Paul Johann Anselm Ritter von Feuerbach - Kaspar Hauser - Augenzeugenberichte und Selbstzeugnisse Kapitel 9 lyrics

Published

0 475 0

Paul Johann Anselm Ritter von Feuerbach - Kaspar Hauser - Augenzeugenberichte und Selbstzeugnisse Kapitel 9 lyrics

Dr. Heidenreich: Kaspar Hausers Verwundung, Krankheit und Leichenöffnung Ein rätselhaftes Wesen hat den Schauplatz des Lebens verla**en. Dunkel ruht auf seinem Eintritt in die Welt, Dunkel umhüllt sein Scheiden. Nur der Himmel kennt des Schicksals Wege! Ob Fürstensohn oder Betteljunge, ob schuldloser Gegenstand der grausamsten Mißhandlung oder verächtlicher Betrüger, ob schmählicher Selbstmörder oder der ruchlosesten Bosheit blutiges Opfer, keines Menschen Zunge hat es ausgesprochen, keines Geistes Tiefe hat es ergründet, ein dichter Schleier birgt dieses Menschen Verhängnis. Merkwürdig ist dieser Mensch geworden, und wenn auch unbedeutend in seiner Persönlichkeit, so läßt doch das Seltsame seines Erscheinens und Verschwindens im Leben furchtbare Verbrechen an Leib und Seele ahnen und reißt unwillkürlich zur Teilnahme an einem Individuum hin, welches den schauderhaftesten Ereignissen zum Spiele geworden ist. Ferne aber von allen Vermutungen, über die man in Mund und Schrift der Worte genug gemacht, ferne von der Meinung des Publikums, das wie der Wechselwind bald dieser bald jener Richtung folgt, unbekümmert um die Ansichten ausgezeichneter Männer, die für diese oder jene Meinung stritten, und unbekannt endlich mit den Resultaten der ausgedehntesten Kriminaluntersuchungen, weise ich alles Ungewisse und Zweifelhafte von der Hand, nur an das mich haltend, was als Tatsache zu verbürgen ist. Sonnabends, den 14. Dezember 1833, nachmittags gegen 4 Uhr wurde ich von dem auf der Straße an mir vorübereilenden Lehrer Meyer gebeten, den Kaspar Hauser zu besuchen, der soeben im hiesigen Hofgarten in die Brust verwundet worden sei. Ich begab mich unverzüglich in dessen Wohnung und fand daselbst in seinem Zimmer den Kaspar Hauser auf einem Sopha ausgestreckt, in halb liegender, halb sitzender Stellung, die Füße gegen den Boden herabhängend, mit dem Leibe auf der rechten Seite liegend. Er war noch nicht ausgekleidet, hatte noch seinen Rock an, unter diesem die Weste, ein flanellenes Kittelchen und ein feines Hemd. Die Kleider und das Hemd waren vorn auseinandergezogen, die Brust entblößt, mit Blut befleckt. Das Hemd war ebenfalls blutig, von nicht sehr vielem, aber hellrotem Blute gerötet. Das Gesicht war blaß, entstellt, etwas verzerrt, kühl, die Hände kalt, der Puls klein, schwach, selten, unterdrückt, der Herzschlag selten und sehr schwach. Sprache war nur mit Mühe möglich, er brachte nur einzelne Worte hervor, »es tue ihm weh«, »er könne nicht schnaufen« usw. Tiefes Einatmen war vollkommen unmöglich, Husten und Blutauswurf waren nicht vorhanden. Ich schloß aus den soeben geschilderten Erscheinungen auf eine ernstliche Verletzung und unternahm zuerst die äußere Besichtigung der Wunde. Die verletzte Stelle befand sich dritthalb Zoll [Fußnote]½ [Fußnote] unter der linken Brustwarze, drei Zoll von der Medianlinie des Körpers, nach meiner Vermutung zwischen der sechsten und siebenten Rippe: denn genau konnten die Rippen wegen Fettigkeit des Körpers nicht gezählt werden. Die Wunde selbst an der bezeichneten Stelle war scharf geschnitten, mit zwei vollkommen scharfen Enden, sie war schräg von oben und hinten nach unten und vorn verlaufend von einem Winkel zum andern drei Viertel Zoll lang, die Ränder kaum eine Linie klaffend, so daß sie nur von einem bis weit nach oben [Fußnote] scharf zweischneidigen Instrumente veranlaßt worden sein konnte. Rock, Weste, Hemd waren ebenso scharf durchschnitten und bestätigten die Vermutung über die Gestalt des verletzenden Instruments, sowie sie die große Gewalt, mit welcher der Stich geführt sein mußte, beurkundeten. Es zeigte sich in der Umgebung der verletzten Stelle kein Emphysem, auch drang aus der Wunde weder Blut noch Luft. Ich entkleidete nun den Verletzten und unternahm eine innere Untersuchung der Wunde; dazu brachte ich den Kranken zuerst in eine sitzende und dann halb stehende Situation mit nach vorne gebeugtem Körper und Kopfe, welchen letzteren ich an meiner Brust zu stützen suchte. In dieser Stellung brachte ich den kleinen Finger der rechten Hand in die Wunde, der allerdings unter der Zellhaut nicht sogleich die wahre Richtung des Wundkan*ls entdecken konnte, auch stieß ich auf eine Rippe, die meinen Forschungen ein Ziel zu setzen schien. Da ich aber wohl sah, daß die oben angegebenen Zufälle von einer nur die äußeren Bedeckungen treffenden oder auch bis auf die Rippe durchdringenden Verletzung nicht veranlaßt werden konnten, auch die Gestalt und das äußere Ansehen der, wie es hieß, gestochenen Wunde mit der bis jetzt gefühlten Seichtigkeit derselben unverträglich war, so suchte ich weiter, und bald fand ich unmittelbar von der Rippe selbst ausgehend in der Richtung von oben nach unten und vorn nach hinten den Wundkan*l. Mit geringer Mühe gelangte der kleine Finger durch die Muskelwunde, stieß an der einen Seite auf ein paar Fleischfasern und fühlte es ganz deutlich, als er auch durch eine mit den Muskeln nicht zusammenhängende Membran, deren Öffnung etwas enger schien als die der Fleischwunde, in den freien Raum der Brusthöhle drang. Der Finger konnte sich nun frei in der Brusthöhle bewegen und nachdem er etwas leeren Raum in derselben durchdrungen hatte, stieß er in einer Tiefe von fünf Viertel oder anderthalb Zoll von der äußeren Wunde an gerechnet auf einen in der Brusthöhle befindlichen glatten, schlüpfrigen, aber nicht ganz ebenen Körper, der beinahe etwas wie eine Furche mit zwei seitlichen Erhabenheiten fühlen ließ. Ich hielt anfangs diesen Körper für das gleichfalls durch die Verletzung getroffene Herz und glaubte in den gefühlten Unebenheiten in der Furche eine Wunde der Substanz desselben und in den seitlichen Erhabenheiten deren Ränder zu erkennen. Da ich aber vor der inneren Untersuchung mich vom Vorhandensein des Herz- und Pulsschlages überzeugt hatte und nun in der verhältnismäßigen Zeit gar keine Bewegung, gar keine Zuckung des berührten Körpers fühlte, so glaubte ich die linke Lunge berührt zu haben. Da der Verletzte sehr über Schmerzen klagte, so konnte und wollte ich die Untersuchung nicht länger fortsetzen, zumal da mein therapeutischer Zweck, zu ermitteln, ob die Wunde penetrierend und eine innere Blutung zu besorgen sei, bereits erreicht war. Blutdurchgang oder Blutung aus der Wunde war bei der Untersuchung nicht erfolgt, auch hätte die Schiefheit der Wunde nach unten dem Blute kaum den Austritt gestattet. Ich brachte nun den entkleideten Kranken zu Bette; Puls und Gesicht waren wie oben angegeben, der Herzschlag selten, langsam, schwach, dem Ohre fast plätschernd vernehmbar, als ob das Herz in einer Flüssigkeit sich bewege. Ich machte kalte Überschläge über die Wunde, wollte kühles Getränk reichen, was aber der Kranke anzunehmen sich weigerte, und war soeben im Begriff, einen Aderlaß vorzunehmen, als der Stadtgerichtsarzt, der alsbald gerufen war, eintrat. Kurze Zeit hierauf kam auch der hiesige Landgerichtsarzt, welchen man als früheren und bisherigen Arzt des Verletzten von dem Vorfall benachrichtigt hatte. Desgleichen traf auch bald eine Kommission des hiesigen Stadtgerichtes ein, der die Sache auf meine Erklärung, daß die Wunde sehr gefährlich sei, unverzüglich war angezeigt worden. Seinem früheren Arzte klagte der Verwundete über Schmerzen am Hals und der linken Schulter, Erscheinungen, die man bereits als konsekutive Nervenzufälle, höchst wahrscheinlich als Folgen der Verletzung des Zwerchfells oder Zwerchfellsnerven betrachten mußte. Der Stadtgerichtsarzt übernahm nun die Behandlung des Kranken von Amts wegen, ich trat also zurück und hatte auf das ärztliche Verfahren durchaus keinen Einfluß mehr. Dieser Arzt [Fußnote] erklärte sich sogleich über den Zustand der Wunde folgendermaßen: »Bei sogleich vorgenommener Untersuchung fand man an der linken Seite der Brust zwei Zoll unter der Brustwarze und vier Zoll von der Mitte des Brustbeins entfernt eine von hinten nach vorne schief abwärts laufende, drei Viertel Zoll lange Wunde. Beim Auseinanderziehen der Wundlefzen zeigte sich etwas Fett. Mittels einer Sonde konnte man nur durch die fleischigen Bedeckungen, aber nicht in die Brusthöhle gelangen. Übrige Erscheinungen und Befinden: Bla**es, eingefallenes Aussehen, verminderte Hautwärme, langsamer, schwacher Puls, kurzer, beengter Atem; mittelst Auskultation war bei der Pulsation des Herzens ein abnormes Geräusch wahrzunehmen.« Um 7 Uhr abends hatte sich am Befinden des Kranken nichts verändert. Es wurde ohne besondere Beschwerde das Hemd gewechselt. Abends halb neun Uhr besuchte ich den Kranken wieder. Das Befinden war im ganzen da**elbe, doch eher etwas gebessert als verschlimmert. Der Herzschlag war derselbe geblieben, der Puls hatte sich etwas gehoben, war etwas frequenter und voller. Die Temperatur der Haut hatte sich etwas erhöht, der Schweiß war warm. Es hatte sich aber auch etwas Delirium eingestellt. Nachdem ich mich nunmehr überzeugt hatte, daß der Gerichtsarzt die Behandlung des Kranken wirklich übernommen und das ihm nötig scheinende Verfahren bereits eingeleitet habe, konnte ich ohne zudringlich zu sein den mir allerdings höchst interessanten Patienten nicht ferner beobachten und habe daher vom Sonnabend Abend bis zum Dienstag Abend, also dreimal vierundzwanzig Stunden, den Kranken nicht gesehen. Die Beobachtungen des behandelnden Gerichtsarztes waren aber folgende: »Sonntag, den 15. Dezember, morgens 8 Uhr. Während der Nacht war etwas Schlaf eingetreten. Aussehen, Atem, Puls wie gestern. Übelkeit, Neigung zum Erbrechen, welches auch einmal erfolgt ist. Schmerzhaftes Drücken in der Magengegend gegen die Brust aufwärts. Schmerzen an beiden Seiten des Halses, besonders beim Schlingen. Durst bei feuchter Zunge. Mittags 12 Uhr. Sehr eingefallenes bla**es Gesicht, große Schwäche, kaum fühlbarer Puls, mehr Schmerz und große Beengung. Nachmittags 3 Uhr. Etwas lebhafteres Aussehen, kräftigerer Puls, schmerzhaftes Atmen, angeblich blutige Sputa, Durst, Ekel vor Nahrung. Abends 7 Uhr. Minderung der Brustbeschwerden und des Durstes; ruhigerer Zustand. Montag, den 16. Dezember, morgens 8 Uhr. Es war eine unruhige Nacht. Gelbe Hautfarbe, ikterischer Urin, Schmerzen in der Magen- und Lebergegend, das Gesicht noch mehr eingefallen, sehr schwacher, schneller Puls, kurzer Atem, feuchte bla**e Zunge, Durst. Die Wunde ist mit einem Blutschorf bedeckt. Mittags hatte der Kranke etwas Schleim genossen, alle übrigen Umstände waren wie morgens. Abends 5 Uhr. Patient fühlt sich etwas besser. Allgemeiner gelinder Schweiß, weniger Durst, aus der Wunde schwitzt etwas Blut und dünnes Eiter. Dienstag, den 17. Dezember, morgens. Es waren um 3 Uhr und 7 Uhr breiartige braune Stuhlausleerungen erfolgt, worauf sich etwas Schlaf, der die ganze Nacht gefehlt hatte, einfand. Übrigens sehr gelbe Hautfarbe, sehr kleiner schneller Puls, Magen- und Lebergegend sehr schmerzhaft, großer Durst, feuchte Haut. Mittags 12 Uhr. Patient wurde seit zwei Stunden verhört, sprach ziemlich leicht, der Puls etwas lebhafter. Nachmittags 2 Uhr. Patient ist sehr matt, atmet sehr kurz. Puls kaum fühlbar. Abends halb 7 Uhr. Kaltes eingefallenes Gesicht, kalte Extremitäten mit kaltem Schweiße bedeckt, sehr kurzer Atem, an den Händen kein Puls. Alle Zeichen des herannahenden Todes.« An diesem Abende gegen 7 Uhr wurde ich wieder eiligst gerufen, nachdem der behandelnde Arzt nicht sehr lange erst den Kranken verla**en hatte. Der Patient hatte wegen einer Ausleerung aus dem Bette verlangt, war da noch kälter geworden, es hatte sich ein Stickanfall eingestellt, der das Leben zu enden drohte, weshalb ich als der zunächst wohnende Arzt schleunigst zur möglichsten Hilfe herbeigeholt wurde. Ich fand den Kranken mit entstelltem Gesicht ohne Bewußtsein auf dem Deckbette liegend, die Augen nach oben verdrehend, Gesicht kalt. Hände kalt, kalter Schweiß ihn überziehend, das Atmen sehr kurz und beengt, der Herzschlag schwach, der Puls kaum mehr zu fühlen, unter dem Finger verschwindend. Er erkannte die Umstehenden nur in einzelnen Momenten, mich erkannte er nicht, begriff es auch nicht, als ich ihm sagte, warum ich da sei. Er äußerte einzelne Worte: »daß er nicht zu Hause sei, daß man ihn heim bringen solle, sagte, daß er sterben müsse, fragte, wo er sich befinde usw.« Beruhigendes Zusprechen, Auftröpfeln und Bestreichen mit Salmiakgeist, die Anwendung eines Senfteiges, Bedeckung und äußere Erwärmung und alle in solchen Fällen erforderlichen Mittel wurden in Anwendung gebracht, konnten aber natürlich dem Sterbenden nichts nützen. Er kam später noch etwas mehr zu Bewußtsein, betete, gab Antworten auf einige über sein Befinden gestellte Fragen, und so erfolgte abends 10 Uhr, 78 Stunden nach der Verletzung, ein sanfter und stiller Tod. Dem Leser meiner Abhandlung wird sich die ganz natürliche und verzeihliche Neubegierde aufdrängen, wie sich denn diese Verwundung zugetragen habe? Um dieser einigermaßen zu entsprechen und weil es gewissermaßen auch zur Sache gehört, möge eine kurze Schilderung des Vorfalles gestattet werden. Voraussetzen muß ich aber, daß der Leser mit Kaspar Hausers Namen und Schicksal, seinem ersten Erscheinen in Nürnberg am 26. Mai 1828 und den darauf gefolgten Vorfällen nicht ganz unbekannt und aus des Staatsrats v. Feuerbach oder einer andern Schrift wenigstens von dem allgemeinsten, was Hauser betrifft, unterrichtet sei. Auch muß ich noch anführen, daß, während ich dieses schreibe, Resultate von den Untersuchungen der Justiz- und Polizeibehörden nicht bekannt geworden sind, daher ein allenfallsiger Irrtum im Nichtärztlichen meiner Darstellung Entschuldigung finden möge. Nachdem Hauser in der Großmut des Lord Stanhope [Fußnote] reichliche Unterstützung gefunden hatte, wurde er einem hiesigen Lehrer, Herrn Meyer, in Kost, Pflege und Unterricht gegeben und beschäftigte sich in letzter Zeit nebenbei mit Schreiben in der Kanzlei des hiesigen Appellationsgerichtes. Sonnabends, den 14. Dezember, einem trüben, nebeligen Tage, nachmittags gegen 4 Uhr, sah die Magd des Hauses, in welchem Lehrer Meyer wohnte, den Kaspar Hauser mit vorgespreizten Händen, etwas nach vorwärts gebeugt, nach Hause eilen, so daß sie ausrief: »O seht doch, der Hauser ist in den Kot gefallen!« Der Sohn des Hausbesitzers aber, der Hausern unsicher und etwas wa*kend gehen sah, meinte dagegen: »Nicht doch, der Hauser ist betrunken!« Häuser eilte aber die Treppe hinauf, klingelte heftig, gab der betroffenen Hausfrau, die die Türe öffnete, auf ihre ängstliche Frage keine Antwort, stürzte in das Zimmer, stieß in einem Zustand von Schrecken und Verwirrung einige Worte von einem Mordversuche gegen ihn aus, faßte den Lehrer Meyer bei der Hand, zog ihn aus dem Zimmer die Treppe hinab, zum Hause hinaus, gegen den Hofgarten zu und erst unterwegs konnte Meyer aus ihm herausbringen, daß im Hofgarten in der Nähe des Uzschen Denkmals ein Mann mit schwarzem Schnurrbart und blauem Mantel ihm einen Beutel habe geben wollen und mit einem langen Messer ihn in die Brust gestochen habe. Der Mann sei in entgegengesetzter Richtung davongelaufen. Unterdes waren Meyer und Hauser bis in die Nähe des Hofgartens gekommen und es beredete Meyer nun den Verwundeten, umzukehren, unter der Voraussetzung, daß der Mann mit schwarzem Schnurrbart und blauem Mantel wohl nicht mehr im Garten werde zu finden sein, sowie er überhaupt bei der geringen Verblutung auf die Meinung geriet, daß sich Hauser bloß verstelle. Erst auf dem Rückwege sank Hauser fast zusammen, raffte nur mit Anstrengung sich auf und wurde nur mit Mühe und Meyers Unterstützung in das Haus und auf sein Zimmer gebracht. Es wurde nach Ärzten geschickt, der Stadtgerichtsarzt gerufen und der Landgerichtsarzt als des Kranken früherer Arzt von dem Vorfalle in Kenntnis gesetzt, ehe aber diese noch ankamen, wollte Meyer die Sache der Polizeibehörde anzeigen und auf dem Wege dahin begegnete er mir und bat mich als den ersten Arzt, den er sah, dem Verwundeten die möglichste Hilfe zu leisten. Auffallend ist es, wie der Verwundete bei der Größe seiner Verletzung, die erst aus der Leichenöffnung sich ergab, den weiten Weg, den er wirklich machte, zurücklegen konnte, ohne früher Zufälle zu erleiden, als es wirklich geschah. Vom Uzschen Denkmale bis zum Tore des Hofgartens sind ungefähr 300 Schritte, vom Gartentore bis zu Meyers Wohnung wohl über 900, und hat nun der Verwundete den letztern Weg dreimal gemacht, so ergibt sich eine Strecke von mehr denn 3000 Schritten, die er zurücklegte, ehe Zufälle eintraten. Der Beutel, von dem Hauser gesprochen hatte, wurde gefunden. Er enthielt ein verkehrt geschriebenes, also nur durch den Spiegel lesbares Billett: »Hauser wird es Euch ganz genau erzählen können, wie ich aussehe, und woher ich komme. Dem Hauser die Mühe zu ersparen will ich es euch selber sagen. Woher ich komme – – Ich komme von der – – bayerischen Gränze – – vom Flusse – Ich will euch sogar noch den Namen sagen. M. L. Oe.« [Fußnote] Es ist dieses Billett im Originale verkehrt geschrieben, hat einen Schreibfehler »denn Hauser« statt »dem Hauser«, und dem Stile nach, nur viel kürzer, allerdings einige entfernte Ähnlichkeit mit dem Briefe, mit dem in der Hand Hauser in Nürnberg zuerst gefunden wurde. Der Zettel in Spiegelschrift geschrieben Ein Instrument, womit die Tat geschehen sein konnte, wurde nicht gefunden, kann aber leicht in die in mehreren Windungen vorüberfließende Rezat geworfen worden sein. Es lag an diesem Tage ein erst in der vorhergehenden Nacht gefallener unbedeutender Schnee. Es müssen in demselben in dem um diese Jahreszeit wenig besuchten Hofgarten die Spuren von mehr oder weniger Fußtritten zu entdecken gewesen sein, was die gerichtliche Untersuchung ergeben wird. [Fußnote] In den ersten Tagen nach der Verwundung war die Stimmung des Publikums sehr gegen Hauser, da man ihm entweder wirklich Selbstmord zutraute oder es noch wahrscheinlicher fand, daß er Betrug und Täuschung übe, um durch einen neuen scheinbaren Mordversuch irgendeine Absicht zu erreichen. Ob und welche mehr oder minder gegründete Ursachen zu einem solchen Verdachte vorhanden waren, ist mir unbekannt. Ich hörte wenigstens seit einem zweijährigen Aufenthalt Hausers dahier nicht das mindeste, was zu einer solchen Voraussetzung Anlaß zu geben oder die Meinung zu rechtfertigen vermöchte, daß man sich zu ihm des einen oder des andern versehen könnte. Als aber die Leichenöffnung die Größe der Wunde, die er kaum selbst hätte sich beibringen können, ergeben hatte, war die Mehrheit wieder gereizt, an Meuchelmord zu glauben. Wie es scheint, ist bis jetzt gar nichts erwiesen und alles noch so rätselhaft, als ich es in den ersten Zeilen dieser Abhandlung angegeben habe. Diese Darstellung des Vorfalles stützt sich, wenn auch nicht auf offizielle, doch auf solche glaubwürdige Nachrichten, welche durch Tatsachen außer Zweifel gesetzt werden, die ich daher schon deswegen berühren mußte, weil sie mit der Schilderung des Ärztlichen innig verbunden und dem Leser zum freien Überblick der ganzen Sache und Gestaltung eines selbständigen Urteils unentbehrlich sind. Den 19. Dezember, vormittags 9 Uhr, 35 Stunden nach dem Tode, wurde die gerichtliche Leichenöffnung [Fußnote] vorgenommen. Der Leichnam lag auf einem Tische, Totenflecken waren bemerklich am Rücken und an den Extremitäten, grünliche Flecken am Unterleibe als Spuren beginnender Verwesung. Die Spuren der vorhandenen Gelbsucht zeigten sich vornehmlich am Gesicht und auf der Brust, auch an den Extremitäten. Die Gesichtszüge waren wenig entstellt, jedoch mit dem Ausdrucke tiefen Schmerzes. Eine anderthalb Zoll lange, in der Quere verlaufende, mit den unterliegenden Teilen nicht verwachsene Hautnarbe zeigte sich an der Mitte der Stirne, eine unebene Narbe, wie von einem geheilten tiefen Geschwüre, am rechten Ellenbogengelenke, zwei hautähnliche Warzen an der rechten Wange und eine am Jochbein, eine linsenförmige Warze am rechten Vorderarme, deutliche Impfnarben am rechten Oberarme unter dem Deltamuskel, zwei flachere unbestimmte Narben am linken Oberarme an ähnlicher Stelle. Die Wunde der Brust war mit einem Pflaster bedeckt und sonst zeigte sich nichts Auffallendes am ganzen Leichnam. Dritthalb Zoll unter der linken Brustwarze, drei Zolle von der Mitte des Körpers entfernt, befand sich die dreiviertel Zoll lange, zwei Linien klaffende, schräg von hinten nach vorne abwärts stehende, etwas eiternde Wunde. Verschiedene Sonden drangen unter die Zellhaut ein, konnten aber den rechten Wundkan*l nicht verfolgen. Bei Zurücklegung der Haut und des Zellgewebes ergab sich, als man von unten und der Seite an gegen die Brust aufwärts präparierte, schon drei Zoll unterhalb der äußeren Hautwunde ein Blutextravasat. Das Zellgewebe war rötlich mit Blut unterlaufen, und nun fand es sich, daß die innere Wunde der Muskeln von der äußern der Haut sich um dritthalb Zoll verschoben hatte und die Muskelwunde um so viel tiefer nach unten stand als die äußere Hautwunde. Die Muskelwunde erschien nun zwischen der sechsten und siebenten Rippe in den die Rippen bedeckenden Zwischenrippenmuskeln. Die Umgebung knisterte, es floß etwas Jauche aus, die Muskelsubstanz war mit den Fingern zerreibbar und man hielt diese Stelle für gangränös. Nun lag die Fleischwunde zwar deutlich vor Augen, aber die Sonde wollte immer noch nicht eindringen. Erst als man am unteren Rande des großen Brustmuskels die Zacken des äußeren schiefen Bauchmuskels und großen Sägemuskels entfernt hatte, drang die Sonde wie von selbst ohne Mühe durch die Interkostalmuskeln in die Tiefe ein, und zwar mehr in der Richtung von oben nach unten und etwas von links nach rechts, den Körper in aufrecht stehender Situation betrachtet. Die Ablösung des Brustbeins zeigte nichts Besonderes, als man aber die Rippen der rechten Seite wegnahm, um sich zur Untersuchung der linken mehr Raum zu verschaffen, flossen aus der rechten Brusthöhle vier bis sechs Unzen dunkelrotes flüssiges Blut aus. Wo dieses Extravasat hergekommen sei, darüber hat die anatomische Untersuchung des Leichnams keine Aufklärung gegeben; denn eine Verletzung der Lunge oder eines Gefäßes wurde nicht aufgefunden. Bei Eröffnung des Herzbeutels flossen sechs bis acht Unzen gelbe wässerige, wie es anfangs schien, mit Eiterflocken gemischte Flüssigkeit. Die ganze innere Wand des Herzbeutels, seine ganze Höhle sowohl als die großen Gefäße, soweit sie sich in demselben befinden, waren mit einer ziemlich festen Pseudomembran bedeckt. Dieselbe hatte an der Seite, womit sie am Herzbeutel anlag, ein mehr seröses, an der innern dem Herzen selbst zugekehrten Seite ein mehr flockiges Ansehen, wie sehr lange mazerierte Haut. Im Grunde des Herzbeutels, namentlich auf der untern Wand desselben, die das Zwerchfell bildet, lag auf der krankhaft gebildeten Membran eine große Menge weißliches, breiartiges, schmutzig-gelb aussehendes Exsudat in solcher Quantität, daß man es mit der Hand herausschöpfen konnte. Es war dieses dieselbe Ma**e, aus der die Pseudomembran bestand, nur war diese Ma**e noch von breiartiger flüssigerer Konsistenz und noch nicht in ein hautiges oder anderes Pseudogebild umgewandelt. Etwas davon war als flockige Ma**e mit dem Wa**er des Herzbeutels gleich nach der Eröffnung desselben ausgeflossen. Auch das Herz selbst war über und über mit dieser Membran überzogen, ebenfalls so, daß die glatte Fläche dem Herzen, die flockige dem Herzbeutel zugekehrt war und das Herz selbst durch diesen Überzug ganz schmutzig-gelb aussah. Nach Ablösung dieser Haut zeigte sich das Herz an mehreren Stellen entzündet, indem diese Stellen mehr oder minder heller oder dunkler gerötet erschienen. Die Wunde hatte den Herzbeutel getroffen, und nachdem an der Spitze des Herzens, die sehr entzündet schien, ein wenig ganz fest aufsitzendes Exsudat vorsichtig abgeschabt worden war, ergab sich eine kleine Wunde an der Spitze des Herzens selbst, ungefähr einen drittel Zoll lang und eine Linie tief. Die Substanz des Herzens war gesund, im rechten Ventrikel befand sich etwas geronnenes Blut, aber seröse Konkremente (sogenannte Herz- oder Sterbepolypen) waren weder im Herzen noch in den großen Gefäßen vorhanden. Die rechte Lunge war gesund, an der hintern Flache etwas schwärzlich. Bei der Eröffnung der linken Brusthöhle flossen gegen acht bis zehn Unzen einer wässerig blutigen Flüssigkeit ab, die linke Lunge war sehr nach hinten gedrängt und erschien, herausgenommen, an ihrer äußern Oberfläche mit einem dicken bräunlichen Exsudate bedeckt, das sich ebenfalls als häutige Fetzen von der Lungensubstanz abziehen ließ, über anderthalb bis zwei Linien dick die ganze äußere Fläche der Lunge überzog, aber doch weniger zur selbständigen Membran gebildet war als das Exsudat des Herzbeutels. Das soeben angegebene Extravasat der linken Brusthöhle befand sich aber nicht im Brustfellsacke, sondern zwischen Pleura und Interkostalmuskeln ergossen und floß aus, sobald man die Rippen entfernte, ehe noch der Pleurasack geöffnet war. Eine Verwundung oder Verletzung wurde an beiden Lungen nicht entdeckt, an den großen Gefäßen zeigte sich durchaus nichts Abnormes und alles übrige war in der Brusthöhle gesund und ohne Fehler. Die Wunde drang nun an der Stelle, an der die Spitze des Herzens liegt, die sie selbst verletzt hatte, durch den fleischigen Teil des Zwerchfelles in den Unterleib. Die Zwerchfellwunde war etwas schmaler als die äußere, ungefähr nur einen halben Zoll lang, dagegen etwas weiter klaffend gegen ein viertel Zoll, so daß sie einem verschobenen Viereck ähnelte. Bei Eröffnung des Unterleibes floß sogleich eine Menge weißlicher, schleimiger Flüssigkeit aus, die alsbald für den Inhalt des Magens anerkannt wurde. Die Wunde war durch das Zwerchfell in den linken Rand des kleinen Leberlappens, der sich sehr weit nach links erstreckte, gedrungen, hatte diesen Lappen einen halben Zoll von seinem linken Rande durchbohrt und auch noch eine penetrierende Verletzung der Wandungen des Magens veranlaßt, so daß der Inhalt des Magens in die Unterleibshöhle ausgeflossen war. Die Wunden des Zwerchfelles und Leberlappens waren übrigens ebenso scharf geschnitten an ihren Winkeln als die äußere Hautwunde im ersten Augenblicke nach der Verletzung beobachtet worden war, nur daß Zwerchfell- und Leberwunde etwas kürzer in ihrem Längendurchmesser erschienen. Der Magen war in der Art verletzt, daß sich die Wunde an der oberen und vorderen Fläche, ungefähr in der Mitte zwischen Cardia und Fundus befand, sich über einen Zoll in die Länge erstreckte und die Wandungen gestreift hatte und zwar so, daß an den äußeren Enden der Wunde nur die seröse Haut, mehr nach innen die Muskelhaut und in der Mitte auch die Schleimhaut, letztere ungefähr in der Länge von zwei Linien durchschnitten war, so daß eine starke Rabenfeder in die Öffnung hatte eingebracht werden können. Die Gedärme waren an der äußeren Seite, mit der sie an den Bauchdecken anlagen, gerötet, jedoch ohne entzündet zu sein. Die Netze waren mißfarbig und mager. Die Flüssigkeit des Magens war im ganzen Unterleibs verbreitet, hatte sich in das kleine Becken bis zum S. romanum und rectum hinab gesenkt und von diesen Darmgebilden an waren nach aufwärts fast alle Gedärme der linken Seite auf ihrer äußeren Fläche mehr oder weniger entzündet und brandig. So war die äußere Fläche des S. romani schwärzlich, mit Blut unterlaufen, brandig. Nach der Durchschneidung zeigte sich die innere Fläche gesund. So war auch das Colon descendens mehr auf der äußeren als inneren Fläche brandig. Am meisten brandig war die untere und hintere Fläche des Magens in der Gegend zwischen Cardia und Fundus, gerade derjenigen Stelle entgegengesetzt, wo die obere und vordere Fläche verwundet war. Diese Stellen waren schwarz und brandig in großer Ausdehnung, die innere Fläche allerdings ebenfalls von durchgreifendem Brande entfärbt, aber nur an kleineren Stellen, und es war deutlich genug zu erkennen, daß der Brand von außen ausgegangen war und sich nur nach innen verbreitet hatte. Die Wandungen des Magens waren übrigens an einzelnen Stellen so zerstört und mürbe, daß einzelne brandige Partien bei vorsichtigem Herausnehmen des ganzen Magens von selbst zerrissen. Die Leber, namentlich der linke Lappen, der verletzt worden war, war ganz mürbe und breiartig, so daß in der Umgebung der Wunde eine Sonde nach allen Richtungen in der Lebersubstanz bewegt werden konnte. Auch die Substanz der gesamten Leber war erweicht. Die gesamte Leber war sehr groß und der kleine Lappen erstreckte sich ungemein weit nach links hinüber. Die Gallenblase enthielt eine schwärzliche, schmierige, ziemlich konsistente, fast sulzige Flüssigkeit, ähnlich der natürlichen Farbe einer durchschnittenen Milz. Die Milz selbst war ohne Fehler und gesund. Die Nieren waren gesund, die linke in ihrer äußern Umgebung etwas dunkler aussehend als die rechte. Die Harnblase war entleert und gesund. Die Hoden waren im Hodensacke und gesund, wie sich schon bei der äußern Besichtigung ergeben hätte. Der Schädel schien etwas niedrig, wie von oben nach unten zusammengedrückt, namentlich vom Scheitel an gegen die Stirne hin. Die Schädelknochen waren etwas dick, sonst erschien nichts Auffallendes an ihnen. Das Gehirn schien im ganzen klein. Abnormes war nichts daran zu bemerken. Die Blutleiter der zarten und die Venen der weichen Hirnhaut waren ziemlich mit schwärzlichem Blute angefüllt. Der Sichelfortsatz der zarten Hirnhaut war derb und fest und reichte sehr weit zwischen den Hemisphären herab. Übrigens waren Hirn und Häute gesund, Rinden- und Marksubstanz normal. Das kleine Hirn schien im Verhältnis zum großen ziemlich groß und entwickelt, die hinteren Lappen des großen Hirns wollten das kleine nicht so recht bedecken, wie es sonst natürlich ist. Das große Hirn erschien in diesem Verhältnis ziemlich klein. Das Hirn nun herausgenommen und durch Horizontalschnitte untersucht, gab nichts besonders Abnormes. Die große Kommissur des großen Hirns war sehr stark ausgebildet. Desgleichen waren die Sehhügel groß und ausgezeichnet. Die Plexus chorioidei waren natürlich, im rechten Seitenventrikel etwas Serum, im linken nicht. Die Vierhügel waren sehr klein. Die Blättchen im sogenannten Lebensbaume des kleinen Hirns waren ausgezeichnet deutlich und sehr zahlreich vorhanden. An der Basis des Gehirns und den hier entspringenden Nerven war nichts Auffallendes oder Abweichendes zu bemerken. An der knöchernen Basis des Schädels war allerdings sehr auffallend die abgesonderte Lage des mittleren Hirnlappens, die [Fußnote] durch das besonders hoch stehende Felsenbein und den ebenfalls sehr hoch nach oben stehenden Schwertfortsatz des Keilbeines wie in einem rundlichen, vertieften Neste lagen. Die Vertiefungen und Erhabenheiten an den Knochen waren an dieser Stelle ausgezeichnet. Die Erhabenheiten der Knochen ragten hier als bedeutende, über ein viertel ja gegen ein drittel Zoll hohe Spitzen und Zacken, wie man in Landschaftsgemälden entfernte Gletscher zeichnet, gegen die Basis des Hirns herauf. Auch waren diese spitzigen, zackigen Knochenbildungen auf beiden Seiten nicht gleich, sondern auf der rechten Seite größer und stärker als auf der linken. Die Windungen an der Oberfläche des Hirns im allgemeinen schienen nicht sehr zahlreich und sein, im Gegenteil derber, gröber, überhaupt schienen am ganzen Gehirne mehr einzelne Ma**en, z.B. Kommissur, Sehhügel usw. groß und stark entwickelt, das Hirn im ganzen aber von nicht besonders feiner und zarter Struktur und Konstruktion zu sein. Nach dem Ergebnis der Leichenöffnung glaube ich nun, bei meiner Untersuchung der Verletzung mit der Spitze des Fingers das Zwerchfell und dessen Wunde berührt zu haben. So viel der Tatsachen. In den Folgerungen daraus sind diejenigen, die befugt und unbefugt darüber urteilen, in ihren Meinungen und Ansichten teils übereinstimmend, teils sehr verschieden. Über die Gefährlichkeit der Verletzung und die Tödlichkeit der Wunde sind alle Stimmen einig. Die Wunde hatte zwischen der sechsten und siebten Rippe die äußern Bedeckungen getroffen, war am Rande des großen Brustmuskels durch die Dentationen des Säge- und schiefen Bauchmuskels und durch die Zwischenrippenmuskeln gedrungen, hatte ihren Weg durch den Herzbeutel genommen und das Herz selbst an der Spitze verletzt, sie hatte endlich den fleischigen Teil des Zwerchfells durchbohrt, den Rand des linken Leberlappens durchstochen und eine penetrierende Wunde in den Wandungen des Magens veranlaßt. Diese letztere Wunde, die Verletzung des Magens, der nun seinen Inhalt in die Unterleibshöhle ergießen und Entzündung und Brand erzeugen mußte, muß auch um so mehr und in allen Fällen für tödlich erklärt werden, als diese Wunde nicht entdeckt werden konnte und auch bei der genauesten Erkenntnis keine Hilfe hatte stattfinden können, zumal da der Magen nicht durch die äußeren Bedeckungen des Unterleibes, sondern von der Brusthöhle aus verletzt worden war. Abgesehen nun von der Magenwunde würden auch die Leber- und Zwerchfellwunden, deren erstere baldige Erweichung und Entartung der Lebersubstanz, namentlich in der Umgebung der verletzten Stelle, und letztere fast augenblicklich eintretende konsekutive Nervenzufälle an der linken Schulter und am Hals veranlaßte, ebenfalls tödlich geworden sein. Wenn Herzbeutel- und Herzwunden auch mitunter geheilt werden, so wären doch in diesem individuellen Falle durch die ungemeine Reizung zu Lympherguß, plastischem Exsudat und Pseudogebild auch diese Verletzungen durch Herzbeutelwa**ersucht und exsudierte Pseudomembranen bestimmt und in kaum viel späterer Zeit als der Brand der Eingeweide des Unterleibes tödlich geworden. Endlich die äußere Wunde, auch nur bis an und zu dem Herzbeutel durchdringend betrachtet, wäre durch das aus den Verzweigungen der Interkostalgefäße und aus der äußeren Fläche des Herzbeutels und der Pleura abgesonderte und zwischen Brustfell und Zwischenrippenmuskeln ergossene Extravasat in der Folge unfehlbar tödlich geworden. Es liegt also hier eine vierfache Tödlichkeit der Wunde vor, und darüber sind die Ansichten auch so ziemlich einstimmig. Das in der rechten Brusthöhle befindliche Extravasat floß aus, als man dieselbe eröffnete. Man wollte diese Blutansammlung als Ergießung aus der bei der Leichenöffnung verletzten Schlüsselbeinvene erklären, da aber aus dieser Vene gewöhnlich nur ganz schwarzes Blut ausfließt und auch bei dieser Leichenöffnung aus anderen großen Venen der Brust und des Unterleibs ebenfalls nur ganz schwarzes gestocktes Blut ausfloß, das vorgefundene aber nur dunkelrot und flüssig war, auch eine Verletzung der gedachten Vene sich hätte ergeben müssen, so möchte ich dieser Ansicht nicht beitreten, obgleich ich bei Abwesenheit einer Entzündung der rechten Pleura und vollkommener Integrität der Lunge die Veranla**ung dieses Ertravasates nicht zu erklären vermag. Auch über die Größe des Ertravasates in der linken Brusthöhle könnte sich ein kleiner Anstand ergeben, wenn man annähme, daß bei der auch noch so vorsichtigen Entleerung des Herzbeutels etwas von dieser Flüssigkeit zwischen die Pleura und Interkostalmuskeln geflossen wäre. Jedenfalls befand sich aber demnach dort ein Blutextravasat, indem die hinweggeflossene Flüssigkeit nur reines, mit Flocken gelblichen Exsudates vermengtes ganz helles Wa**er gewesen sein konnte, bei Entfernung der linken Rippen aber blutige, dünnere und hellere Flüssigkeit als aus der rechten Brusthöhle entleert wurde. Ob aber Hauser ein Leben, in welchem er die Stelle des raffiniertesten Betrügers zu spielen wußte, durch schmerzvollen Selbstmord geendet hat, oder ob er als unschuldiges Opfer einer verabscheuungswürdigen Untat fiel, darüber sind die Ansichten derer, die berufen und unberufen das Urteil sprechen, sehr verschieden. Während die eine Meinung die Unmöglichkeit zu beweisen sucht, daß Hauser eine solche Wunde sich selbst habe beibringen können und mit Bestimmtheit annimmt, daß diese Verletzung nur durch ein Banditenmesser und nur von einem geübten Mörder habe geschehen können, erklärt die andere Ansicht mit ebenso viel Gründen und Festigkeit, daß dieser Streich habe töten wollen, ebenso gut aber von eigener als von fremder Hand habe geführt werden können. Die Wichtigkeit der Sache und Merkwürdigkeit dieser von zwei erfahrenen, sachverständigen, zum Ausspruche berufenen Männern [Fußnote] erhobenen Widersprüche gestattet etwas ausführlichere Darstellung. Die äußere Wunde befand sich dritthalb Zoll unter der linken Brustwarze, drei Zoll von der Mittellinie des Körpers entfernt, und das unterste Ende derselben befand sich am Magen, an der Grenze der großen und kleinen Kurvatur, d.h. an der oberen und vorderen Fläche, so ziemlich in der Mitte zwischen Cardia und Fundus. Betrachtet man nun den Körper in aufrechter Stellung, so verlief der Wundkan*l in dreifach schiefer Richtung von oben nach unten, von links nach rechts und von vorne nach hinten. Auch war der Streich nicht in einer ganz gerade stehenden, sondern in einer etwas nach vorwärts gebeugten Stellung geführt worden: denn in dieser Situation, halb stehend, halb sitzend, etwas nach vorne gebeugt, konnte ich mit dem Finger in die Wunde eindringen, bei mehr horizontaler Lage im Bette dagegen hatten die äußere und innere Wunde, und zwar, wie die Leichenöffnung ergab, die äußere über zwei Zoll [Fußnote] ½ [Fußnote] nach oben sich verschoben, woraus erhellt, daß über die Stellung, in der die Verletzung vorfiel, kein Zweifel bestehen kann. Versucht man es nun an sich selbst, mit einer und der andern Hand, die man auf die Stelle der äußeren Wunde auffallen läßt, die Richtung des Wundkan*les einzuhalten, so ist solche kaum zu treffen, und fast jedesmal wird in diesem Falle die Richtung des Instruments einen stumpfern Winkel mit der Scheitellinie des Körpers bilden, d. h. in mehr horizontaler Richtung von vorn nach hinten treffen. Dagegen ist diese Richtung von fremder Hand sehr leicht einzuhalten und alles ist viel leichter erklärbar, wenn man annimmt, daß ein vor Hauser stehender Mann ihm diese Verletzung beigebracht habe. Es wird ferner der Selbstmörder in der angegebenen Stellung kaum die Kraft haben, einen solchen gleichförmigen Stoß durch den wattierten Rock, Kittelchen, Weste und Hemd noch vier bis fünfeinhalb Zoll tief in Brust und Unterleib zu treiben. Daß aber dieser Stoß in einem einzigen kräftigen Zuge geführt worden sei, geht aus der Richtung und Gleichförmigkeit der Wunde genugsam hervor. Auch dieses spricht also gegen den Selbstmord und für Verletzung durch fremde Hand. Noch ein Fall wäre denkbar, [Fußnote] daß Hauser das Instrument mit der linken Hand angesetzt und gehalten, mit der rechten aber, oder gar mittels eines in derselben geführten Körpers aufgeschlagen und auf diese Weise das Messer hineingetrieben habe. Auf solche Weise hatte er zwar leicht die Richtung der Wunde, keineswegs aber deren Gleichförmigkeit bewirken können, indem nur eine sehr bedeutende Gewalt, die kaum anzunehmen ist, das Instrument so tief führen konnte, und außerdem er bei Schmerzgefühl gezuckt haben müßte, wodurch die Wunde ungleichförmig geworden wäre. Nimmt man dagegen aber an, wie von glaubwürdigen Beobachtern versichert wird, daß Hauser in der linken Hand mehr Fertigkeit und Kraft besessen habe als in der rechten, so bedarf es dieser Gründe gegen den Selbstmord weniger, und derselbe ist dadurch wieder leichter zu erklären. [Fußnote] Woher sollte aber der genau beobachtete Hauser das Mordwerkzeug erhalten haben? zumal da es kein Instrument des gewöhnlichen Lebens, nicht einmal ein gewöhnlicher Dolch gewesen sein sollte. Es bedarf aber hierzu keines Banditenmessers, indem ein sogenannter Niederländer Dolch vollkommen geeignet ist, eine solche Wunde zu bewirken. Wie hatte aber Hauser diesen sich verschaffen sollen, ohne daß es hätte ermittelt werden können? In einer Stadt wie Ansbach wäre Hauser der Kauf eines Dolches und sein Tod durch gewaltsame Verwundung zu auffallend, als daß es sich nicht schon ergeben haben sollte, es müßte denn Hauser sich schon lange mit diesem Plan herumgetragen und bei einem früheren Aufenthalte in Nürnberg sich den Dolch zu verschaffen gewußt haben. Warum noch Rock und Kleider durchstoßen, wenn er die Brust treffen wollte? Die Stelle des Einstiches war übrigens dort gewählt, wo jeder das Herz am deutlichsten schlagen fühlt, es also am sichersten zu treffen glaubt, und hierzu bedarf es keines geübten Mörders. Wollten wir nun die Sache moralisch fa**en, so läßt sich fragen, wie sollte der lebenslustige Hauser, der, wie er selbst sagte, so kurz zu leben erst angefangen, der, wenn ich nicht irre, erst wenige Tage vor seiner Verwundung geäußert hatte, er möge wohl gerne Offizier werden, wenn es nur keinen Krieg gebe und er nicht verwundet oder gar totgeschossen würde, wie sollte der selbstgefällige, gutmütige, tändelnde, feigherzige Hauser zum ernstlichen Entschlusse des Selbstmords kommen und zu einem so gewaltigen Streiche gegen sich selbst ausholen? er, den ein Federmesser, den eine Toilettenschere in Mädchenhand zu erschrecken vermochte? Nach tiefem Gefühle und Ausspruche der allermeisten, die Hauser früher und näher kannten, ist ein Selbstmord mit dem Charakter dieses Menschen vollkommen unverträglich. Angenommen aber auch, er habe täuschen wollen, um durch einen scheinbar erneuten Mordversuch auf sein Leben die Gunst seiner Gönner, das Interesse des Publikums, die Zuneigung des schönen Geschlechtes sich in erhöhtem Grade zu erwerben und es sei der Versuch nur etwas zu übel abgelaufen, so läßt sich hierauf mit Recht entgegnen, wer durch Betrug und Täuschung sein Dasein verbessern will, ergreift wahrlich nicht die Maßregeln, um es ganz zu vernichten; und daß man eine solche Wunde sich aus Unwissenheit und Unerfahrenheit zufügen könne, überhaupt, daß man so etwas zum Spa**e treibe, möge mir niemand einwenden. Sanft und ruhig, ohne Feindschaft oder Haß, ist Hauser gestorben. Unter seine letzten Worte gehörte: »Warum sollte ich Zorn oder Groll hegen, da mir niemand etwas getan hat.« Auch dieses hat man auf Selbstmord gedeutet. Vergleicht man mit allem diesem nun noch die Beobachtung unseres hiesigen Stadtgerichtsarztes, [Fußnote] daß alle von fremder Hand Verwundeten ängstlich über ihre Verletzung sind und Besorgnis über ihr Schicksal äußern, Selbstmörder dagegen sich nicht um ihre Wunden kümmern, gleichgültig bleiben und ihren Zustand kaum einer Frage würdigen, wie letzteres von Hauser geschah, so gewinnt die Ansicht für den Selbstmord wieder mehr Wahrscheinlichkeit, wenn man Erfahrungen des gewöhnlichen Lebens auf diesen außerordentlichen Fall in Anwendung bringen darf, und der Widersprüche ist kein Ende. [Fußnote] Je weniger aber diese Zweifel zu lösen sind, und je mehr der ruhige Beobachter durch das Heer der Widersprüche nur in Verwirrung, aber nicht zur Klarheit kommt, um so lieber wird der Leser dieses Feld verla**en und nur vom berichtenden Arzte noch einige Aufklärung fordern, ob die Leichenöffnung vielleicht Resultate geliefert habe, die sich auf Hausers früheres Verhältnis beziehen, Momente, die untergehen, wenn sie jetzt nicht gerettet und erhalten werden. Diejenigen aber, die zuviel fordern könnten, mögen bedenken, daß ein Leichnam, der an einem trüben Tage, in einem engen Zimmer, einer mit allen Formalitäten vor sich gehenden ununterbrochenen, über sieben Stunden dauernden gerichtlichen Obduktion unterworfen wird, nicht der Gegenstand von Studien und Versuchen werden kann, und es möge daher dem Verfa**er dieser Mitteilungen, dem nur als Beobachter und Zuschauer die Anwesenheit gestattet war, entschuldigt werden, wenn er zu physiologischen Untersuchungen weder Zeit noch Raum gefunden hat. Die wesentlichsten dieser Resultate sind aber folgende: Bei der äußeren Besichtigung des Leichnams war nichts besonders Auffallendes zu bemerken. Die Oberschenkel waren allerdings stark, dick, voll, aber die angeblich früher vorhandene übermäßige Stärke des großen äußern und innern Schenkelmuskels (Vastus) wurde nicht vorgefunden. Die Kniekehle war allerdings etwas weniger ausgehöhlt, platter aufliegend, als sie in der Regel gefunden wird. Wenn man aber annimmt, daß Gesäß und Wadenmuskeln durch das Liegen des Leichnams auf dem Brett ebenfalls etwas platter gedrückt waren, so erschien auch hier nichts Ausgezeichnetes. Die Leber war sehr groß und hypertrophisch. Dem Landgerichtsarzte, der sich gutachtlich auszusprechen hatte, konnte es daher nicht entgehen, daß diese Vergrößerung und Hypertrophie mit Hausers früherer Einkerkerung in Verhältnis zu setzen sei, indem auch Tiere, denen man in engen Käfigen wenig Bewegung gestattet, große Lebern bekommen. Aus dem Drucke der vergrößerten Leber erklärte derselbe, der auch Hausers früherer Arzt gewesen war, das fortwährende Aufstoßen nach dem Genuß auch jeder Speise, über welches Hauser so häufig klagte, welche Erscheinung aber auch, nächst leicht und bald vorübergehenden Rückenschmerzen, die er sich einmal durch eine Erkältung zugezogen hatte, die einzigen Krankheitszufälle waren, die an Hauser wahrend seines zweijährigen Aufenthaltes dahier beobachtet wurden. In Übereinstimmung mit den verhältnismäßig kleinen Lungen finde auch ich die Vergrößerung der Leber ganz natürlich, indem diese beiden Organe sich physiologisch bedingen als Ausscheidungsorgane des Kohlenstoffes, die Leber im Fötus für die Lunge funktioniert und in der Tierreihe umsomehr hervortritt, je mehr die Lunge sich zurückzieht. Konnte sich bei weniger Bewegung und in der dumpfen Luft des Kerkers die Lunge nur wenig entwickeln, so mußte das Übergewicht auf die Leber fallen. Ist es aber ausgemacht, daß Hauser lange Zeit nur Kohlenstoff haltende Vegetabilien (trockenes Brot) und kein stickstoffhaltiges Fleisch zur Nahrung erhalten hatte, so wurde durch vermehrtes Bedürfnis, den Kohlenstoff auszuscheiden, auch die Vergrößerung der Leber und die dicke, zähe, schwärzliche Galle bedingt. Umgekehrt aber beweisen diese Erscheinungen für Hausers früheres Verhältnis, für seine Einkerkerung in einem dumpfen Loche und Ernährung durch Pflanzenkost. Eine frühere Untersuchung über vorhandenen oder mangelnden Stickstoffgehalt des Urins hätte diesen Beweis vervollständigen können. Sonst wurde in Brust- und Unterleibshöhle nichts Seltsames, Abweichendes oder Auffallendes gefunden. Etwas schwieriger und verwickelter ist die Untersuchung und Beurteilung des Gehirns. Über den namentlich vom Scheitel gegen die Stirne zu etwas niedergedrückten Schädel, die ziemliche Dicke der Knochen, den weit herein ragenden Sichelfortsatz der harten Hirnhaut, über die Kleinheit des Gehirns im allgemeinen, die relativ geringe Ma**e des großen und bedeutende Größe des kleinen Hirns, über die der Zahl nach wenigeren, aber dem Ansehen nach größeren und gröberen Windungen an der Oberfläche, das besondere Hervortreten einzelner Ma**en im innern, namentlich im großen Gehirne, und endlich über einige Eigentümlichkeiten der Schädelbasis habe ich mich schon im Leichenbefunde ausgesprochen. Alle diese Momente schienen mir auf mangelhafte Entwicklung des Hirnorgans zu deuten. Als da**elbe herausgenommen war, wurde die Kleinheit der hinteren Lappen des großen Hirnes, die auseinander fielen und das kleine nicht decken wollten, noch auffallender, und diese Erscheinung hatte einige, wenngleich nur entfernte Ähnlichkeit mit dem Aussehen, wie Carus (Versuch über das Nervensystem, Tafel V, Figur 21) das Hirn des Marders, oder Tiedemann (Bildungsgeschichte des Fötushirns Tafel III, Figur 1) das Hirn des menschlichen Fötus abgebildet haben. Nach phrenologischen Grundsätzen, Schädel und Hirn zu untersuchen, um aus der äußeren Bildung auf das Vorhandensein oder den Mangel gewisser Neigungen, Gefühle und Triebe zu schließen, wäre höchst interessant gewesen, konnte aber nicht geschehen, und wäre es auch wirklich geschehen, so möchte ich bei der Unsicherheit dieser Lehre die Zahl der Zweifel und Widersprüche nicht noch mehr vergrößern. Übrigens konnte ich während der Untersuchung des Gehirnes das Gefühl, und wahrend ich dieses schreibe, das Wort »tierähnliche Bildung« nicht unterdrücken. In diesem Falle war nicht nur geistige Entwicklung durch mangelhafte Bildung des Hirnorgans gehemmt, sondern das Organ blieb in seiner Entwicklung zurück durch Mangel aller geistigen Tätigkeit und Erregung. Denn es ist ein Naturgesetz, daß jedes Organ und Gebilde, das ungeübt und unbenutzt bleibt, den vollständigen Grad seiner möglichen Vollkommenheit nicht erreicht oder von demselben zurücksinkt und verkümmert wird. Bis zum siebten Jahre ist die materielle Entwicklung des Menschenhirns so ziemlich beendigt, haben aber vor dieser Zeit und nur dieselben [Fußnote] Einflüsse stattgefunden, die dessen naturgemäße Bildung hemmen und aufhalten konnten, so muß das Hirn auch in physischer und materieller Hinsicht auf der niederen Bildungsstufe stehen bleiben. Nach dem angegebenen Naturgesetze, daß Übung und Tätigkeit zur vollständigen Entwicklung eines Organes nötig sei, und ohne dieselben auch die physische Organisation in ihrer Ausbildung zurückbleibe, mußte die Hirnbildung auch im vorliegenden Falle geschehen. Hat Hauser geraume Zeit vor dem siebten Jahre seine Zeit in einem finstern Loche, im dumpfen Hinbrüten, ohne alle intellektuelle Tätigkeit und geistige Lebensreize, die zur Entwicklung des menschlichen Hirns nötig sind, zubringen müssen, so mußte auch seine Hirnbildung auf der tierähnlichen Stufe stehen bleiben, wie er selbst nur in tierischem Zustande gelebt hatte. Hat aber die Leichenöffnung einen solchen unentwickelten Zustand in der physischen Hirnbildung wirklich nachgewiesen, so ist dieser Zustand auch genügender Beweis, daß Hauser geraume Zeit vor seinem siebten Jahre in die Lage, in der er so lange verharren mußte, gebracht worden ist. Waren aber darüber die Jugendjahre verstrichen und hatte das Hirn seine physische Bildung auf dieser niedern Stufe vollendet, so konnte das Versäumte nicht mehr ersetzt werden. Als er wirklich an das Licht und unter die Menschen getreten war, war es zu spät, als daß die intellektuellen Reize auf die Bildung des bereits gereiften, physisch ausgewachsenen, aber nur für diese niedere Stufe geistigen Lebens vollendeten Hirns noch hätten Einfluß äußern können. Daher la**en sich die reißenden Fortschritte und glänzenden Anlagen erklären, die Hauser anfangs verriet, weil für sie das Hirnorgan schon gereift war, das bei Kindern sich erst auch noch physisch bilden muß, daher aber auch sein alsbaldiges Stehenbleiben an der Grenze des Mittelmäßigen und Gewöhnlichen, weil das Hirn für höheres geistiges Leben nicht mehr umgebildet werden konnte. Wäre Hauser früher gestorben, so würde man wohl mehrere und deutliche Spuren, die sein seltsames Schicksal der physischen Organisation aufgedrückt hatte, gefunden haben, die aber von der Natur unter den Verhältnissen des gewöhnlichen Lebens mehr oder minder verwischt worden sein mögen. Wohl ihm, der es überstanden hat! Dem des Lebens Rätsel gelöst erscheinen. Möge der Himmel bald es fügen, daß der Menschen Augen das Dunkel dieser Wege des Schicksals durchdringe, damit dem Gefallenen Gerechtigkeit werde, in dieser wie in jener Welt! Selbstzeugnisse

You need to sign in for commenting.
No comments yet.