Homer - Odyssee - Kapitel 55 lyrics

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Homer - Odyssee - Kapitel 55 lyrics

Ihm antwortete drauf der Oberhirte der Rinder: 200 Vater Zeus, erfülltest du doch mein heißes Verlangen, Daß ein Himmlischer jenen zur Heimat führte! Du solltest Sehn, was auch meine Kraft und meine Hände vermöchten! Auch Eumäos flehte zu allen unsterblichen Göttern, Daß sie dem weisen Odysseus verstatteten wiederzukehren. 205 Und nachdem Odysseus die Treue der Hirten geprüfet; Da antwortet' er ihnen, und sprach die freundlichen Worte: Nun ich selber bin hier! Nach vielen Todesgefahren Bin ich im zwanzigsten Jahre zur Heimat wiedergekehret! Und ich erkenne, wie sehr ihr beiden meine Zurückkunft 210 Wünschtet, ihr allein von den Knechten! denn keinen der andern Hört' ich flehn, daß ein Gott mir heimzukehren vergönnte! Drum vernehmet auch ihr, was euch zum Lohne bestimmt ist: Wenn mir Gott die Vertilgung der stolzen Freier gewähret; Dann will ich jedem ein Weib und Güter zum Eigentum geben, 215 Jedem nahe bei mir ein Haus erbauen, und künftig Beide wie Freund' und Brüder von meinem Telemachos achten. Aber daß ihr mir glaubt, und mich für Odysseus erkennet; Kommt und betrachtet hier ein entscheidendes Zeichen, die Narbe, Die ein Eber mir einst mit weißem Zahne gehauen, 220 Als ich auf dem Parnaß mit den Söhnen Autolykos' jagte. Also sprach er, und zog von der großen Narbe die Lumpen. Aber da jene sie sahn, und alles deutlich erkannten; Weinten sie, schlangen die Händ' um den edlen Helden Odysseus, Hießen ihn froh willkommen, und küßten ihm Schultern und Antlitz. 225 Auch Odysseus küßte den Hirten Antlitz und Hände. Über der Klage wäre die Sonne niedergesunken, Hätt' Odysseus sie nicht mit diesen Worten geendet: Hemmt anitzo die Tränen und euren Jammer: daß niemand Von den Leuten im Haus uns seh' und drinnen verrate. 230 Geht nun einzeln wieder hinein, nicht alle mit einmal: Ich zuerst, dann ihr! Die Abred' aber sei diese: Nimmer wird es die Schar der übermütigen Freier Billigen, daß mir der Bogen und Köcher werde gegeben; Aber gehe nur dreist mit dem Bogen, edler Eumäos, 235 Durch den Saal, und reiche mir ihn. Auch sage den Weibern, Daß sie die festen Türen des Hinterhauses verriegeln; Und wenn eine vielleicht ein Röcheln oder Gepolter Drinnen im Saale der Männer vernimmt, daß keine herausgeh, Sondern geruhig sitze bei ihrer beschiedenen Arbeit. 240 Edler Philötios, dir vertrau ich die Pforte des Hofes, Sie mit dem Riegel zu schließen, und fest mit dem Seile zu binden. Also sprach er, und ging in die schöngebauete Wohnung; Allda setzt' er sich wieder auf seinen verla**enen Sessel. Einzeln folgten die Knechte des göttergleichen Odysseus. 245 Und Eurymachos wandte nunmehr in den Händen den Bogen, Hin und wieder ihn wärmend im Glanze des Feuers, und dennoch Konnt' er die Senne nicht spannen. Ein tiefaufatmender Seufzer Schwellte sein stolzes Herz, und zürnend sprach er die Worte: Götter, wie kränkt mich der Schmerz, um mich selber und um die andern'. 250 Wegen der Hochzeit nicht, wiewohl mich auch diese bekümmert; Denn es sind ja noch andre Achaierinnen die Menge, Hier in Ithaka selbst, und auch in anderen Städten: Sondern weil unsere Kraft vor des göttergleichen Odysseus Stärke so ganz verschwindet, daß seinen Bogen nicht einer 255 Spannen kann! Hohnlachend wird selbst der Enkel es hören! Aber Eupeithes' Sohn Antinoos gab ihm zur Antwort: Nein, Eurymachos, nicht also! Du weißt es auch besser! Heute feirt ja das Volk des großen Gottes Apollons Fest; wer wollte denn heute den Bogen spannen? O legt ihn 260 Ruhig nieder! Allein die Äxte können wir immer Stehen la**en; denn schwerlich wird jemand, sie zu entwenden, Kommen in den Palast des Laertiaden Odysseus. Auf! es fülle von neuem der Schenk mit Weine die Becher, Daß wir opfern, und dann hinlegen des Königes Bogen, 265 Aber morgen befehlt dem Ziegenhirten Melantheus, Uns die trefflichsten Ziegen der ganzen Herde zu bringen. Seht, dann opfern wir erst dem bogenberühmten Apollon, Und versuchen den Bogen, und endigen hurtig den Wettkampf. Also sprach er, und allen gefiel Antinoos' Rede. 270 Herolde gossen ihnen das Wa**er über die Hände, Jünglinge füllten die Kelche bis oben mit dem Getränke, Und verteilten von neuem, sich rechtshin wendend, die Becher; Als sie des Trankes geopfert, und nach Verlangen getrunken, Sprach zu ihnen mit List der erfindungsreiche Odysseus: 275 Hört mich an, ihr Freier der weitgepriesenen Fürstin, Daß ich rede, wie mir das Herz im Busen gebietet! Doch vor allen fleh ich Eurymachos und den erhabnen Helden Antinoos an, der jetzt so weise geredet. Legt den Bogen nun hin, und befehlt die Sache den Göttern; 280 Morgen wird Gott, wem er will, die Kraft des Sieges verleihen. Aber wohlan! gebt mir den geglätteten Bogen, damit ich Meiner Hände Gewalt vor euch versuche: ob jetzt noch Kraft in den Nerven ist, wie sie ehmals die Glieder belebte; Oder ob sie das Wandern und langes Elend vertilgt hat! 285 Also sprach er, und rings entbrannten von Zorne die Freier, Fürchtend, es möcht' ihm gelingen, den glatten Bogen zu spannen. Aber Antinoos schalt, und sprach die geflügelten Worte: Ha! du elender Fremdling, es fehlt dir ganz an Verstande! Bist du nicht froh, daß du in unserer stolzen Versammlung 290 Ruhig schmausest? daß dir dein Teil von allem gereicht wird? Und daß du die Gespräch' und Reden der Männer behorchest, Die kein anderer Fremdling und lumpichter Bettler behorchet? Wahrlich, der süße Wein betört dich, welcher auch andern Schadet, wenn man ihn gierig verschlingt, nicht mäßig genießet: 295 Selbst der berühmte Kentaur Eurytion tobte vor Unsinn, Von dem Weine berauscht, in des edlen Peirithoos' Hause, Denn er kam auf das Fest der Lapithen; aber vom Weine Rasend, begann er im Hause Peirithoos' schändliche Greuel. Zürnend sprangen die Helden empor, und über den Vorsaal 300 Schleppten sie ihn hinaus, und schnitten mit grausamem Erze Nas' und Ohren ihm ab; und so in voller Betäubung wa*kte der Trunkenbold heim, und trug die Strafe des Unsinns. Hierauf folgte der blutige Krieg der Kentauren und Männer; Aber vor allen traf das Verderben den Säufer des Weines. 305 Also verkünd' ich auch dir dein Unglück, wenn du den Bogen Spannest: Du sollst nicht mehr Almosen in unserem Volke Sammeln; wir senden dich gleich im schwarzen Schiffe zum König Echetos in Epeiros, dem Schrecken des Menschengeschlechtes, Dem du gewiß nicht lebend entrinnst! Drum sitze geruhig, 310 Trink, und begehre nicht mit jüngeren Männern den Wettkampf! Ihm antwortete drauf die kluge Penelopeia: O Antinoos, denke, wie unanständig, wie unrecht: Fremde zu übergehn, die Telemachos' Wohnung besuchen! Meinst du, wenn etwa der Fremdling den großen Bogen Odysseus' 315 Spannt, so wie er den Händen und seiner Stärke vertrauet, Daß er mich dann heimführe, und zur Gemahlin bekomme? Schwerlich heget er selbst im Herzen solche Gedanken! Und auch keinen von euch bekümmere diese Vermutung Unter den Freuden des Mahls! Unmöglich ist es, unmöglich! 320 Aber Polybos' Sohn Eurymachos sagte dagegen: O Ikarios' Tochter, du kluge Penelopeia, Daß du ihn nehmest, besorgt wohl keiner; es wäre nicht möglich! Sondern wir fürchten nur das Gerede der Männer und nbsp; Weiber. Künftig spräche vielleicht der schlechteste aller Achaier: 325 Weichliche Männer werben um jenes gewaltigen Mannes Gattin; denn keiner vermag den glatten Bogen zu spannen: Aber ein andrer kam, ein armer irrender Fremdling, Spannte den Bogen leicht, und schnellte den Pfeil durch die Äxte! Also sprächen sie dann, und es wär' uns ewige Schande! 330 Ihm antwortete drauf die kluge Penelopeia: Ganz unmöglich ist es, Eurymachos, daß man im Volke Gutes rede von Leuten, die jenes trefflichen Mannes Haus durch Schwelgen entweihn! Doch was achtet ihr jenes für Schande? Seht den Fremdling nur an, wie groß und stark er gebaut ist; 335 Und er stammt, wie er sagt, aus einem edlen Geschlechte. Aber wohlan! gebt ihm den schöngeglätteten Bogen! Denn ich verkündige jetzt, und das wird wahrlich erfüllet: Spannt der Fremdling den Bogen, und schenkt Apollon ihm Ehre; Will ich mit schönen Gewanden, mit Rock und Mantel, ihn kleiden, 340 Einen Speer ihm verehren, den Schrecken der Menschen und Hunde, Ein zweischneidiges Schwert, und Sohlen unter die Füße, Und ihn senden, wohin es seinem Herzen gelüstet. Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen: Mutter, über den Bogen hat keiner von allen Achaiern 345 Macht, als ich: wem ich will, ihn zu geben oder zu weigern; Keiner von allen, die hier in der felsichten Ithaka herrschen, Oder die nahe wohnen der rosseweidenden Elis! Keiner von allen soll mit Gewalt mich hindern; und wollt' ich Diesen Bogen dem Fremdling auch ganz zum Eigentum schenken! 350 Aber gehe nun heim, besorge deine Geschäfte, Spindel und Webestuhl, und treib an beschiedener Arbeit Die Mägde zum Fleiß! Der Bogen gebühret den Männern, Und vor allen mir; denn mein ist die Herrschaft im Hause! Staunend kehrte die Mutter zurück in ihre Gemächer, 355 Und erwog im Herzen die kluge Rede des Sohnes. Als sie nun oben kam mit den Jungfraun, weinte sie wieder Ihren trauten Gemahl Odysseus, bis ihr Athene Sanft mit süßem Schlummer die Augenlider bedeckte. Jetzo nahm er den Bogen und ging, der treffliche Sauhirt; 360 Aber die Freier fuhren ihn alle mit lautem Geschrei an. Unter dem Schwarme begann ein übermütiger Jüngling: Halt! wohin mit dem Bogen, du niederträchtiger Sauhirt? Rasender! Ha! bald sollen dein Aas bei den Schweinen die Hunde, Die du selber ernährt, von den Menschen ferne, zerreißen; 365 Wenn Apollon uns hilft und die andern unsterblichen Götter! Also rufte der Schwarm; und der Tragende legte den Bogen Dort auf der Stelle hin, aus Furcht vor dem Schelten der Freier. Aber Telemachos rief auf der andern Seite die Drohung: Du! bring weiter den Bogen! Du sollst mir, nicht allen, gehorchen 370 Oder ich jage dich gleich mit geworfenen Steinen zu Felde, Ob ich gleich jünger bin; an Kräften bin ich doch stärker! Überträf ich so sehr, wie dich, an Stärke des Armes, Alle Freier, so viel in diesen Wohnungen schalten; O bald taumelte mancher, von mir sehr übel bewirtet, 375 Heim aus unserm Palast! Denn alle treiben nur Unfug! Also sprach er; und alle begannen herzlich zu lachen Über den drohenden Jüngling, und hießen vom heftigen Zorne Gegen Telemachos nach. Da nahm den Bogen der Sauhirt, Trug ihn weiter, und reicht' ihn dem streiterfahrnen Odysseus; 380 Rief die Pflegerin dann aus ihrer Kammer, und sagte: Höre, Telemachos will, verständige Eurykleia, Daß du die festen Türen des Hinterhauses verriegelst; Und wenn eine vielleicht ein Röcheln oder Gepolter Drinnen im Saale der Männer vernimmt, daß keine herausgeh, 385 Sondern geruhig sitze bei ihrer beschiedenen Arbeit. Also sprach er zu ihr, und redete nicht in die Winde. Eilend verschloß sie die Türen der schöngebaueten Wohnung. Aber Philötios sprang stillschweigend aus dem Palaste, Und verschloß die Pforte des wohlbefestigten Vorhofs. 390 Unter der Halle lag ein Seil aus dem Baste des Byblos Vom gleichrudrichten Schiffe, mit diesem band er die Flügel; Ging, und setzte sich wieder auf seinen verla**enen Sessel, Nach Odysseus blickend. Doch dieser bewegte den Bogen Hin und her in der Hand, auf allen Seiten versuchend, 395 Ob auch die Würmer das Horn seit zwanzig Jahren zerfressen. Und es wandte sich einer zu seinem Nachbar, und sagte: Traun! das ist ein schlauer und listiger Kenner des Bogens! Sicherlich heget er selbst schon einen solchen zu Hause; Oder er hat auch vor, ihn nachzumachen! Wie dreht er 400 Ihn in den Händen herum, der landdurchstreichende Gaudieb! Und von neuem begann ein übermütiger Jüngling: Daß doch jeglicher Wunsch dem Fremdling also gelinge, Wie es ihm jetzo gelingt, den krummen Bogen zu spannen! Also sprachen die Freier. Allein der weise Odysseus, 405 Als er den großen Bogen geprüft und ringsum betrachtet: So wie ein Mann, erfahren im Lautenspiel und Gesange, Leicht mit dem neuen Wirbel die klingende Saite spannet, Knüpfend an beiden Enden den schöngesponnenen Schafdarm: So nachlässig spannte den großen Bogen Odysseus. 410 Und mit der rechten Hand versucht' er die Senne des Bogen; Lieblich tönte die Senne, und hell wie die Stimme der Schwalbe. Schrecken ergriff die Freier, und aller Antlitz erblaßte. Und Zeus donnerte laut, und sandte sein Zeichen vom Himmel: Freudig vernahm das Wunder der herrliche Dulder Odysseus, 415 Welches ihm sandte der Sohn des unerforschlichen Kronos. Und er nahm den gefiederten Pfeil, der bloß auf dem Tische Vor ihm lag, indes im hohlen Köcher die andern Ruheten, welche nun bald die Achaier sollten versuchen. Diesen faßt' er zugleich mit dem Griffe des Bogens; dann zog er, 420 Sitzend auf seinem Stuhle, die Senn' und die Kerbe des Pfeils an, Zielte dann, schnellte den Pfeil, und verfehlete keine der Äxte; Von dem vordersten Öhre bis durch das letzte von allen Stürmte das ehrne Geschoß. Er sprach zu Telemachos jetzo: Nun, Telemachos, siehst du, ob dir der Fremdling im Hause 425 Schande bringt! Ich traf das Ziel, und spannte den Bogen Ohne langes Bemühn! Noch hab' ich Stärke der Jugend, Und bin nicht so verächtlich, wie jene Freier mich schimpfen! Aber es ist nun Zeit, den Abendschmaus zu besorgen, Noch bei Tage! Nachher erfreue die scherzenden Männer 430 Saitenspiel und Gesang, die liebliche Zierde des Mahles! Sprach's, und winkte mit Augen. Da warf Telemachos eilend Um die Schulter sein Schwert, der Sohn des großen Odysseus; Faßte mit nervichter Hand die scharfe Lanze, und stand nun Neben dem Vater am Stuhle, mit blinkendem Erze gerüstet.

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