CAPUT XXV Die Göttin hat mir Tee gekocht Und Rum hineingegossen; Sie selber aber hat den Rum Ganz ohne Tee genossen. An meine Schulter lehnte sie Ihr Haupt (die Mauerkrone, Die Mütze, ward etwas zerknittert davon), Und sie sprach mit sanftem Tone: »Ich dachte manchmal mit Schrecken dran, Daß du in dem sittenlosen Paris so ganz ohne Aufsicht lebst, Bei jenen frivolen Franzosen. Du schlenderst dort herum und hast Nicht mal an deiner Seite Einen treuen deutschen Verleger, der dich Als Mentor warne und leite. Und die Verführung ist dort so groß, Dort gibt es viele Sylphiden, Die ungesund, und gar zu leicht Verliert man den Seelenfrieden. Geh nicht zurück und bleib bei uns; Hier herrschen noch Zucht und Sitte, Und manches stille Vergnügen blüht Auch hier, in unserer Mitte. Bleib bei uns in Deutschland, es wird dir hier Jetzt besser als ehmals munden; Wir schreiten fort, du hast gewiß Den Fortschritt selbst gefunden. Auch die Zensur ist nicht mehr streng, Hoffmann wird älter und milder Und streicht nicht mehr mit Jugendzorn Dir deine ›Reisebilder‹. Du selbst bist älter und milder jetzt, Wirst dich in manches schicken, Und wirst sogar die Vergangenheit In besserem Lichte erblicken. Ja, daß es uns früher so schrecklich ging, In Deutschland, ist Übertreibung; Man konnte entrinnen der Knechtschaft, wie einst In Rom, durch Selbstentleibung. Gedankenfreiheit genoß das Volk, Sie war für die großen Ma**en, Beschränkung traf nur die g'ringe Zahl Derjen'gen, die drucken la**en. Gesetzlose Willkür herrschte nie, Dem schlimmsten Demagogen Ward niemals ohne Urteilspruch. Die Staatskokarde entzogen. So übel war es in Deutschland nie, Trotz aller Zeitbedrängnis – Glaub mir, verhungert ist nie ein Mensch In einem deutschen Gefängnis. Es blühte in der Vergangenheit So manche schöne Erscheinung Des Glaubens und der Gemütlichkeit; Jetzt herrscht nur Zweifel, Verneinung. Die praktische äußere Freiheit wird einst Das Ideal vertilgen, Das wir im Busen getragen – es war So rein wie der Traum der Liljen! Auch unsre schöne Poesie Erlischt, sie ist schon ein wenig Erloschen; mit andern Königen stirbt Auch Freiligraths Mohrenkönig. Der Enkel wird essen und trinken genug, Doch nicht in beschaulicher Stille; Es poltert heran ein Spektakelstück, Zu Ende geht die Idylle. Oh, könntest du schweigen, ich würde dir Das Buch des Schicksals entsiegeln, Ich ließe dir spätere Zeiten sehn In meinen Zauberspiegeln. Was ich den sterblichen Menschen nie Gezeigt, ich möcht es dir zeigen: Die Zukunft deines Vaterlands – Doch ach! du kannst nicht schweigen!« »Mein Gott, o Göttin!« – rief ich entzückt –, »Das wäre mein größtes Vergnügen, Laß mich das künftige Deutschland sehn – Ich bin ein Mann und verschwiegen. Ich will dir schwören jeden Eid, Den du nur magst begehren, Mein Schweigen zu verbürgen dir – Sag an, wie soll ich schwören?« Doch jene erwiderte: »Schwöre mir In Vater Abrahams Weise, Wie er Eliesern schwören ließ, Als dieser sich gab auf die Reise. Heb auf das Gewand und lege die Hand Hier unten an meine Hüften, Und schwöre mir Verschwiegenheit In Reden und in Schriften!« Ein feierlicher Moment! Ich war Wie angeweht vom Hauche Der Vorzeit, als ich schwur den Eid, Nach uraltem Erzväterbrauche. Ich schob das Gewand der Göttin auf, Und legte an ihre Hüften Die Hand, gelobend Verschwiegenheit In Reden und in Schriften.