Homer - Odyssee - Kapitel 56 lyrics

Published

0 130 0

Homer - Odyssee - Kapitel 56 lyrics

Zweiundzwanzigster Gesang Odysseus erschießt den Antinoos, und entdeckt sich den Freiern. Eurymachos bittet um Schonung. Kampf. Telemachos bringt Waffen von oben, und läßt die Türe offen. Der Ziegenhirt schleicht hinauf, und wird von den treue Hirten gebunden. Athene erscheint in Mentors Gestalt, dann als Schwalbe. Entscheidender Sieg. Nur der Sänger und Medon werden verschont. Der gerufene Eurykleia Frohlocken gehemmt. Reinigung des Saales, und Strafe der Treulosen. Odysseus räuchert das Haus, und wird von den treuen Mägden bewillkommt. Jetzo entblößte sich von den Lumpen der weise Odysseus, Sprang auf die hohe Schwell', und hielt in den Händen den Bogen Samt dem gefüllten Köcher; er goß die gefiederten Pfeile Hin vor sich auf die Erd', und sprach zu der Freier Versammlung: 5 Diesen furchtbaren Kampf, ihr Freier, hab' ich vollendet! Jetzo wähl' ich ein Ziel, das noch kein Schütze getroffen, Ob ich's treffen kann, und Apollon mir Ehre verleihet. Sprach's, und Antinoos traf er mit bitterm Todesgeschosse. Dieser wollte vom Tisch das zweigehenkelte schöne 10 Goldne Geschirr aufheben, und faßt' es schon mit den Händen, Daß er tränke des Weins; allein von seiner Ermordung Ahnet' ihm nichts: und wer in der schmausenden Männer Gesellschaft Hätte geglaubt, daß einer, und wenn er der Tapferste wäre, Unter so vielen es wagte, ihm Mord und Tod zu bereiten! 15 Aber Odysseus traf mit dem Pfeil ihn grad' in die Gurgel, Daß im zarten Genick die Spitze wieder hervordrang. Und er sank zur Seite hinab; der Becher voll Weines Stürzte dahin aus der Hand des Erschossenen; und aus der Nase Sprang ihm ein Strahl dickströmendes Bluts. Er wälzte sich zuckend, 20 Stieß mit dem Fuß an den Tisch, und die Speisen fielen zur Erde; Brot und gebratenes Fleisch ward blutig. Aber die Freier Schrien laut auf im Saale, da sie den Stürzenden sahen, Sprangen empor von den Thronen, und schwärmten wild durcheinander, Schaueten ringsumher nach den schöngemauerten Wänden: 25 Aber da war kein Schild und keine mächtige Lanze! Und sie schalten Odysseus, und schrien die zürnenden Worte: Übel bekommt dir, Fremdling, das Männerschießen! Du kämpftest Heute den letzten Kampf! Nun ist dein Verderben entschieden! Wahrlich du tötetest hier den Jüngling, welcher der größte 30 Held in Ithaka war! Drum sollen die Geier dich fressen! Also rufte der Schwarm; denn sie wähnten, er habe den Jüngling Wider Willen getötet: die Toren! und wußten das nicht, Daß nun über sie alle die Stunde des Todes verhängt war. Zürnend schaute auf sie und sprach der weise Odysseus: 35 Ha! ihr Hunde, ihr wähntet, ich kehrete nimmer zur Heimat Aus dem Lande der Troer! Drum zehrtet ihr Schwelger mein Gut auf, Und beschlieft mit Gewalt die Weiber in meinem Palaste, Ja ihr warbt sogar, da ich lebte, um meine Gemahlin: Weder die Götter scheuend, des weiten Himmels Bewohner; 40 Noch ob ewige Schand' auf eurem Gedächtnisse ruhte! Nun ist über euch alle die Stunde des Todes verhänget! Also sprach er. Da faßte sie alle bleiches Entsetzen; Jeder sahe sich um, wo er dem Verderben entflöhe. Nur Eurymachos gab aus dem Haufen ihm dieses zur Antwort: 45 Bist du denn jetzt Odysseus der Ithaker wiedergekommen, O so rügst du mit Recht die Taten dieser Achaier! Viel' Unarten geschahn im Palast, und viel' auf dem Lande: Aber er liegt ja schon, der solches alles verschuldet! Denn Antinoos war der Stifter aller Verwüstung: 50 Und ihn trieb nicht einmal die heiße Begierde der Hochzeit, Sondern andre Gedanken, die Zeus Kronion vernichtet! Selber König zu sein in Ithakas mächtigem Reiche Strebt' er, und deinen Sohn mit Hinterlist zu ermorden. Doch nun hat er sein Teil empfangen! Du aber verschone 55 Deines Volks! Wir wollen forthin dir willig gehorchen! Aber was hier im Palast an Speis' und Tranke verzehrt ward, Dafür bringen wir gleich, ein jeglicher zwanzig Rinder, Bringen dir Erz und Gold zur Versöhnung, bis wir dein Herz nun Haben erfreut! So lang' ist freilich dein Zorn nicht zu tadeln! 60 Zürnend schaute auf ihn und sprach der weise Odysseus: Nein, Eurymachos, brächtet ihr euer ganzes Vermögen, Das ihr vom Vater besitzt, und legtet von anderm noch mehr zu: Dennoch sollte mein Arm von eurem Morde nicht eher Rasten, bevor ihr Freier mir allen Frevel gebüßt habt! 65 Jetzo habt ihr die Wahl: entweder tapfer zu streiten, Oder zu fliehn, wer etwa den Schrecken des Todes entfliehn kann. Aber ich hoffe, nicht einer entrinnt dem Todesverhängnis! Also sprach er; und allen erzitterten Herz und Kniee. Aber Eurymachos sprach noch einmal zu der Versammlung: 70 Nimmer, o Freunde, ruhn die schrecklichen Hände des Mannes; Sondern nachdem er den Bogen und vollen Köcher gefaßt hat, Sendet er seine Geschosse herab von der zierlichen Schwelle, Bis er uns alle vertilgt! Drum auf! gedenket des Kampfes! Hurtig, und zieht die Schwerter, und schirmt euch alle mit Tischen 75 Gegen die tötenden Pfeile! Dann dringen wir alle mit einmal Gegen ihn an! Denn vertrieben wir ihn von der Schwell' und der Pforte Und durchliefen die Stadt; dann erhübe sich plötzlich ein Aufruhr, Und bald hätte der Mann die letzten Pfeile versendet! Als er dieses gesagt, da zog er das eherne scharfe 80 Und zweischneidige Schwert, und sprang mit gräßlichem Schreien Gegen Odysseus empor. Allein der edle Odysseus Schnellte zugleich den Pfeil, und traf ihm die Mitte des Busens: Tief in die Leber fuhr der gefiederte Pfeil; aus der Rechten Fiel ihm das Schwert; und er stürzte, mit strömendem Blute besudelt, 85 Taumelnd über den Tisch, und warf die Speisen zur Erde Samt dem doppelten Becher, und schlug mit der Stirne den Boden, In der entsetzlichen Angst; mit beiden zappelnden Füßen Stürzt' er den Sessel herum, und die brechenden Augen umschloß Nacht. Aber Amphinomos sprang zu dem hochberühmten Odysseus 90 Stürmend hinan, und schwung das blinkende Schwert in der Rechten, Ihn von der Pforte zu treiben. Doch mitten im stürmenden Angriff Rannte Telemachos ihm von hinten die eherne Lanze Zwischen die Schultern hinein, daß vorn die Spitze hervordrang. Tönend stürzt' er dahin, und schlug mit der Stirne den Boden. 95 Aber Telemachos floh, und ließ in Amphinomos' Schulter Seinen gewaltigen Speer; denn er fürchtete, daß ein Achaier, Wenn er die Lanze herausarbeitete, gegen ihn stürzend, Ihn mit geschliffenem Schwert durchstäche, oder zerhaute. Eilend lief er, und floh zu dem lieben Vater Odysseus, 100 Stellte sich nahe bei ihn, und sprach die geflügelten Worte: Vater, ich hole geschwinde dir einen Schild und zwo Lanzen, Und den ehernen Helm, der deiner Schläfe gerecht ist; Rüste mich selber alsdann, und bringe den Hirten Eumäos Und Philötios Waffen. Man kämpft doch besser in Rüstung. 105 Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus: Lauf und bringe sie, eh' ich die tötenden Pfeile verschossen: Daß sie mich nicht von der Pforte vertreiben, wenn ich allein bin! Sprach's; und eilend gehorchte Telemachos seinem Gebote: Stieg in den Söller empor, wo die prächtige Rüstung verwahrt lag. 110 Wählte sich vier gewölbete Schild', acht blinkende Lanzen, Und vier eherne Helme, geschmückt mit wallendem Roßschweif; Trug sie hinab, und eilte zum lieben Vater Odysseus. Jetzo bedeckt' er zuerst den Leib mit der ehernen Rüstung; Und dann waffneten sich der Rinderhirt und der Sauhirt: 115 Und sie standen zur Seite des weisen Helden Odysseus. Dieser, solang' es ihm noch an Todesgeschosse nicht fehlte, Streckte mit jeglichem Schuß hinzielend einen der Freier In dem Palaste dahin, und Haufen stürzten bei Haufen. Aber da's an Geschoß dem zürnenden Könige fehlte, 120 Lehnt' er gegen die Pfoste des schöngemauerten Saales Seinen Bogen zu stehn an eine der schimmernden Wände. Eilend warf er sich jetzo den vierfachen Schild um die Schulter, Deckte sein mächtiges Haupt mit dem schöngebildeten Helme, Welchen fürchterlich winkend die Mähne des Rosses umwallte, 125 Und ergriff zwo starke mit Erz gerüstete Lanzen. Rechts in der zierlichen Wand war eine Pforte zur Treppe. Und von der äußern Schwelle der schöngebaueten Wohnung Führt' ein Weg in den Gang, mit festverschlossener Türe. Diesen befahl Odysseus dem edlen Hirten Eumäos 130 Nahe stehend zu hüten; denn einen nur faßte die Öffnung. Und Agelaos begann, und sprach zu der Freier Versammlung: Freunde, könnte nicht einer zur Treppentüre hinaufgehn, Und es dem Volke sagen? Dann würde plötzlich ein Aufruhr, Und bald hätte der Mann die letzten Pfeile versendet! 135 Ihm antwortete drauf der Ziegenhirte Melantheus: Göttlicher Held Agelaos, das geht nicht! Fürchterlich nahe Ist die Pforte des Hofes, und eng der Weg nach dem Vorsaal. Selbst ein einzelner Mann, wenn er Herz hat, wehret ihn allen. Aber wohlan! ich will euch Waffen holen vom Söller, 140 Daß ihr euch rüsten könnt! Denn dort, sonst nirgends, vermut' ich, Hat sie Odysseus versteckt, nebst seinem glänzenden Sohne. Also sprach er, und stieg, der Ziegenhirte Melantheus, Durch die Stufen des Hauses empor zu den Kammern des Königs. Und zwölf Schilde holt' er, und zwölf weitschattende Lanzen, 145 Und zwölf eherne Helme, geschmückt mit wallendem Roßschweif, Stieg dann wieder hinab, und brachte sie eilig den Freiern. Aber dem edlen Odysseus erzitterten Herz und Kniee, Als sie um Schultern und Haupt sich rüsteten, und in den Händen Lange Speere bewegten; ihm drohte die schrecklichste Arbeit. 150 Und er wandte sich schnell mit geflügelten Worten zum Sohne: Sicher, Telemachos, hat uns eine der Weiber im Hause Jenen furchtbaren Kampf bereitet, oder Melantheus! Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen: O mein Vater, das hab' ich selber versehen, und niemand 155 Anders ist schuld! Ich ließ die feste Türe des Söllers Unverschlossen zurück; und das hat ein Lauscher bemerket. Aber, Eumäos, eil' und verschließ die Türe des Söllers, Und gib acht, ob eine der Mägde dieses getan hat, Oder Dolios' Sohn Melantheus, wie ich vermute.

You need to sign in for commenting.
No comments yet.