Heinrich Heine - Zeitgedichte - Kapitel 20 lyrics

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Heinrich Heine - Zeitgedichte - Kapitel 20 lyrics

20. Der neue Alexander. I. Es ist ein König in Thule, Der trinkt Champagner, es geht ihm Nichts drüber; Und wenn er seinen Champagner trinkt, Dann gehen die Augen ihm über. Die Ritter sitzen um ihn her, Die ganze historische Schule; Ihm aber wird die Zunge schwer, Es lallt der König von Thule: »Als Alexander, der Griechenheld, Mit seinem kleinen Haufen Erobert hatte die ganze Welt, Da gab er sich ans Saufen. »Ihn hatten so durstig gemacht der Krieg Und die Schlachten, die er geschlagen; Er soff sich zu Tode nach dem Sieg, Er konnte nicht Viel vertragen. »Ich aber bin ein stärkerer Mann Und habe mich klüger besonnen: Wie Jener endete, fang' ich an, Ich hab' mit dem Trinken begonnen. »Im Rausche wird der Heldenzug Mir später weit besser gelingen; Dann werde ich, taumelnd von Krug zu Krug, Die ganze Welt bezwingen.« II. Da sitzt er und schwatzt mit lallender Zung', Der neue Alexander; Den Plan der Welteroberung, Den setzt er auseinander: »Lothringen und Elsaß, Das weiß ich längst, Die fallen uns zu von selber; Der Stute folgt am End' der Hengst, Es folgen der Kuh die Kälber. »Mich lockt die Champagne, das bessre Land, Wo jene Reben sprießen, Die lieblich erleuchten unsern Verstand Und uns das Leben versüßen. »Hier soll sich erproben mein Kriegesmuth, Hier soll der Feldzug beginnen; Es knallen die Propfen, das weiße Blut Wird aus den Flaschen rinnen. »Hier wird mein junges Heldenthum Bis zu den Sternen moussieren, Ich aber verfolge meinen Ruhm, Ich will auf Paris marschieren. »Dort vor der Barrière mach' ich Halt, Denn vor den Barrière-Pforten, Da wird kein Octroi bezahlt Für Wein von allen Sorten.« III. »Mein Lehrer, mein Aristoteles, Der war zuerst ein Pfäffchen Von der französischen Kolonie, Und trug ein weißes Beffchen. »Er hat nachher, als Philosoph, Vermittelt die Extreme, Und leider Gottes hat er mich Erzogen nach seinem Systeme. »Ich ward ein Zwitter, ein Mittelding, Das weder Fleisch noch Fisch ist, Das von den Extremen unserer Zeit Ein närrisches Gemisch ist. »Ich bin nicht schlecht, ich bin nicht gut, Nicht dumm und nicht gescheute, Und wenn ich gestern vorwärts ging, So geh' ich rückwärts heute; »Ein aufgeklärter Obskurant, Und weder Hengst noch Stute, Ja, ich begeistre mich zugleich Für Sophokles und die Knute. »Herr Jesus ist meine Zuversicht, Doch auch den Bacchus nehme Ich mir zum Tröster, vermittelnd stets Die beiden Götter-Extreme.«

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