIGIN Ach, ich vergaß; es ist so ausgemacht. HAMLET Man siegelt Briefe; meine Schulgesellen, Die beiden, denen ich wie Nattern traue, Sie bringen die Bestellung hin; sie müssen Den Weg mir bahnen und zur Schurkerei Herolden gleich mich führen. Sei es drum! Der Spaß ist, wenn mit seinem eignen Pulver Der Feuerwerker auffliegt; und mich trügt Die Rechnung, wenn ich nicht ein Klafter tiefer Als ihre Minen grab und sprenge sie Bis an den Mond. O es ist gar zu schön, Wenn so zwei Listen sich entgegengehn! - Der Mann packt mir 'ne Last auf; Ich will den Wanst ins nächste Zimmer schleppen. - Nun, Mutter, gute Nacht! - Der Ratsherr da Ist jetzt sehr still, geheim und ernst fürwahr, Der sonst ein schelmischer, alter Schwätzer war. Kommt, Herr, ich muß mit Euch ein Ende machen. - Gute Nacht, Mutter! Sie gehen nach verschiedenen Seiten ab. Hamlet schleift den Polonius hinaus.