William Shakespeare - Hamlet, 2. Akt, 1. Szene lyrics

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William Shakespeare - Hamlet, 2. Akt, 1. Szene lyrics

Ein Zimmer im Hause der Polonius. POLONIUS und REINHOLD treten auf. POLONIUS Gib ihm dies Geld und die Papiere, Reinhold! REINHOLD Ja, gnädger Herr. POLONIUS Ihr werdet mächtig klug tun, guter Reinhold, Euch zu erkundgen, eh Ihr ihn besucht, Wie sein Betragen ist. REINHOLD Das dacht ich auch zu tun. POLONIUS Ei, gut gesagt, recht gut gesagt! Seht Ihr, Erst fragt mir, was für Dänen in Paris sind, Und wie, wer, auf was Art und wo sie leben, Mit wem, was sie verzehren; wenn Ihr dann Durch diesen Umschweif Eurer Fragen merkt, Sie kennen meinen Sohn, so kommt Ihr näher, Als Ihrs mit grad gezielten Fragen träfet. Tut gleichsam wie von fern bekannt; zum Beispiel: »Ich kenne seinen Vater, seine Freunde Und auch zum Teil ihn selbst.« - Versteht Ihr, Reinhold? REINHOLD Vollkommen, gnädger Herr. POLONIUS »Zum Teil auch ihn; doch«, mögt Ihr sagen, »wenig, Und wenns der rechte ist, der ist gar wild, Treibt dies und das« - dann gebt ihm nach Belieben Erlogne Dinge schuld; nur nichts so Arges, Das Schand ihm brächte, davor hütet Euch; Nein, solche wilden, ausgelaßnen Streiche, Als hergebrachtermaßen die Gefährten Der Jugend und der Freiheit sind. REINHOLD Als Spielen. POLONIUS Ja, oder Trinken, Raufen, Fluchen, Zanken, Huren - so weit könnt Ihr gehn. REINHOLD Das würd ihm Schande bringen, gnädger Herr. POLONIUS Gewiß nicht, wenn Ihrs nur zu wenden wißt. Ihr müßt ihn nicht in andern Leumund bringen, Als übermannt' ihn Unenthaltsamkeit; So mein ichs nicht; bringt seine Fehler zierlich Ans Licht, daß sie der Freiheit Flecken scheinen, Der Ausbruch eines feurigen Gemüts Und eine Wildheit ungezähmten Bluts, Die jeden anficht. REINHOLD Aber, bester Herr - POLONIUS Weswegen Ihr dies tun sollt? REINHOLD Ja, das wünscht ich Zu wissen, Herr. POLONIUS Ei nun, mein Plan ist der - Und, wie ich denke, ists ein Pfiff, der anschlägt: Werft Ihr auf meinen Sohn so kleine Makel, Als wär er in der Arbeit was beschmutzt. Merkt wohl! Wenn der Mitunterredner, den Ihr aushorcht, In vorbenannten Lastern jemals schuldig Den jungen Mann gesehn, so seid gewiß, Daß selbger folgender Gestalt Euch beitritt: »Lieber Herr«, oder so; oder »Freund«, oder »mein Wertester«, Wie nun die Redensart und die Betitlung Bei Land und Leuten üblich ist - REINHOLD Sehr wohl! POLONIUS Und hierauf tut er dies: - Er tut - ja was wollte ich doch sagen? Beim Sakrament, ich habe was sagen wollen. Wo brach ich ab? REINHOLD Bei »folgender Gestalt Euch beitritt«, bei »Freund oder so« und »mein Wertester«. POLONIUS Bei »folgender Gestalt Euch beitritt«. - Ja, Er tritt Euch bei: »Ich kenn ihn wohl, den Herrn, Ich sah ihn gestern oder neulich mal, Oder wann es war; mit dem und dem; und, wie Ihr sagt, Da spielt' er hoch; da traf man ihn im Rausch; Da rauft' er sich beim Ballspiel«; oder auch: »Ich sah ihn gehn in solch ein saubres Haus« - Will sagen: ein Bordell -, und mehr dergleichen. Seht nun: Eur Lügenköder fängt den Wahrheitskarpfen; So wissen wir, gewitzigt, helles Volk, Mit Krümmungen und mit verstecktem Angriff Durch einen Umweg auf den Weg zu kommen, Und so könnt Ihr, wie ich Euch Anweisung Und Rat erteilet, meinen Sohn erforschen. Ihr habts gefaßt, nicht wahr? REINHOLD Ja, gnädger Herr. POLONIUS Nun, Gott mit Euch! Lebt wohl! REINHOLD Mein bester Herr - POLONIUS Erforscht mit eignen Augen seinen Wandel! REINHOLD Das will ich tun. POLONIUS Und daß er die Musik mir fleißig treibt! REINHOLD Gut, gnädger Herr. Ab. Ophelia kommt. POLONIUS Lebt wohl! - Reinhold geht ab. Ophelia kommt. Sieh da, Ophelia! Was gibts? OPHELIA O lieber Herr, ich bin so sehr erschreckt! POLONIUS Wodurch, in's Himmels Namen? OPHELIA Als ich in meinem Zimmer näht, auf einmal Prinz Hamlet - mit ganz aufgerißnem Wams, Kein Hut auf seinem Kopf, die Strümpfe schmutzig Und losgebunden auf den Knöcheln hängend; Bleich wie sein Hemd und schlotternd mit den Knien; Mit einem Blick, von Jammer so erfüllt, Als wär er aus der Hölle losgela**en, Um Greuel kundzutun - so tritt er vor mich. POLONIUS Verrückt aus Liebe? OPHELIA Herr, ich weiß es nicht, Allein ich fürcht es wahrlich. POLONIUS Und was sagt' er? OPHELIA Er griff mich bei der Hand und hielt mich fest, Dann lehnt' er sich zurück, so lang sein Arm: Und mit der andern Hand so überm Auge Betrachtet' er so prüfend mein Gesicht, Als wollt ers zeichnen. Lange stand er so; Zuletzt ein wenig schüttelnd meine Hand Und dreimal hin und her den Kopf so wägend, Tat er solch einen bangen, tiefen Seufzer, Als sollt er seinen ganzen Bau zertrümmern Und endigen sein Dasein. Dies getan, Läßt er mich gehn, und über seine Schultern Den Kopf zurückgedreht, schien er den Weg Zu finden ohne seine Augen; denn Er ging zur Tür hinaus ohn ihre Hülfe Und wandte bis zuletzt ihr Licht auf mich. POLONIUS Geht mit mir, kommt, ich will den König suchen. Dies ist die wahre Schwärmerei der Liebe, Die, ungestüm von Axt, sich selbst zerstört Und leitet zu verzweifelten Entschlüssen, So oft als irgendeine Leidenschaft, Die unterm Mond uns quält. Es tut mir leid - Sagt, gabt Ihr ihm wohl kürzlich harte Worte? OPHELIA Nein, bester Herr, nur wie Ihr mir befahlt, Wies ich die Briefe ab und weigert ihm Den Zutritt. POLONIUS Das hat ihn verrückt gemacht. Es tut mir leid, daß ich mit besserm Urteil Ihn nicht beachtet hab. Ich sorgt, er tändle nur Und wolle dich verderben: doch verdammt mein Argwohn! Uns Alten ists so eigen, wie es scheint, Mit unsrer Meinung übers Ziel zu gehn, Als häufig bei dem jungen Volk der Mangel An Vorsicht ist. Gehn wir zum König, komm! Er muß dies wissen, denn es zu verstecken Brächt uns mehr Gram, als Haß, die Lieb entdecken. Komm! Beide ab.

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