Homer - Odyssee - Kapitel 51 lyrics

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Homer - Odyssee - Kapitel 51 lyrics

Jetzo besucht' ihn Odysseus, die reichen Geschenke zu holen. Aber Autolykos selbst und Autolykos' treffliche Söhne 415 Reichten Odysseus die Hand, und hießen ihn freundlich willkommen; Auch Amphithea lief dem Enkel entgegen, umarmt' ihn, Küßte sein Angesicht und beide glänzenden Augen. Und Autolykos rief und ermahnte die rühmlichen Söhne, Daß sie Odysseus ein Mahl bereiteten. Diese gehorchten: 420 Eilten hinaus, und führten ein stark fünfjähriges Rind her, Schlachteten, zogen es ab, und hauten es ganz voneinander, Und zerstückten behende das Fleisch, und steckten's an Spieße, Brieten's mit Vorsicht über der Glut, und verteilten's den Gästen. Also saßen sie dort den Tag bis die Sonne sich neigte, 425 Und erfreuten ihr Herz am gleichgeteileten Mahle. Als die Sonne nun sank, und Dunkel die Erde bedeckte, Legten sie sich zur Ruh, und nahmen die Gabe des Schlafes. Als die dämmernde Frühe mit Rosenfingern erwachte, Gingen sie auf die Jagd, Autolykos' treffliche Söhne, 430 Und die spürenden Hunde; mit ihnen der edle Odysseus. Und sie erstiegen die Höhe des waldbewachs'nen Parna**os, Und durchwandelten bald des Berges luftige Krümmen. Aus dem stillen Gewässer des Oceanes erhub sich Jetzo die Sonn', und erhellte mit jungen Strahlen die Gegend. 435 Aber die Jäger durchsuchten das waldbewachsene Bergtal: Vornan liefen die spürenden Hund', und hinter den Hunden Gingen Autolykos' Söhne; doch eilte der edle Odysseus Immer voraus, und schwang den weithinschattenden Jagdspieß. Allda lag im dichten Gesträuch ein gewaltiger Eber. 440 Nie durchstürmte den Ort die Wut naßhauchender Winde, Ihn erleuchtete nimmer mit warmen Strahlen die Sonne, Selbst der gießende Regen durchdrang ihn nimmer: so dicht war Dieses Gesträuch, und hoch bedeckten die Blätter den Boden. Jener vernahm das Getös von den Füßen der Männer und Hunde, 445 Welche dem Lager sich nahten, und stürzte hervor aus dem Dickicht, Hoch die Borsten gesträubt mit feuerflammenden Augen, Grad' auf die Jäger, und stand. Odysseus, welcher voranging, Flog, in der nervichten Faust den langen erhobenen Jagdspieß, Ihn zu verwunden, hinzu; doch er kam ihm zuvor, und hieb ihm 450 Über dem Knie in die Lende: der seitwärts mähende Hauer Riß viel Fleisch ihm hinweg, doch drang er nicht auf den Knochen. Aber Odysseus traf die rechte Schulter des Ebers, Und bis vorn durchdrang ihm die Spitze der schimmernden Lanze: Schreiend stürzt' er dahin in den Staub, und das Leben verließ ihn. 455 Um ihn waren sogleich Autolykos' Söhne beschäftigt. Diese verbanden dem edlen, dem göttergleichen Odysseus Sorgsam die Wund', und stillten das schwarze Blut mit Beschwörung; Und dann kehrten sie schnell zu ihres Vaters Palaste. Als ihn Autolykos dort und Autolykos' Söhne mit Sorgfalt 460 Hatten geheilt; da beschenkten sie ihn sehr reichlich, und ließen, Froh des Jünglings, ihn froh nach seiner heimischen Insel Ithaka ziehn. Sein Vater und seine treffliche Mutter Freuten sich herzlich ihn wiederzusehn, und fragten nach allem, Wo er die Narbe bekommen; da sagt' er die ganze Geschichte: 465 Wie ein Eber sie ihm mit weißem Zahne gehauen, Als er auf dem Parnaß mit Autolykos' Söhnen gejaget. Diese betastete jetzo mit flachen Händen die Alte, Und erkannte sie gleich, und ließ den Fuß aus den Händen Sinken, er fiel in die Wanne; da klang die eherne Wanne, 470 Stürzt' auf die Seite herum, und das Wa**er floß auf den Boden. Freud' und Angst ergriffen das Herz der Alten: die Augen Wurden mit Tränen erfüllt, und atmend stockte die Stimme. Endlich erholte sie sich, und faßt ihn ans Kinn, und sagte: Wahrlich du bist Odysseus, mein Kind! und ich habe nicht eher 475 Meinen Herren erkannt, bevor ich dich ringsum betastet! Also sprach sie, und wandte die Augen nach Penelopeia, Willens ihr zu verkünden, ihr lieber Gemahl sei zu Hause. Aber die Königin konnte so wenig hören als sehen; Denn Athene lenkte ihr Herz ab. Aber Odysseus 480 Faßte schnell mit der rechten Hand die Kehle der Alten, Und mit der andern zog er sie näher heran, und sagte: Mütterchen, mache mich nicht unglücklich! Du hast mich an deiner Brust gesäugt; und jetzo, nach vielen Todesgefahren, Bin ich im zwanzigsten Jahre zur Heimat wiedergekehret. 485 Aber da du mich nun durch Gottes Fügung erkannt hast, Halt es geheim, damit es im Hause keiner erfahre! Denn ich sage dir sonst, und das wird wahrlich erfüllet! Wenn mir Gott die Vertilgung der stolzen Freier gewähret, Siehe dann werd' ich auch deiner, die mich gesäuget, nicht schonen; 490 Sondern ich töte dich selbst mit den übrigen Weibern im Hause! Ihm antwortete drauf die verständige Eurykleia: Welche Rede, mein Kind, ist deinen Lippen entflohen? Weißt du nicht selbst, wie stark und unerschüttert mein Herz ist? Fest, wie Eisen und Stein, will ich das Geheimnis bewahren! 495 Eins verkünd' ich dir noch, und du nimm solches zu Herzen: Wann dir Gott die Vertilgung der stolzen Freier gewähret, Siehe, dann will ich selbst die Weiber im Hause dir nennen, Alle, die dich verraten, und die unsträflich geblieben. Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus: 500 Mütterchen, warum willst du sie nennen? Es ist ja nicht nötig. Kann ich nicht selbst aufmerken, und ihre Gesinnungen prüfen? Aber verschweig die Sache, und überlaß sie den Göttern. Also sprach er. Da eilte die Pflegerin aus dem Gemache, Anderes Wa**er zu holen; das erste war alles verschüttet. 505 Als sie ihn jetzo gewaschen, und drauf mit Öle gesalbet; Nahm Odysseus den Stuhl, und zog ihn näher ans Feuer, Sich zu wärmen, und bedeckte mit seinen Lumpen die Narbe. Drauf begann das Gespräch die verständige Penelopeia: Fremdling, ich will dich jetzo nur noch ein weniges fragen; 510 Denn es nahet bereits die Stunde der lieblichen Ruhe, Wem sein Leiden vergönnt, in süßem Schlummer zu ruhen. Aber mich Arme belastet ein unermeßlicher Jammer! Meine Freude des Tags ist, unter Tränen und Seufzern In dem Saale zu wirken, und auf die Mägde zu sehen. 515 Aber kömmt nun die Nacht, da alle Sterblichen ausruhn; Lieg' ich schlaflos im Bett, und tausend nagende Sorgen Wühlen mit neuer Wut um meine zerrissene Seele. Wie wenn die Nachtigall, Pandareos' liebliche Tochter, Ihren schönen Gesang im beginnenden Frühling erneuert; 520 Sitzend unter dem Laube der dichtumschattenden Bäume, Rollt sie von Tönen zu Tönen die schnelle melodische Stimme, Ihren geliebten Sohn, den sie selber ermordet, die Törin! Ihren Itylos klagend, den Sohn des Königes Zethos: Also wendet sich auch mein Geist bald hiehin bald dorthin: 525 Ob ich noch weile beim Sohn, und alle Güter bewahre, Meine Hab', und die Mägd', und die hohe prächtige Wohnung, Scheuend das Lager des Ehegemahls und die Stimme des Volkes; Oder jetzt von den Freiern im Hause den tapfersten Jüngling, Welcher das meiste geschenkt, zu meinem Bräutigam wähle. 530 Als mein Sohn noch ein Kind war und schwaches Verstandes, da durft' ich Ihm zuliebe nicht wählen, noch diese Wohnung verla**en; Nun da er größer ist, und des Jünglings Alter erreicht hat, Wünscht er selber, ich möge nur bald aus dein Hause hinweggehn, Zürnend wegen der Habe, so ihm die Achaier verschwelgen. 535 Aber höre den Traum, und sage mir seine Bedeutung. Zwanzig Gänse hab' ich in meinem Hause, die fressen Weizen mit Wa**er gemischt; und ich freue mich, wenn ich sie anseh'. Aber es kam ein großer krummgeschnabelter Adler Von dem Gebirg', und brach den Gänsen die Hälse; getötet 540 Lagen sie all' im Haus', und er flog in die heilige Luft auf. Und ich begann zu weinen, und schluchzt' im Traume. Da kamen, Ringsumher, mich zu trösten, der Stadt schönlockige Frauen; Aber ich jammerte laut, daß der Adler die Gänse getötet. Plötzlich flog er zurück, und saß auf dem Simse des Rauchfangs, 545 Wandte sich tröstend zu mir, und sprach mit menschlicher Stimme: Tochter des fernberühmten Ikarios, fröhliches Mutes! Nicht ein Traum ist dieses, ein Göttergesicht, das dir Heil bringt. Jene Gänse sind Freier, und ich war eben ein Adler; Aber jetzo bin ich, dein Gatte, wieder gekommen, 550 Daß ich den Freiern allein ein schreckliches Ende bereite. Also sprach der Adler. Der süße Schlummer verließ mich; Eilend sah ich im Hause nach meinen Gänsen, und alle Fraßen aus ihrem Troge den Weizen, so wie gewöhnlich. Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus: 555 Fürstin, es wäre vergebens, nach einer anderen Deutung Deines Traumes zu forschen. Dir sagte ja selber Odysseus, Wie er ihn denkt zu erfüllen. Verderben drohet den Freiern Allzumal, und keiner entrinnt dem Todesverhängnis. Ihm antwortete drauf die kluge Penelopeia: 560 Fremdling, es gibt doch dunkle und unerklärbare Träume, Und nicht alle verkünden der Menschen künftiges Schicksal. Denn es sind, wie man sagt, zwo Pforten der nichtigen Träume: Eine von Elfenbein, die andre von Horne gebauet. Welche nun aus der Pforte von Elfenbeine herausgehn, 565 Diese täuschen den Geist durch lügenhafte Verkündung; Andere, die aus der Pforte von glattem Horne hervorgehn, Deuten Wirklichkeit an, wenn sie den Menschen erscheinen. Aber ich zweifle, ob dorther ein vorbedeutendes Traumbild Zu mir kam. O wie herzlich erwünscht wär' es mir und dem Sohne! 570 Eins verkünd' ich dir noch, und du nimm solches zu Herzen. Morgen erscheinet der Tag, der entsetzliche! der von Odysseus' Hause mich trennen wird; denn morgen gebiet' ich den Wettkampf, Durch zwölf Äxte zu schießen, die jener in seinem Palaste Pflegte, wie Hölzer des Kiels, in grader Reihe zu stellen; 575 Ferne stand er alsdann, und schnellte den Pfeil durch die Äxte. Diesen Wettkampf will ich den Freiern jetzo gebieten. Wessen Hand von ihnen den Bogen am leichtesten spannet, Und mit der Senne den Pfeil durch alle zwölf Äxte hindurchschnellt: Sieh, dem folg' ich als Weib aus diesem werten Palaste 580 Meines ersten Gemahls, dem prächtigen reichen Palaste, Dessen mein Herz sich vielleicht noch künftig in Träumen erinnert. Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus: Du ehrwürdiges Weib des Laertiaden Odysseus, Zögere nicht, und gebeut in deinem Hause den Wettkampf. 585 Wahrlich noch eher kommt der erfindungsreiche Odysseus, Ehe von allen, die mühsam den glatten Bogen versuchen, Einer die Senne spannt, und den Pfeil durch die Eisen hindurchschnellt. Ihm antwortete drauf die kluge Penelopeia: Fremdling, wolltest du mich, im Saale sitzend, noch länger 590 Unterhalten, mir würde kein Schlaf die Augen bedecken. Aber es können ja doch die sterblichen Menschen nicht immer Schlaflos sein; die Götter bestimmten jegliches Dinges Maß und Ziel den Menschen auf lebenschenkender Erde. Darum will ich jetzo in meine Kammer hinaufgehn, 595 Auf dem Lager zu ruhig, dem jammervollen, das immer Meine Tränen benetzen, seitdem Odysseus hinwegfuhr, Troja zu sehn, die verwünschte, die keiner nennet ohn' Abscheu! Dorthin geh' ich zu ruhn; du aber bereite dein Lager Hier im Haus auf der Erd', oder laß ein Bette dir bringen. 600 Also sprach Sie, und stieg empor zu den schönen Gemächern, Nicht allein, es gingen mit ihr die übrigen Jungfraun. Als sie nun oben kam mit den Jungfraun, weinte sie wieder Ihren trauten Gemahl Odysseus, bis ihr Athene Sanft mit süßem Schlummer die Augenlider bedeckte.

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