Homer - Odyssee - Kapitel 38 lyrics

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Homer - Odyssee - Kapitel 38 lyrics

360 Ihm antwortetest du, Eumäos, Hüter der Schweine: Unglückseliger Fremdling, ich fühl' es im innersten Herzen, Was du von deinen Leiden und Irren mir alles erzählt hast. Eins nur scheinet mir nicht in der Ordnung, das von Odysseus; Nimmer glaub' ich es dir! Was zwingt dich, ehrlicher Alter, 365 So in den Wind zu lügen? Ich weiß zu gut von der Heimkehr Meines Herren Bescheid! Er ist den Unsterblichen allen Ganz verhaßt! Nicht einmal vor Troja ließ man ihn sterben, Noch in den Armen der Freunde, nachdem er den Krieg vollendet; Denn ein Denkmal hätt' ihm das Volk der Achaier errichtet, 370 Und so wäre zugleich sein Sohn bei den Enkeln verherrlicht! Sondern er ward unrühmlich ein Raub der wilden Harpyen. Aber ich lebe hier bei den Schweinen so einsam, und komme Nie in die Stadt, wo nicht die kluge Penelopeia Mir zu kommen gebeut, wenn Botschaft irgendwoher kam. 375 Ringsum sitzen sie dann, und fragen den Fremdling nach allem: Einige grämen sich um den langabwesenden König, Andere freuen sich drob, die seine Habe verpra**en. Aber mir ward die Lust zu fragen gänzlich verbittert, Seit mich jüngst ein ätolischer Mann durch Märchen getäuscht hat. 380 Dieser war Totschlages halber schon weit geflüchtet, und irrte Endlich zu meiner Hütte, wo ich mit Freundschaft ihn aufnahm. Und er verkündigte mir: Bei Idomeneus unter den Kretern Hab' er ihn bessern gesehen die sturmzerschlagenen Schiffe, Und er käme gewiß, im Sommer oder im Herbste, 385 Mit dem unendlichen Schatz und den göttergleichen Gefährten. Drum, unglücklicher Greis, den mir ein Himmlischer zuführt, Trachte nicht meine Gunst durch Lügen dir zu erschmeicheln. Denn nicht darum werd' ich dich ehren oder bewirten, Sondern aus Furcht vor dem gastlichen Zeus, und weil du mich jammerst. 390 Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus: Wahrlich, du trägst ein sehr ungläubiges Herz in dem Busen, Da mir der Eidschwur selbst nicht dein Zutrauen gewinnet! Aber wohlan! wir wollen uns jetzt vergleichen, und Zeugen Sei'n die Unsterblichen uns, des hohen Olympos Bewohner! 395 Kehrt er wieder zurück zu diesem Hause, dein König; Siehe dann sollst du mich, mit Rock und Mantel bekleidet, Gen Dulichion senden: denn dort verlanget mein Herz hin. Kehret er nicht zurück, dein König, wie ich verkünde; Alsdann reize die Knechte, vom Felsen herab mich zu stürzen: 400 Daß die Bettler hinfort sich scheuen, Lügen zu schwatzen. Ihm antwortete drauf der edle Hüter der Schweine: Fremdling, da wäre mir traun! bei allen Menschen auf Erden Großes Lob und Verdienst für jetzt und immer gesichert, Hätt' ich dich erst in die Hütte geführt, und freundlich bewirtet, 405 Und erschlage dich dann, und raubte dein liebes Leben! Freudigkeit gäbe mir das, vor Zeus Kronion zu beten! Aber die Stunde zum Essen ist da; bald kommen die Leute Heim, mit mir in der Hütte das köstliche Mahl zu bereiten. Also besprachen diese sich jetzo untereinander. 410 Und nun kamen die Schwein' und ihre Hirten vorn Felde. Diese schlossen sie drauf in ihre Ställe zum Schlafen, Und laut tönte das Schreien der eingetriebenen Schweine. Aber seinen Gehilfen befahl der treffliche Sauhirt: Bringt das fetteste Schwein, für den fremden Gast es zu opfern, 415 Und uns selber einmal zu erquicken, da wir so lange Um weißzahnichte Schweine Verdruß und Kummer erduldet, Während andre umsonst all' unsere Mühe verpra**en! Also sprach er, und spaltete Holz mit dem grausamen Erze. Jene führten ins Haus ein fett fünfjähriges Mastschwein, 420 Stellten es drauf an den Herd. Es vergaß der treffliche Sauhirt Auch der Unsterblichen nicht, denn fromm war seine Gesinnung! Sondern begann das Opfer, und warf in die Flamme das Stirnhaar Vom weißzahnichten Schwein, und flehte den Himmlischen allen, Daß sie dem weisen Odysseus doch heimzukehren vergönnten; 425 Schwung nun die Eichenkluft, die er beim Spalten zurückwarf, Schlugs, und sein Leben entfloh; die andern schlachteten, sengten, Und zerstückten es schnell. Das Fett bedeckte der Sauhirt Mit dem blutigen Fleische, von allen Gliedern geschnitten; Dieses warf er ins Feuer, mit feinem Mehle bestreuet. 430 Und sie schnitten das übrige klein, und steckten's an Spieße. Brieten's mit Vorsicht über der Glut, und zogen's herunter, Legten dann alles zusammen auf Küchentische. Der Sauhirt Stellte sich hin, es zu teilen; denn Billigkeit lag ihm am Herzen. Und in sieben Teile zerlegt' er alles Gebratne: 435 Einen legt' er den Nymphen, und Hermes, dem Sohne der Mäa, Betend den andern hin; die übrigen reicht' er den Männern. Aber Odysseus verehrt' er den unzerschnittenen Rücken Vom weißzahnichten Schwein, und erfreute die Seele des Königs. Fröhlich sagte zu ihm der erfindungsreiche Odysseus: 440 Liebe dich Vater Zeus, wie ich dich liebe, Eumäos, Da du mir armen Manne so milde Gaben verehrest! Drauf antwortetest du, Eumäos, Hüter der Schweine: Iß, mein unglückseliger Freund, und freue dich dessen, Wie du es hast. Gott gibt uns dieses, und jenes versagt er, 445 Wie es seinem Herzen gefällt; denn er herrschet mit Allmacht. Sprach's, und weihte den Göttern die Erstlinge, opferte selber Funkelnden Wein, und gab ihn dem Städteverwüster Odysseus In die Hand; er saß bei seinem beschiedenen Anteil. Ihnen verteilte das Brot Mesaulios, welchen der Sauhirt 450 Selber sich angeschafft, indes sein König entfernt war: Ohne Penelopeia, und ohne den alten Laertes, Hatt' er von Taphiern ihn mit eigenem Gute gekaufet. Und sie erhoben die Hände zum leckerbereiteten Mahle. Und nachdem die Begierde des Tranks und der Speise gestillt war, 455 Trug Mesaulios wieder das Brot von dannen; und alle, Von dem Brot und dem Fleische gesättigt, eilten zur Ruhe. Eine grauliche Nacht, unerleuchtet vom schwindenden Monde, Kam; es regnete Zeus, naßstürmend sauste der Westwind. Beim Entkleiden versucht' Odysseus, ob ihm der Sauhirt 460 Nicht den Mantel vielleicht darbieten, oder der Knechte Einem es würde befehlen, da er für ihn so besorgt war: Höre mich jetzt, Eumäos, und hört, ihr übrigen Hirten! Rühmend red' ich ein Wort, vom betörenden Weine besieget, Welcher den Weisesten oft anreizt zum lauten Gesange, 465 Ihn zum herzlichen Lachen und Gaukeltanze verleitet, Und manch Wort ihm entlockt, das besser wäre verschwiegen. Aber weil das Geschwätz doch anfing, will ich's vollenden. Wollte Gott, ich grünte noch jetzt in der Fülle der Jugend, Als da vor Troja wir uns im Hinterhalte verbargen! 470 Führer waren Odysseus, und Atreus' Sohn Menelaos, Und der dritte war ich; denn sie verlangten es selber. Als wir jetzo die Stadt und die hohe Mauer erreichten, Legten wir nahe der Burg, im dichtverwachsenen Sumpfe, Zwischen Weiden und Schilfen uns nieder, unter der Rüstung. 475 Eine stürmische Nacht brach an; der erstarrende Nordwind Stürzte daher; und stöbernder Schnee, gleich duftigem Reife, Fiel anfrierend herab, und umzog die Schilde mit Glatteis. Alle die andern lagen, gehüllt in Mantel und Leibrock, Mit dem Schilde die Schulter bedeckt, und schlummerten ruhig. 480 Aber ich Unbesonnener ließ den Mantel beim Weggehn Meinen Gefährten zurück, denn ich achtete gar nicht der Kälte; Und ging bloß mit dem Schild' und schöngegürteten Leibrock. Doch in der dritten Wache der Nacht, da die Sterne sich neigten, Stieß ich Odysseus, der mir zur Seiten lag, mit dem Arme, 485 Und sprach schaudernd zu ihm; und schnell war er munter, und hörte: Edler Laertiad', erfindungsreicher Odysseus, Lange bleib' ich nicht mehr bei den Lebenden; sondern mich tötet Frost, denn ich ließ den Mantel zurück; mich verführte mein Dämon, Bloß im Rocke zu gehn: und nun ist keine Errettung! 490 Also sprach ich, und schnell beschloß er dieses im Herzen; So wie immer der Held zum Rat und Kampfe bereit war: Eilend erwidert' er mir mit leiseflüsternder Stimme: Schweige jetzt, damit kein andrer Achaier dich höre! Sprach's, und stützte das Haupt auf den Ellenbogen und sagte: 495 Hört, ihr Lieben, ein göttlicher Traum erschien mir im Schlafe. Wir sind weit von den Schiffen entfernt! O ginge doch einer, Atreus' Sohn' Agamemnon, dem Hirten der Völker, zu sagen, Daß er noch mehren vom Ufer hieher zu eilen geböte! Also sprach er; und Thoas, der Sohn Andrämons, erhub sich 500 Eilend, und warf zur Erde den schönen purpurnen Mantel, Und lief schnell zu den Schiffen; und ich umhüllte mir freudig Sein Gewand, und lag, bis die Morgenröte heraufstieg. Wollte Gott, ich grünte noch jetzt in der Fülle der Jugend! Ach! dann schenkte mir wohl ein Sauhirt hier in der Hütte 505 Einen Mantel, aus Lieb' und Achtung gegen den Tapfern! Nun verachten sie mich, weil ich so elend bedeckt bin! Ihm antwortetest du, Eumäos, Hüter der Schweine: Greis, untadelig ist das Geheimnis, so du erzählest; Und kein unnütz Wort ist deinen Lippen entfallen. 510 Drum soll's weder an Kleidung, noch etwas anderen, dir mangeln, Was unglücklichen Fremden, die Hilfe suchen, gebühret, Jetzt! Doch morgen mußt du in deine Lumpen dich hüllen. Denn nicht viele Mäntel und oftveränderte Röcke Haben wir anzuziehn; nur einen hat jeglicher Sauhirt. 515 Kehrt einst wieder zurück der geliebte Sohn von Odysseus, Gerne wird dich dieser mit Rock und Mantel bekleiden, Und dich senden, wohin es deinem Herzen gelüstet. Also sprach er, erhub sich, und setzte neben dem Feuer Ihm ein Bette, bedeckt mit Fellen von Ziegen und Schafen. 520 Und Odysseus legte sich hin. Da bedeckte der Sauhirt Ihn mit dem großen wollichten Mantel, womit er sich pflegte Umzukleiden, wenn draußen ein schrecklicher Winterorkan blies. Also schlummerte dort Odysseus; neben Odysseus Legten die Jünglinge sich zum Schlummer. Aber der Sauhirt 525 Liebte nicht, in dem Bett', entfernt von den Schweinen, zu schlafen; Sondern er waffnete sich, hinauszugehn; und Odysseus Freute sich, daß er so treu des Entfernten Güter besorgte. Erstlich hängt' er ein scharfes Schwert um die rüstigen Schultern, Hüllte sich dann in den windabwehrenden wollichten Mantel, 530 Nahm das zottichte Fell der großen gemästeten Ziege, Nahm auch den scharfen Speer, den Schrecken der Menschen und Hunde, Eilte nun hin, zu ruhn, wo die hauerbewaffneten Eber Lagen, unter dem Hange des Felsen, geschirmt vor dem Nordwind.

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