CAPUT XXIV Wie ich die enge Sahltrepp' hinauf- Gekommen, ich kann es nicht sagen; Es haben unsichtbare Geister mich Vielleicht hinaufgetragen. Hier, in Hammonias Kämmerlein, Verflossen mir schnell die Stunden. Die Göttin gestand die Sympathie, Die sie immer für mich empfunden. »Siehst du« – sprach sie –, »in früherer Zeit War mir am meisten teuer Der Sänger, der den Messias besang Auf seiner frommen Leier. Dort auf der Kommode steht noch jetzt Die Büste von meinem Klopstock, Jedoch seit Jahren dient sie mir Nur noch als Haubenkopfstock. Du bist mein Liebling jetzt, es hängt Dein Bildnis zu Häupten des Bettes; Und, siehst du, ein frischer Lorbeer umkränzt Den Rahmen des holden Porträtes. Nur daß du meine Söhne so oft Genergelt, ich muß es gestehen, Hat mich zuweilen tief verletzt; Das darf nicht mehr geschehen. Es hat die Zeit dich hoffentlich Von solcher Unart geheilet, Und dir eine größere Toleranz Sogar für Narren erteilet. Doch sprich, wie kam der Gedanke dir, Zu reisen nach dem Norden In solcher Jahreszeit? Das Wetter ist Schon winterlich geworden!« »Oh, meine Göttin!« – erwiderte ich –, »Es schlafen tief im Grunde Des Menschenherzens Gedanken, die oft Erwachen zur unrechten Stunde. Es ging mir äußerlich ziemlich gut, Doch innerlich war ich beklommen, Und die Beklemmnis täglich wuchs – Ich hatte das Heimweh bekommen. Die sonst so leichte französische Luft, Sie fing mich an zu drücken; Ich mußte Atem schöpfen hier In Deutschland, um nicht zu ersticken. Ich sehnte mich nach Torfgeruch, Nach deutschem Tabaksdampfe; Es bebte mein Fuß vor Ungeduld, Daß er deutschen Boden stampfe. Ich seufzte des Nachts, und sehnte mich, Daß ich sie wiedersähe, Die alte Frau, die am Dammtor wohnt; Das Lottchen wohnt in der Nähe. Auch jenem edlen alten Herrn, Der immer mich ausgescholten Und immer großmütig beschützt, auch ihm Hat mancher Seufzer gegolten. Ich wollte wieder aus seinem Mund Vernehmen den ›dummen Jungen‹, Das hat mir immer wie Musik Im Herzen nachgeklungen. Ich sehnte mich nach dem blauen Rauch, Der aufsteigt aus deutschen Schornsteinen, Nach niedersächsischen Nachtigall'n, Nach stillen Buchenhainen. – Ich sehnte mich nach den Plätzen sogar, Nach jenen Leidensstationen, Wo ich geschleppt das Jugendkreuz Und meine Dornenkronen. Ich wollte weinen, wo ich einst Geweint die bittersten Tränen – Ich glaube, Vaterlandsliebe nennt Man dieses törichte Sehnen. Ich spreche nicht gern davon; es ist Nur eine Krankheit im Grunde. Verschämten Gemütes, verberge ich stets Dem Publiko meine Wunde. Fatal ist mir das Lumpenpack, Das, um die Herzen zu rühren, Den Patriotismus trägt zur Schau Mit allen seinen Geschwüren. Schamlose schäbige Bettler sind's, Almosen wollen sie haben – Ein'n Pfennig, Popularität Für Menzel und seine Schwaben! Oh, meine Göttin, du hast mich heut In weicher Stimmung gefunden; Bin etwas krank, doch pfleg ich mich, Und ich werde bald gesunden. Ja, ich bin krank, und du könntest mir Die Seele sehr erfrischen Durch eine gute Ta**e Tee; Du mußt ihn mit Rum vermischen.«