Spoken prose: Politisches Varieté - 1912. Politik ist die Kunst, Staatsgeschäfte zu besorgen. Kunst nicht im Sinne der werteschaffenden Kultur, sondern im Sinne der Artistik, denn in der Politik handelt es sich um Jonglieren, Balancieren, Seiltanzen, Sprüngemachen. Politik also ist das Kunststück, Staatsgeschäfte zu besorgen. Die Berufsartisten dieser Spezies der Leichtathletik nennt man Diplomaten. Ihre Fertigkeit ist Begriffsverrenkung, Rechtsverdrehung, Verschwindenla**en offenkundiger Tatsachen und Herbeizaubern von Irrealitäten. Die Stars der Diplomatie scheinen seit geraumer Zeit ausgestorben zu sein. Die das Handwerk heutzutage betreiben, beweisen in ihren Vorführungen soviel Ungeschick, da** das zahlende Publikum ihnen nachgerade hinter die Schliche kommt. Darauf ist es aber noch nicht gekommen, da** die Teller und Glaskugeln, mit denen im politischen Bumstheater gearbeitet wird, seine Rechte und Interessen sind, da** der Gaul, auf dem die Diplomatie hohe Schule reitet, sein Buckel, und das Seil, auf dem Politik getanzt wird, sein Lebensnerv ist. Es schaut gemächlich zu, wie die Staatsartisten der verschiedenen Länder um seine Knochen würfeln, und findet gar nichts dabei, da** zur Austragung ihrer Katzbalgereien sein Blut gezapft wird. Der politische Hokuspokus ist ein verdammt gefährliches Handwerk - nicht für die, die es treiben, sondern für die, mit denen es getrieben wird.