Im folgenden an*lyse-Teil werde ich nun diese drei Lesarten zu Kennys Tod anhand von ausgewählten Episoden überprüfen. Besonderes Augenmerk soll dabei auch auf die Intertextualität der j**eiligen Episoden gelegt werden, um die Frage zu beantworten, ob und inwiefern der Umgang mit Kennys Tod von den parodierten Texten abhängig ist. 5.1 Auswahl der Episoden und Vorgehensweise In der an*lyse möchte ich mich auf zwei Episoden konzentrieren, die einerseits gut geeignet sind, die Intertextualität von South Park aufzuzeigen, und an denen sich andererseits die wissenschaftlichen Lesarten zu Kennys Tod überprüfen la**en. Bevor ich mich allerdings detailliert mit diesen Episoden auseinandersetze, möchte ich zunächst anhand der ersten drei Folgen der ersten Staffel aufzeigen, wie dieses ungewöhnliche narrative Element bei South Park eingeführt wird, wie schnell es sich etabliert und von den Machern verwendet wird, um mit den Erwartungshaltungen der Zuschauer zu spielen. 5.2 an*lyse der ausgewählten Episoden In der ersten Folge „Cartman und die an*lsonde“ (Parker & Stone 1997a) versuchen die vier Freunde Kyles kleinen Bruder Ike, der von Aliens entführt wurde, zu retten. Bei diesem Rettungsversuch wird Kenny McCormick von dem UFO der Aliens abgeschossen und bleibt regungslos auf der Straße liegen, worauf Stan mit dem Ausruf "Oh my God! They k**ed Kenny! You ba*tards!" reagiert. Allerdings steht Kenny danach noch einmal auf, nur um dann von einer Herde Kühe überrannt zu werden und anschließend von einem Polizeiauto überfahren und endgültig getötet zu werden. Im Unterschied zu den Toden Kennys in späteren Episoden wird der plötzliche Tod in dieser Folge allerdings noch etwas länger thematisiert. Die drei übrigen Hauptfiguren stehen noch eine Weile bei dem Leichnam, stochern mit einem Stock darauf herum und trennen schließlich den Kopf ab, um Cartman zu beweisen, da** Kenny wirklich tot ist. Getrauert wird allerdings auch hier nicht. Obwohl es sich bei dem Tod einer Hauptfigur ja eigentlich um einen großen Überraschungseffekt handelt, und dieser in Kombination mit dem unkommentierten Wiederauftauchen außerdem einen starken narrativen Bruch darstellt (vgl. Neitzel 2008: 82), etabliert sich der Tod Kennys überraschend schnell als Running Gag. Schon in der zweiten Folge „Wie werde ich zum Kampfkoloss?“ (Parker & Stone 1997b) spielen die Macher von South Park mit der Erwartung des Zuschauers, da** Kenny möglicherweise stirbt. Bei einer Theaterprobe wird der Junge von einem Indianer-Tipi erschlagen, was die Bürgermeisterin mit „Oh my God!“ kommentiert. Allerdings stirbt Kenny erst deutlich später, als ihn Mr. Garrison beim Versuch, die Moderatorin Kathie Lee Gifford zu ermorden, versehentlich erschießt. Diese Folge zeigt erstmals den sozialkritischen Aspekt von Kennys Tod, den Chidester in seiner Studie aufweist. Denn während Kennys Leichnam ins Bild rutscht, führt Officer Barbrady den Schützen ab und erklärt ihm: „You're lucky that you missed Kathie Lee Gifford and that nobody got hurt.“ Im Gegensatz zum möglichen Tod der prominenten und wohlhabenden Moderatorin spielt Kennys Tod selbst für die Polizei keine Rolle, er wird als Niemand bezeichnet und nicht weiter wahrgenommen. Auch in der dritten Folge „Knall endlich den Hasen ab!“ (Parker & Stone 1997c) entgeht Kenny zwei Mal seinem Tod nur knapp, auch hier wird sein Tod von seinen Freunden zu früh betrauert. Als er am Ende der Episode unversehrt auftaucht, erzeugt dies bei Stan nur verhaltene Freude („Hey look, Kenny's okay!“). Sein wirklicher Tod wird dann erneut gar nicht mehr kommentiert oder gar betrauert. Noch stärker zeigt sich dieses scheinbar herzlose Verhalten gegenüber Kenny in der Folge „Nicht ohne meine Niere“ (Parker & Stone 2000), in der Kyles Nieren aufgrund seiner Diabetes-Erkrankung versagen und er ohne eine Spenderniere sterben wird. Allerdings hat ausgerechnet Kyles Intimfeind Cartman als einziger Bürger South Parks die pa**ende Niere, weigert sich aber diese zu spenden. Außerdem vertrauen Kyles Eltern lieber der alternativen, esoterischen Medizin und wollen deshalb ebenfalls eine Transplantation verhindern. Während Stan versucht, Cartman und die Eltern von dieser zu überzeugen, bringt er immer wieder seine Sorge um seinen besten Freund zum Ausdruck. Beim Versuch, Cartman zur Vernunft zu bringen, stellt er diesem die Frage: „One of our friends is gonna die, don't you see how serious this is?“ Kenny, der dieses Gespräch zufällig mitanhört, reagiert darauf sichtlich erzürnt. Noch deutlicher wird dies, wenn Stan sich im Verlauf der Episode direkt an Kenny wendet. Zunächst teilt er ihm seine Verzweiflung mit den Worten „If a friend would die I don't know what I'd do!“ mit. Auch hier reagiert Kenny sehr gereizt, und als sich Stan schließlich erneut bei ihm ausweint, schreit er ihn an und läuft wutentbrannt weg. Nur wenige Meter von Stan entfernt wird er dabei von einem herabfallenden Flügel erschlagen, doch Stan reagiert darauf in keiner Weise und trauert stattdessen weiter um Kyle. Diese Szenen zeigen, da** sich Kenny in der Folge „Nicht ohne meine Niere“ durchaus seiner häufigen Tode bewusst ist und ihn das mangelnde Mitgefühl seiner Freunde verletzt. Gerade die zuletzt beschriebene Szene legt die Vermutung nahe, da** es eher Ignoranz als Unwissenheit ist, die Stan und Kyle nicht wirklich um Kenny trauern la**en. Damit drängt sich hier die Lesart von Chidester auf – zumindest wenn man den Grund für die mangelnde Empathie in Kennys sozialer Herkunft sieht. Einen deutlichen Hinweis findet man dafür in der Folge allerdings nicht. Die beiden anderen Lesarten la**en sich hier allerdings noch weniger erkennen, da Kenny in der Logik eines Computerspiels seinem eigenen Tod und der Wiederbelebung ebenfalls völlig gleichgültig begegnen müsste. Auch die philosophische Sichtweise fällt hier weg, da sich Kenny zwar seines Schicksals bewusst ist, dieses aber keinesfalls akzeptiert und somit nicht wie Sisyphus agiert. Die Epsiode „ABF's – Allerbeste Freunde“ (Parker & Stone 2005) zeigt, wie Trey Parker und Matt Stone immer wieder aktuelle Themen und öffentliche Debatten in die Serie integrieren und diese auf ungewöhnliche Weise mit anderen Themen – in diesem Fall beispielsweise Religion – kombinieren. Die beiden aktuellen Ereignisse, die diese Episode aufgreift, sind das Erscheinen der tragbaren Spielekonsole PlaySation Portable sowie die mediale Debatte um Sterberecht und Sterbehilfe, die zur Zeit der Ausstrahlung in den USA herrschte. Auslöser dieser Debatte war der Fall der Wachkomapatientin Theresa Schiavo (vgl. Lakotta 2005), der nach 15 Jahren im Koma die lebenserhaltende Magensonde entfernt wurde (Schiavo verstarb einen Tag nach der Erstausstrahlung der Episode). Ein sieben Jahre andauernder Rechtsstreit der Eltern und des Ehemannes sorgte in den USA und weltweit für Aufsehen (vgl. ebd.). In der Episode „ABF's – Allerbeste Freunde“ erhält Kenny McCormick die neu erschienene Konsole PlayStation Portable mit dem Spiel „Heaven vs. Hell“, die allerdings nur von Gott entwickelt wurde, um den geeigneten Kämpfer für die bevorstehende Schlacht zwischen Himmel und Hölle zu finden. Kenny spielt das Spiel ununterbrochen und erreicht deshalb als erster und einziger Spieler den sechzigsten Level. Damit er die himmlische Armee bei dem Kampf unterstützen kann, wird er von einem LKW überfahren – kurz nachdem ihm seine Mutter mit den Worten „What if you die tomorrow?“ darauf hingewiesen hat, da** er mit dem Spiel nur sein Leben vergeude. Hier zeigt sich, da** weder Kenny noch seiner Mutter in dieser Episode bewusst ist, da** Kenny ständig stirbt (vgl. Kapitel 3.2). Der Tod Kennys verläuft hier relativ untypisch, da er bereits ungewöhnlich früh stattfindet und weil niemand den Tod beobachtet und mit dem berühmten Ausruf "Oh my God! They k**ed Kenny! You ba*tards!" darauf reagiert. Kennys Seele steigt daraufhin in den Himmel auf, doch bereits kurz nachdem ihm seine Mission erläutert wurde, verschwindet diese zurück auf die Erde, da Kenny wiederbelebt wurde und mit irreparablen Hirnschäden als Wachkomapatient im Krankenhaus liegt. Obwohl sein Tod normalerweise nach der Logik von Computerspielen verläuft, wird ausgerechnet in der Folge, in der Kenny selbst Teil eines solchen Spiels sein soll, der endlose Kreislauf von Tod und Wiederbelebung eines Avatars durch das Wachkoma unterbrochen (vgl. Neitzel 2008: 84). Dies kann man sowohl als Parodie auf Computerspiele, aber auch als die von Chidester erwähnte Parodie der eigenen Serie werten (vgl. Kapitel 2.2). Im weiteren Verlauf der Folge bricht zwischen Kennys Familie und seinen Freunden ein heftiger Streit um Kennys Zukunft aus, der schließlich vor Gericht endet und wie das reale Vorbild zur Episode großes öffentliches Aufsehen erregt. So protestieren beispielsweise Demonstranten mit dem leicht abgewandelten Spruch „Don‘t k** Kenny! You ba*tards!“ vor dem Krankenhaus. Am Ende werden die lebenserhaltenden Maßnahmen abgestellt, Kenny stirbt und kann die himmlische Armee gegen Satan zum Sieg führen. Während die Lesart von Neitzel hier auch aufgrund der Thematik Computerspiel sehr deutlich zum Vorschein tritt, la**en sich die beiden anderen Interpretationen von Kennys Tod in dieser Episode nicht nachweisen. Gegen Chidesters sozialkritische Lesart spricht, da** zumindest Kennys beste Freunde Stan und Kyle redlich darum bemüht sind, herauszufinden, ob die lebenserhaltende Maßnahme oder der Tod für Kenny die bessere Alternative darstellt. Und auch die mediale Öffentlichkeit beschäftigt sich mit diesem Fall, weshalb Chidesters Argument der totgeschwiegenen Unterschicht ebenfalls nicht greift (vgl. Chidester 2012: 411). Auch die existentialistische Lesart von Fry kann hier nicht angewendet werden, da einerseits tatsächlich ein göttlicher Plan hinter Kennys Leben und Tod existiert und Kenny in diesen auch eingeweiht wird, andererseits sich Kenny in dieser Episode seiner ungewöhnlichen Sterblichkeit – wie oben bereits erwähnt - nicht bewusst ist und somit auch nicht als moderner Sisyphus bezeichnet werden kann, der die Absurdität seines Lebens erkennt und akzeptiert.