Heinrich Heine - Buch der Lieder - Kapitel 6 lyrics

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Heinrich Heine - Buch der Lieder - Kapitel 6 lyrics

Lyrisches Intermezzo Prolog Es war mal ein Ritter trübselig und stumm, Mit hohlen, schneeweißen Wangen; Er schwa*kte und schlenderte schlotternd herum, In dumpfen Träumen befangen. Er war so hölzern, so täppisch, so links, Die Blümlein und Mägdlein die kicherten rings, Wenn er stolpernd vorbeigegangen. Oft saß er im finstersten Winkel zu Haus; Er hatt sich vor Menschen verkrochen. Da streckte er sehnend die Arme aus, Doch hat er kein Wörtlein gesprochen. Kam aber die Mitternachtsstunde heran, Ein seltsames Singen und Klingen begann – An die Türe da hört er es pochen. Da kommt seine Liebste geschlichen herein, Im rauschenden Wellenschaumkleide. Sie blüht und glüht wie ein Röselein, Ihr Schleier ist eitel Geschmeide. Goldlocken umspielen die schlanke Gestalt, Die Äuglein grüßen mit süßer Gewalt – In die Arme sinken sich beide. Der Ritter umschlingt sie mit Liebesmacht, Der Hölzerne steht jetzt im Feuer, Der Bla**e errötet, der Träumer erwacht, Der Blöde wird freier und freier. Sie aber, sie hat ihn gar schalkhaft geneckt, Sie hat ihm ganz leise den Kopf bedeckt Mit dem weißen, demantenen Schleier. In einen kristallenen Wa**erpalast Ist plötzlich gezaubert der Ritter. Er staunt, und die Augen erblinden ihm fast Vor alle dem Glanz und Geflitter. Doch hält ihn die Nixe umarmet gar traut, Der Ritter ist Bräutgam, die Nixe ist Braut; Ihre Jungfraun spielen die Zither. Sie spielen und singen, und singen so schön, Und heben zum Tanze die Füße; Dem Ritter dem wollen die Sinne vergehn, Und fester umschließt er die Süße – Da löschen auf einmal die Lichter aus, Der Ritter sitzt wieder ganz einsam zu Haus, In dem düstern Poetenstübchen. I Im wunderschönen Monat Mai, Als alle Knospen sprangen, Da ist in meinem Herzen Die Liebe aufgegangen. Im wunderschönen Monat Mai, Als alle Vögel sangen, Da hab ich ihr gestanden Mein Sehnen und Verlangen. II Aus meinen Tränen sprießen Viel blühende Blumen hervor, Und meine Seufzer werden Ein Nachtigallenchor. Und wenn du mich lieb hast, Kindchen, Schenk ich dir die Blumen all, Und vor deinem Fenster soll klingen Das Lied der Nachtigall. III Die Rose, die Lilje, die Taube, die Sonne, Die liebt ich einst alle in Liebeswonne. Ich lieb sie nicht mehr, ich liebe alleine Die Kleine, die Feine, die Reine, die Eine; Sie selber, aller Liebe Bronne, Ist Rose und Lilje und Taube und Sonne. IV Wenn ich in deine Augen seh, So schwindet all mein Leid und Weh; Doch wenn ich küsse deinen Mund, So werd ich ganz und gar gesund. Wenn ich mich lehn an deine Brust, Kommts über mich wie Himmelslust; Doch wenn du sprichst: Ich liebe dich! So muß ich weinen bitterlich. V Dein Angesicht so lieb und schön, Das hab ich jüngst im Traum gesehn, Es ist so mild und engelgleich, Und doch so bleich, so schmerzenbleich. Und nur die Lippen, die sind rot; Bald aber küßt sie bleich der Tod. Erlöschen wird das Himmelslicht, Das aus den frommen Augen bricht. VI Lehn deine Wang an meine Wang, Dann fließen die Tränen zusammen; Und an mein Herz drück fest dein Herz, Dann schlagen zusammen die Flammen! Und wenn in die große Flamme fließt Der Strom von unsern Tränen, Und wenn dich mein Arm gewaltig umschließt – Sterb ich vor Liebessehnen! VII Ich will meine Seele tauchen In den Kelch der Lilje hinein; Die Lilje soll klingend hauchen Ein Lied von der Liebsten mein. Das Lied soll schauern und beben Wie der Kuß von ihrem Mund, Den sie mir einst gegeben In wunderbar süßer Stund. VIII Es stehen unbeweglich Die Sterne in der Höh, Viel tausend Jahr, und schauen Sich an mit Liebesweh. Sie sprechen eine Sprache, Die ist so reich, so schön; Doch keiner der Philologen Kann diese Sprache verstehn. Ich aber hab sie gelernet, Und ich vergesse sie nicht; Mir diente als Grammatik Der Herzallerliebsten Gesicht. IX Auf Flügeln des Gesanges, Herzliebchen, trag ich dich fort, Fort nach den Fluren des Ganges, Dort weiß ich den schönsten Ort. Dort liegt ein rotblühender Garten Im stillen Mondenschein; Die Lotosbumen erwarten Ihr trautes Schwesterlein. Die Veilchen kichern und kosen, Und schaun nach den Sternen empor; Heimlich erzählen die Rosen Sich duftende Märchen ins Ohr. Es hüpfen herbei und lauschen Die frommen, klugen Gazelln; Und in der Ferne rauschen Des heiligen Stromes Welln. Dort wollen wir niedersinken Unter dem Palmenbaum, Und Liebe und Ruhe trinken, Und träumen seligen Traum. X Die Lotosblume ängstigt Sich vor der Sonne Pracht, Und mit gesenktem Haupte Erwartet sie träumend die Nacht. Der Mond, der ist ihr Buhle, Er weckt sie mit seinem Licht, Und ihm entschleiert sie freundlich Ihr frommes Blumengesicht. Sie blüht und glüht und leuchtet, Und starret stumm in die Höh; Sie duftet und weinet und zittert Vor Liebe und Liebesweh. XI Im Rhein, im schönen Strome, Da spiegelt sich in den Welln, Mit seinem großen Dome, Das große, heilge Köln. Im Dom da steht ein Bildnis, Auf goldenem Leder gemalt; In meines Lebens Wildnis Hats freundlich hineingestrahlt. Es schweben Blumen und Englein Um unsre liebe Frau; Die Augen, die Lippen, die Wänglein, Die gleichen der Liebsten genau. XII Du liebst mich nicht, du liebst mich nicht, Das kümmert mich gar wenig; Schau ich dir nur ins Angesicht, So bin ich froh wie 'n König. Du ha**est, ha**est mich sogar, So spricht dein rotes Mündchen; Reich es mir nur zum Küssen dar, So tröst ich mich, mein Kindchen. XIII O schwöre nicht und küsse nur, Ich glaube keinem Weiberschwur! Dein Wort ist süß, doch süßer ist Der Kuß, den ich dir abgeküßt! Den hab ich, und dran glaub ich auch, Das Wort ist eitel Dunst und Hauch. * O schwöre, Liebchen, immerfort, Ich glaube dir aufs bloße Wort! An deinen Busen sink ich hin, Und glaube, daß ich selig bin; Ich glaube, Liebchen, ewiglich, Und noch viel länger liebst du mich. XIV Auf meiner Herzliebsten Äugelein Mach ich die schönsten Kanzonen. Auf meiner Herzliebsten Mündchen klein Mach ich die besten Terzinen. Auf meiner Herzliebsten Wängelein Mach ich die herrlichsten Stanzen. Und wenn meine Liebste ein Herzchen hätt, Ich machte darauf ein hübsches Sonett. XV Die Welt ist dumm, die Welt ist blind, Wird täglich abgeschmackter! Sie spricht von dir, mein schönes Kind, Du hast keinen guten Charakter. Die Welt ist dumm, die Welt ist blind, Und dich wird sie immer verkennen; Sie weiß nicht, wie süß deine Küsse sind, Und wie sie beseligend brennen. XVI Liebste, sollst mir heute sagen: Bist du nicht ein Traumgebild, Wies in schwülen Sommertagen Aus dem Hirn des Dichters quillt? Aber nein, ein solches Mündchen, Solcher Augen Zauberlicht, Solch ein liebes, süßes Kindchen, Das erschafft der Dichter nicht. Basilisken und Vampire, Lindenwürm und Ungeheur, Solche schlimmen Fabeltiere Die erschafft des Dichters Feur. Aber dich und deine Tücke, Und dein holdes Angesicht, Und die falschen frommen Blicke – Das erschafft der Dichter nicht. XVII Wie die Wellenschaumgeborene Strahlt mein Lieb im Schönheitsglanz, Denn sie ist das auserkorene Bräutchen eines fremden Manns. Herz, mein Herz, du vielgeduldiges, Grolle nicht ob dem Verrat; Trag es, trag es, und entschuldig es, Was die holde Törin tat. XVIII Ich grolle nicht, und wenn das Herz auch bricht, Ewig verlornes Lieb! ich grolle nicht. Wie du auch strahlst in Diamantenpracht, Es fällt kein Strahl in deines Herzens Nacht. Das weiß ich längst. Ich sah dich ja im Traum, und sah die Nacht in deines Herzens Raum, Und sah die Schlang, die dir am Herzen frißt, – Ich sah, mein Lieb, wie sehr du elend bist. XIX Ja, du bist elend, und ich grolle nicht; – Mein Lieb, wir sollen beide elend sein! Bis uns der Tod das kranke Herze bricht, Mein Lieb, wir sollen beide elend sein! Wohl seh ich Spott, der deinen Mund umschwebt, Und seh dein Auge blitzen trotziglich, Und seh den Stolz, der deinen Busen hebt, – Und elend bist du doch, elend wie ich. Unsichtbar zuckt auch Schmerz um deinen Mund, Verborgne Träne trübt des Auges Schein, Der stolze Busen hegt geheime Wund – Mein Lieb, wir sollen beide elend sein. XX Das ist ein Flöten und Geigen, Trompeten schmettern drein; Da tanzt den Hochzeitreigen Die Herzallerliebste mein. Das ist ein Klingen und Dröhnen, Von Pauken und Schalmein; Dazwischen schluchzen und stöhnen Die guten Engelein. XXI So hast du ganz und gar vergessen, Daß ich so lang dein Herz besessen, Dein Herzchen so süß und so falsch und so klein, Es kann nirgend was süßres und falscheres sein. So hast du die Lieb und das Leid vergessen, Die das Herz mir täten zusammenpressen. Ich weiß nicht, war Liebe größer als Leid? Ich weiß nur, sie waren groß alle beid! XXII Und wüßtens die Blumen, die kleinen, Wie tief verwundet mein Herz, Sie würden mit mir weinen, Zu heilen meinen Schmerz. Und wüßtens die Nachtigallen, Wie ich so traurig und krank, Sie ließen fröhlich erschallen Erquickenden Gesang. Und wüßten sie mein Wehe, Die goldnen Sternelein, Sie kämen aus ihrer Höhe, Und sprächen Trost mir ein. Die alle könnens nicht wissen, Nur Eine kennt meinen Schmerz; Sie hat ja selbst zerrissen, Zerrissen mir das Herz. XXIII Warum sind denn die Rosen so blaß, O sprich, mein Lieb, warum? Warum sind denn im grünen Gras Die blauen Veilchen so stumm? Warum singt denn mit so kläglichem Laut Die Lerche in der Luft? Warum steigt denn aus dem Balsamkraut Hervor ein Leichenduft? Warum scheint denn die Sonn auf die Au So kalt und verdrießlich herab? Warum ist denn die Erde so grau Und öde wie ein Grab? Warum bin ich selbst so krank und so trüb, Mein liebes Liebchen, sprich? O sprich, mein herzallerliebstes Lieb, Warum verließest du mich? XXIV Sie haben dir viel erzählet, Und haben viel geklagt; Doch was meine Seele gequälet, Das haben sie nicht gesagt. Sie machten ein großes Wesen Und schüttelten kläglich das Haupt; Sie nannten mich den Bösen, Und du hast alles geglaubt. Jedoch das Allerschlimmste, Das haben sie nicht gewußt; Das Schlimmste und das Dümmste, Das trug ich geheim in der Brust. XXV Die Linde blühte, die Nachtigall sang, Die Sonne lachte mit freundlicher Lust; Da küßtest du mich, und dein Arm mich umschlang, Da presstest du mich an die schwellende Brust. Die Blätter fielen, der Rabe schrie hohl, Die Sonne grüßte verdrossenen Blicks; Da sagten wir frostig einander: »Lebwohl!« Da knickstest du höflich den höflichsten Knicks. XXVI Wir haben viel füreinander gefühlt, Und dennoch uns gar vortrefflich vertragen. Wir haben oft »Mann und Frau« gespielt, Und dennoch uns nicht gerauft und geschlagen. Wir haben zusammen gejauchzt und gescherzt, Und zärtlich uns geküßt und geherzt. Wir haben am Ende, aus kindischer Lust, »Verstecken« gespielt in Wäldern und Gründen, Und haben uns so zu verstecken gewußt, Daß wir uns nimmermehr wiederfinden. XXVII Du bliebest mir treu am längsten, Und hast dich für mich verwendet, Und hast mir Trost gespendet In meinen Nöten und Ängsten. Du gabest mir Trank und Speise, Und hast mir Geld geborget, Und hast mich mit Wäsche versorget, Und mit dem Paß für die Reise. Mein Liebchen! daß Gott dich behüte, Noch lange, vor Hitz und vor Kälte, Und daß er dir nimmer vergelte Die mir erwiesene Güte! XXVIII Die Erde war so lange geizig, Da kam der Mai, und sie ward spendabel, Und alles lacht, und jauchzt, und freut sich, Ich aber bin nicht zu lachen kapabel. Die Blumen sprießen, die Glöcklein schallen, Die Vögel sprechen wie in der Fabel; Mir aber will das Gespräch nicht gefallen, Ich finde alles miserabel. Das Menschenvolk mich ennuyieret, Sogar der Freund, der sonst pa**abel; – Das kömmt, weil man Madame titulieret Mein süßes Liebchen, so süß und aimabel. XXIX Und als ich so lange, so lange gesäumt, In fremden Landen geschwärmt und geträumt; Da ward meiner Liebsten zu lang die Zeit, Und sie nähete sich ein Hochzeitskleid, Und hat mit zärtlichen Armen umschlungen, Als Bräutgam, den dümmsten der dummen Jungen. Mein Liebchen ist so schön und mild, Noch schwebt mir vor ihr süßes Bild; Die Veilchenaugen, die Rosenwänglein, Die glühen und blühen, jahraus, jahrein. Daß ich von solchem Lieb konnt weichen, War der dümmste von meinen dummen Streichen. XXX Die blauen Veilchen der Äugelein, Die roten Rosen der Wängelein, Die weißen Liljen der Händchen klein, Die blühen und blühen noch immerfort, Und nur das Herzchen ist verdorrt. XXXI Die Welt ist so schön und der Himmel so blau, Und die Lüfte die wehen so lind und so lau, Und die Blumen winken auf blühender Au, Und funkeln und glitzern im Morgentau, Und die Menschen jubeln, wohin ich schau, – Und doch möcht ich im Grabe liegen, Und mich an mein totes Liebchen schmiegen. XXXII Mein süßes Lieb, wenn du im Grab, Im dunkeln Grab wirst liegen, Dann will ich steigen zur dir hinab, Und will mich an dich schmiegen. Ich küsse, umschlinge und presse dich wild, Du Stille, du Kalte, du Bleiche! Ich jauchze, ich zittre, ich weine mild, Ich werde selber zur Leiche. Die Toten stehn auf, die Mitternacht ruft, Sie tanzen im luftigen Schwarme; Wir beide bleiben in der Gruft, Ich liege in deinem Arme. Die Toten stehn auf, der Tag des Gerichts Ruft sie zu Qual und Vergnügen; Wir beide bekümmern uns um nichts, Und bleiben umschlungen liegen. XXXIII Ein Fichtenbaum steht einsam Im Norden auf kahler Höh. Ihn schläfert; mit weißer Decke Umhüllen ihn Eis und Schnee. Er träumt von einer Palme, Die, fern im Morgenland, Einsam und schweigend trauert Auf brennender Felsenwand. XXXIV (Der Kopf spricht:) Ach, wenn ich nur der Schemel wär, Worauf der Liebsten Füße ruhn! Und stampfte sie mich noch so sehr, Ich wollte doch nicht klagen tun. (Das Herz spricht:) Ach, wenn ich nur das Kißchen wär, Wo sie die Nadeln steckt hinein! Und stäche sie mich noch so sehr, Ich wollte mich der Stiche freun. (Das Lied spricht:) Ach, wär ich nur das Stück Papier, Das sie als Papillote braucht! Ich wollte heimlich flüstern ihr Ins Ohr, was in mir lebt und haucht. XXXV Seit die Liebste war entfernt, Hatt ichs Lachen ganz verlernt. Schlechten Witz riß mancher Wicht, Aber lachen konnt ich nicht. Seit ich sie verloren hab, Schafft ich auch das Weinen ab; Fast vor Weh das Herz mir bricht, Aber weinen kann ich nicht. XXXVI Aus meinen großen Schmerzen Mach ich die kleinen Lieder; Die heben ihr klingend Gefieder Und flattern nach ihrem Herzen. Sie fanden den Weg zur Trauten, Doch kommen sie wieder und klagen, Und klagen, und wollen nicht sagen, Was sie im Herzen schauten. XXXVII Philister in Sonntagsröcklein Spazieren durch Wald und Flur; Sie jauchzen, sie hüpfen wie Böcklein, Begrüßen die schöne Natur. Betrachten mit blinzelnden Augen, Wie alles romantisch blüht; Mit langen Ohren saugen Sie ein der Spatzen Lied. Ich aber verhänge die Fenster Des Zimmers mit schwarzem Tuch; Es machen mir meine Gespenster Sogar einen Tagesbesuch. Die alte Liebe erscheinet, Sie stieg aus dem Totenreich, Sie setzt sich zu mir und weinet, Und macht das Herz mir weich. XXXVIII Manch Bild vergessener Zeiten Steigt auf aus seinem Grab, Und zeigt, wie in deiner Nähe Ich einst gelebet hab. Am Tage schwa*kte ich träumend Durch alle Straßen herum; Die Leute verwundert mich ansahn, Ich war so traurig und stumm. Des Nachts da war es besser, Da waren die Straßen leer; Ich und mein Schatten selbander, Wir wandelten schweigend einher. Mit widerhallendem Fußtritt Wandelt ich über die Brück; Der Mond brach aus den Wolken, Und grüßte mit ernstem Blick. Stehn blieb ich vor deinem Hause, Und starrte in die Höh, Und starrte nach deinem Fenster – Das Herz tat mir so weh. Ich weiß, du hast aus dem Fenster Gar oft herabgesehn, Und sahst mich im Mondenlichte Wie eine Säule stehn. XXXIX Ein Jüngling liebt ein Mädchen, Die hat einen andern erwählt; Der andre liebt eine andre, Und hat sich mit dieser vermählt. Das Mädchen heiratet aus Ärger Den ersten besten Mann, Der ihr in den Weg gelaufen; Der Jüngling ist übel dran. Es ist eine alte Geschichte, Doch bleibt sie immer neu; Und wem sie just pa**ieret, Dem bricht das Herz entzwei. XL Hör ich das Liedchen klingen, Das einst die Liebste sang, So will mir die Brust zerspringen Vor wildem Schmerzensdrang. Es treibt mich ein dunkles Sehnen Hinauf zur Waldeshöh, Dort löst sich auf in Tränen Mein übergroßes Weh. XLI Mir träumte von einem Königskind, Mit na**en, bla**en Wangen; Wir saßen unter der grünen Lind, Und hielten uns liebumfangen. »Ich will nicht deines Vaters Thron, Und nicht sein Zepter von Golde, Ich will nicht seine demantene Kron, Ich will dich selber, du Holde!« Das kann nicht sein, sprach sie zu mir, Ich liege ja im Grabe, Und nur des Nachts komm ich zu dir, Weil ich so lieb dich habe. XLII Mein Liebchen, wir saßen beisammen, Traulich im leichten Kahn. Die Nacht war still, und wir schwammen Auf weiter Wa**erbahn. Die Geisterinsel, die schöne, Lag dämmrig im Mondenglanz; Dort klangen liebe Töne, Und wogte der Nebeltanz. Dort klang es lieb und lieber, Und wogt' es hin und her; Wir aber schwammen vorüber, Trostlos auf weitem Meer. XLIII Aus alten Märchen winkt es Hervor mit weißer Hand, Da singt es und da klingt es Von einem Zauberland: Wo große Blumen schmachten Im goldnen Abendlicht, Und zärtlich sich betrachten Mit bräutlichem Gesicht; – Wo alle Bäume sprechen Und singen, wie ein Chor, Und laute Quellen brechen Wie Tanzmusik hervor; – Und Liebesweisen tönen, Wie du sie nie gehört, Bis wundersüßes Sehnen Dich wundersüß betört! Ach, könnt ich dorthin kommen, Und dort mein Herz erfreun, Und aller Qual entnommen, Und frei und selig sein! Ach! jenes Land der Wonne, Das seh ich oft im Traum; Doch kommt die Morgensonne, Zerfließts wie eitel Schaum. XLIV Ich hab dich geliebet und liebe dich noch! Und fiele die Welt zusammen, Aus ihren Trümmern stiegen doch Hervor meiner Liebe Flammen. XLV Am leuchtenden Sommermorgen Geh ich im Garten herum. Es flüstern und sprechen die Blumen, Ich aber, ich wandle stumm. Es flüstern und sprechen die Blumen, Und schaun mitleidig mich an: Sei unsrer Schwester nicht böse, Du trauriger, bla**er Mann! XLVI Es leuchtet meine Liebe, In ihrer dunklen Pracht, Wie'n Märchen traurig und trübe, Erzählt in der Sommernacht. »Im Zaubergarten wallen Zwei Buhlen, stumm und allein; Es singen die Nachtigallen, Es flimmert der Mondenschein. Die Jungfrau steht still wie ein Bildnis, Der Ritter vor ihr kniet. Da kommt der Riese der Wildnis, Die bange Jungfrau flieht. Der Ritter sinkt blutend zur Erde, Es stolpert der Riese nach Haus –« Wenn ich begraben werde, Dann ist das Märchen aus. XLVII Sie haben mich gequälet, Geärgert blau und blaß. Die Einen mit ihrer Liebe, Die Andern mit ihrem Haß. Sie haben das Brot mir vergiftet, Sie gossen mir Gift ins Glas, Die Einen mit ihrer Liebe, Die Andern mit ihrem Haß. Doch sie, die mich am meisten Gequält, geärgert, betrübt, Die hat mich nie geha**et, Und hat mich nie geliebt. XLVIII Es liegt der heiße Sommer Auf deinen Wängelein; Es liegt der Winter, der kalte, In deinem Herzchen klein. Das wird sich bei dir ändern, Du Vielgeliebte mein! Der Winter wird auf den Wangen, Der Sommer im Herzen sein. XLIX Wenn zwei voneinander scheiden, So geben sie sich die Händ, Und fangen an zu weinen, Und seufzen ohne End. Wir haben nicht geweinet, Wir seufzten nicht weh und Ach! Die Tränen und die Seufzer, Die kamen hintennach. L Sie saßen und tranken am Teetisch, Und sprachen von Liebe viel. Die Herren waren ästhetisch, Die Damen von zartem Gefühl. Die Liebe muß sein platonisch, Der dürre Hofrat sprach. Die Hofrätin lächelt ironisch, Und dennoch seufzet sie: Ach! Der Domherr öffnet den Mund weit: Die Liebe sei nicht zu roh, Sie schadet sonst der Gesundheit. Das Fräulein lispelt: Wie so? Die Gräfin spricht wehmütig: Die Liebe ist eine Pa**ion! Und präsentieret gütig Die Ta**e dem Herrn Baron. Am Tische war noch ein Plätzchen; Mein Liebchen, da hast du gefehlt. Du hättest so hübsch, mein Schätzchen, Von deiner Liebe erzählt. LI Vergiftet sind meine Lieder; – Wie könnte es anders sein? Du hast mir ja Gift gegossen Ins blühende Leben hinein. Vergiftet sind meine Lieder; – Wie könnte es anders sein? Ich trage im Herzen viel Schlangen, Und dich, Geliebte mein. LII Mir träumte wieder der alte Traum: Es war eine Nacht im Maie, Wir saßen unter dem Lindenbaum, Und schwuren uns ewige Treue. Das war ein Schwören und Schwören aufs neu, Ein Kichern, ein Kosen, ein Küssen; Daß ich gedenk des Schwures sei, Hast du in die Hand mich gebissen. O Liebchen mit den Äuglein klar! O Liebchen schön und bissig! Das Schwören in der Ordnung war, Das Beißen war überflüssig. LIII Ich steh auf des Berges Spitze, Und werde sentimental. »Wenn ich ein Vöglein wäre!« Seufz ich viel tausendmal. Wenn ich eine Schwalbe wäre, So flög ich zu dir, mein Kind, Und baute mir mein Nestchen, Wo deine Fenster sind. Wenn ich eine Nachtigall wäre, So flög ich zu dir, mein Kind, Und sänge dir Nachts meine Lieder Herab von der grünen Lind. Wenn ich ein Gimpel wäre, So flög ich gleich an dein Herz; Du bist ja hold den Gimpeln, Und heilest Gimpelschmerz. LIV Mein Wagen rollet langsam Durch lustiges Waldesgrün, Durch blumige Täler, die zaubrisch Im Sonnenglanze blühn. Ich sitze und sinne und träume, Und denk an die Liebste mein; Da grüßen drei Schattengestalten Kopfnickend zum Wagen herein. Sie hüpfen und schneiden Gesichter, So spöttisch und doch so scheu, Und quirlen wie Nebel zusammen, Und kichern und huschen vorbei. LV Ich hab im Traum geweinet, Mir träumte, du lägest im Grab. Ich wachte auf, und die Träne Floß noch von der Wange herab. Ich hab im Traum geweinet, Mir träumt', du verließest mich. Ich wachte auf, und ich weinte Noch lange bitterlich. Ich hab im Traum geweinet, Mir träumte, du bliebest mir gut. Ich wachte auf, und noch immer Strömt meine Tränenflut. LVI Allnächtlich im Traume seh ich dich, Und sehe dich freundlich grüßen, Und lautaufweinend stürz ich mich Zu deinen süßen Füßen. Du siehst mich an wehmütiglich, Und schüttelst das blonde Köpfchen; Aus deinen Augen schleichen sich Die Perlentränentröpfchen. Du sagst mir heimlich ein leises Wort, Und gibst mir den Strauß von Zypressen, Ich wache auf, und der Strauß ist fort, Und das Wort hab ich vergessen. LVII Das ist ein Brausen und Heulen, Herbstnacht und Regen und Wind; Wo mag wohl jetzo weilen Mein armes, banges Kind? Ich seh sie am Fenster lehnen Im einsamen Kämmerlein; Das Auge gefüllt mit Tränen, Starrt sie in die Nacht hinein. LVIII Der Herbstwind rüttelt die Bäume, Die Nacht ist feucht und kalt; Gehüllt im grauen Mantel, Reite ich einsam im Wald. Und wie ich reite, so reiten Mir die Gedanken voraus; Sie tragen mich leicht und luftig Nach meiner Liebsten Haus. Die Hunde bellen, die Diener Erscheinen mit Kerzengeflirr; Die Wendeltreppe stürm ich Hinauf mit Sporengeklirr. Im leuchtenden Teppichgemache, Da ist es so duftig und warm, Da harret meiner die Holde – Ich fliege in ihren Arm. Es säuselt der Wind in den Blättern, Es spricht der Eichenbaum: Was willst du, törichter Reiter, Mit deinem törichten Traum? LIX Es fällt ein Stern herunter Aus seiner funkelnden Höh! Das ist der Stern der Liebe, Den ich dort fallen seh. Es fallen vom Apfelbaume Der Blüten und Blätter viel! Es kommen die neckenden Lüfte, Und treiben damit ihr Spiel. Es singt der Schwan im Weiher, Und rudert auf und ab, Und immer leiser singend, Taucht er ins Flutengrab. Es ist so still und dunkel! Verweht ist Blatt und Blüt, Der Stern ist knisternd zerstoben, Verklungen das Schwanenlied. LX Der Traumgott bracht mich in ein Riesenschloß, Wo schwüler Zauberduft und Lichterschimmer, Und bunte Menschenwoge sich ergoß Durch labyrinthisch vielverschlungne Zimmer. Die Ausgangspforte sucht der bleiche Troß, Mit Händeringen und mit Angstgewimmer. Jungfraun und Ritter ragen aus der Menge, Ich selbst bin fortgezogen im Gedränge. Doch plötzlich steh ich ganz allein, und seh, Und staun, wie schnell die Menge konnt verschwinden, Und wandre fort allein, und eil, und geh Durch die Gemächer, die sich seltsam winden. Mein Fuß wird Blei, im Herzen Angst und Weh, Verzweifl ich fast den Ausgang je zu finden. Da komm ich endlich an das letzte Tor; Ich will hinaus – o Gott, wer steht davor! Es war die Liebste, die am Tore stand, Schmerz um die Lippen, Sorge auf der Stirne. Ich soll zurückgehn, winkt sie mit der Hand; Ich weiß nicht, ob sie warne oder zürne. Doch aus den Augen bricht ein süßer Brand, Der mir durchzuckt das Herz und das Gehirne. Wie sie mich ansah, streng und wunderlich, Und doch so liebevoll, erwachte ich. LXI Die Mitternacht war kalt und stumm; Ich irrte klagend im Wald herum. Ich hab die Bäum aus dem Schlaf gerüttelt; Sie haben mitleidig die Köpfe geschüttelt. LXII Am Kreuzweg wird begraben Wer selber sich brachte um; Dort wächst eine blaue Blume, Die Armesünderblum. Am Kreuzweg stand ich und seufzte; Die Nacht war kalt und stumm. Im Mondschein bewegte sich langsam Die Armesünderblum. LXIII Wo ich bin, mich rings umdunkelt Finsternis, so dumpf und dicht, Seit mir nicht mehr leuchtend funkelt, Liebste, deiner Augen Licht. Mir erloschen ist der süßen Liebessterne goldne Pracht, Abgrund gähnt zu meinen Füßen – Nimm mich auf, uralte Nacht! LXIV Nacht lag auf meinen Augen, Blei lag auf meinem Mund, Mit starrem Hirn und Herzen Lag ich im Grabesgrund. Wie lang, kann ich nicht sagen, Daß ich geschlafen hab; Ich wachte auf und hörte, Wies pochte an mein Grab. »Willst du nicht aufstehn, Heinrich? Der ewge Tag bricht an, Die Toten sind erstanden, Die ewge Lust begann.« Mein Lieb, ich kann nicht aufstehn, Bin ja noch immer blind; Durch Weinen meine Augen Gänzlich erloschen sind. »Ich will dir küssen, Heinrich, Vom Auge fort die Nacht; Die Engel sollst du schauen, Und auch des Himmels Pracht.« Mein Lieb, ich kann nicht aufstehn, Noch blutets immerfort, Wo du ins Herz mich stachest Mit einem spitzgen Wort. »Ganz leise leg ich, Heinrich, Dir meine Hand aufs Herz; Dann wird es nicht mehr bluten, Geheilt ist all sein Schmerz.« Mein Lieb, ich kann nicht aufstehn, Es blutet auch mein Haupt; Hab ja hineingeschossen, Als du mir wurdest geraubt. »Mit meinen Locken, Heinrich, Stopf ich des Hauptes Wund, Und dräng zurück den Blutstrom, Und mache dein Haupt gesund.« Es bat so sanft, so lieblich, Ich konnt nicht widerstehn; Ich wollte mich erheben Und zu der Liebsten gehn. Da brachen auf die Wunden, Da stürzt' mit wilder Macht Aus Kopf und Brust der Blutstrom, Und sieh! – ich bin erwacht. LXV Die alten bösen Lieder Die Träume schlimm und arg, Die laßt uns jetzt begraben, Holt einen großen Sarg. Hinein leg ich gar Manches, Doch sag ich noch nicht was; Der Sarg muß sein noch größer Wies Heidelberger Faß. Und holt eine Totenbahre, Von Brettern fest und dick: Auch muß sie sein noch länger Als wie zu Mainz die Brück. Und holt mir auch zwölf Riesen, Die müssen noch stärker sein Als wie der heilige Christoph Im Dom zu Köln am Rhein. Die sollen den Sarg forttragen Und senken ins Meer hinab, Denn solchem großen Sarge Gebührt ein großes Grab. Wißt ihr, warum der Sarg wohl So groß und schwer mag sein? Ich legt auch meine Liebe und meinen Schmerz hinein.

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