Heinrich Heine - Buch der Lieder - Kapitel 18 lyrics

Published

0 169 0

Heinrich Heine - Buch der Lieder - Kapitel 18 lyrics

Die Nordsee Erster Zyklus I Krönung Ihr Lieder! Ihr meine guten Lieder! Auf, auf! und wappnet euch! Laßt die Trompeten klingen, Und hebt mir auf den Schild Dies junge Mädchen, Das jetzt mein ganzes Herz Beherrschen soll, als Königin. Heil dir! du junge Königin! Von der Sonne droben Reiß ich das strahlend rote Gold, Und webe daraus ein Diadem Für dein geweihtes Haupt. Von der flatternd blauseidnen Himmelsdecke, Worin die Nachtdiamanten blitzen, Schneid ich ein kostbar Stück, Und häng es dir, als Krönungsmantel, Um deine königliche Schulter. Ich gebe dir einen Hofstaat Von steifgeputzten Sonetten, Stolzen Terzinen und höflichen Stanzen; Als Läufer diene dir mein Witz, Als Hofnarr meine Phantasie, Als Herold, die lachende Träne im Wappen, Diene dir mein Humor. Aber ich selber, Königin, Ich kniee vor dir nieder, Und huldgend, auf rotem Sammetkissen, Überreiche ich dir Das bißchen Verstand, Das mir, aus Mitleid, noch gela**en hat Deine Vorgängerin im Reich. II Abenddämmerung Am bla**en Meeresstrande Saß ich gedankenbekümmert und einsam. Die Sonne neigte sich tiefer, und warf Glührote Streifen auf das Wa**er, Und die weißen, weiten Wellen, Von der Flut gedrängt, Schäumten und rauschten näher und näher – Ein seltsam Geräusch, ein Flüstern und Pfeifen, Ein Lachen und Murmeln, Seufzen und Sausen, Dazwischen ein wiegenliedheimliches Singen – Mir war, als hört ich verschollne Sagen, Uralte, liebliche Märchen, Die ich einst, als Knabe, Von Nachbarskindern vernahm, Wenn wir am Sommerabend, Auf den Treppensteinen der Haustür, Zum stillen Erzählen niederkauerten, Mit kleinen horchenden Herzen Und neugierklugen Augen; – Während die großen Mädchen, Neben duftenden Blumentöpfen, Gegenüber am Fenster saßen, Rosengesichter, Lächelnd und mondbeglänzt. III Sonnenuntergang Die glühend rote Sonne steigt Hinab ins weitaufschauernde, Silbergraue Weltenmeer; Luftgebilde, rosig angehaucht, Wallen ihr nach; und gegenüber, Aus herbstlich dämmernden Wolkenschleiern, Ein traurig todbla**es Antlitz, Bricht hervor der Mond, Und hinter ihm, Lichtfünkchen, Nebelweit, schimmern die Sterne. Einst am Himmel glänzten, Ehlich vereint, Luna, die Göttin, und Sol, der Gott, Und es wimmelten um sie her die Sterne, Die kleinen, unschuldigen Kinder. Doch böse Zungen zischelten Zwiespalt, Und es trennte sich feindlich Das hohe, leuchtende Ehpaar. Jetzt am Tage, in einsamer Pracht, Ergeht sich dort oben der Sonnengott, Ob seiner Herrlichkeit Angebetet und vielbesungen Von stolzen, glückgehärteten Menschen. Aber des Nachts, Am Himmel, wandelt Luna, Die arme Mutter Mit ihren verwaisten Sternenkindern, Und sie glänzt in stiller Wehmut, Und liebende Mädchen und sanfte Dichter Weihen ihr Tränen und Lieder. Die weiche Luna! Weiblich gesinnt, Liebt sie noch immer den schönen Gemahl. Gegen Abend, zitternd und bleich, Lauscht sie hervor aus leichtem Gewölk, Und schaut nach dem Scheidenden, schmerzlich, Und möchte ihm ängstlich rufen: »Komm! Komm! die Kinder verlangen nach dir –« Aber der trotzige Sonnengott, Bei dem Anblick der Gattin erglüht er In doppeltem Purpur, Vor Zorn und Schmerz, Und unerbittlich eilt er hinab In sein flutenkaltes Witwerbett. * Böse, zischelnde Zungen Brachten also Schmerz und Verderben Selbst über ewige Götter. Und die armen Götter, oben am Himmel Wandeln sie, qualvoll, Trostlos unendliche Bahnen, Und können nicht sterben, Und schleppen mit sich Ihr strahlendes Elend. Ich aber, der Mensch, Der niedriggepflanzte, der Tod-beglückte, Ich klage nicht länger. IV Die Nacht am Strande Sternlos und kalt ist die Nacht, Es gärt das Meer; Und über dem Meer, platt auf dem Bauch, Liegt der ungestalte Nordwind, Und heimlich, mit ächzend gedämpfter Stimme, Wie 'n störriger Griesgram, der gutgelaunt wird, Schwatzt er ins Wa**er hinein, Und erzählt viel tolle Geschichten, Riesenmärchen, totschlaglaunig, Uralte Sagen aus Norweg, Und dazwischen, weitschallend, lacht er und heult er Beschwörungslieder der Edda, Auch Runensprüche, So dunkeltrotzig und zaubergewaltig, Daß die weißen Meerkinder Hoch aufspringen und jauchzen, Übermutberauscht. Derweilen, am flachen Gestade, Über den flutenbefeuchteten Sand, Schreitet ein Fremdling, mit einem Herzen, Das wilder noch als Wind und Wellen. Wo er hintritt, Sprühen Funken und knistern die Muscheln; Und er hüllt sich fest in den grauen Mantel, Und schreitet rasch durch die wehende Nacht; – Sicher geleitet vom kleinen Lichte, Das lockend und lieblich schimmert Aus einsamer Fischerhütte. Vater und Bruder sind auf der See, Und mutterseelenallein blieb dort In der Hütte die Fischertochter, Die wunderschöne Fischertochter. Am Herde sitzt sie, Und horcht auf des Wa**erkessels Ahnungssüßes, heimliches Summen, Und schüttet knisterndes Reisig ins Feuer, Und bläst hinein, Daß die flackernd roten Lichter Zauberlieblich widerstrahlen Auf das blühende Antlitz, Auf die zarte, weiße Schulter, Die rührend hervorlauscht Aus dem groben, grauen Hemde, Und auf die kleine, sorgsame Hand, Die das Unterröckchen fester bindet Um die feine Hüfte. Aber plötzlich, die Tür springt auf, Und es tritt herein der nächtige Fremdling; Liebesicher ruht sein Auge Auf dem weißen, schlanken Mädchen, Das schauernd vor ihm steht, Gleich einer erschrockenen Lilje; Und er wirft den Mantel zur Erde, Und lacht und spricht: Siehst du, mein Kind, ich halte Wort, Und ich komme, und mit mir kommt Die alte Zeit, wo die Götter des Himmels Niederstiegen zu den Töchtern der Menschen, Und die Töchter der Menschen umarmten, Und mit ihnen zeugten Zeptertragende Königsgeschlechter Und Helden, Wunder der Welt. Doch staune, mein Kind, nicht länger ob meiner Göttlichkeit, Und, ich bitte dich, koche mir Tee mit Rum, Denn draußen wars kalt, Und bei solcher Nachtluft Frieren auch wir, wir ewigen Götter, Und kriegen wir leicht den göttlichsten Schnupfen, Und einen unsterblichen Husten. V Poseidon Die Sonnenlichter spielten Über das weithinrollende Meer; Fern auf der Reede glänzte das Schiff, Das mich zur Heimat tragen sollte; Aber es fehlte an gutem Fahrwind. Und ich saß noch ruhig auf weißer Düne, Am einsamen Strand, Und ich las das Lied vom Odysseus, Das alte, das ewig junge Lied, Aus dessen meerdurchrauschten Blättern Mir freudig entgegenstieg Der Atem der Götter, Und der leuchtende Menschenfrühling, Und der blühende Himmel von Hellas. Mein edles Herz begleitete treulich Den Sohn des Laertes, in Irrfahrt und Drangsal, Setzte sich mit ihm, seelenbekümmert, An gastliche Herde, Wo Königinnen Purpur spinnen, Und half ihm lügen und glücklich entrinnen Aus Riesenhöhlen und Nymphenarmen, Folgte ihm nach in kimmerische Nacht, Und in Sturm und Schiffbruch, Und duldete mit ihm unsägliches Elend. Seufzend sprach ich: Du böser Poseidon, Dein Zorn ist furchtbar, Und mir selber bangt Ob der eignen Heimkehr. Kaum sprach ich die Worte, Da schäumte das Meer, Und aus den Wellen stieg Das schilfbekränzte Haupt des Meergotts, Und höhnisch rief er: Fürchte dich nicht, Poetlein! Ich will nicht im gringsten gefährden Dein armes Schiffchen, Und nicht dein liebes Leben beängstgen Mit allzu bedenklichem Schaukeln. Denn du, Poetlein, hast mich nie erzürnt, Du hast kein einziges Türmchen verletzt An Priamos' heiliger Feste, Kein einziges Härchen hast du versengt Am Aug meines Sohns Polyphemos, Und dich hat niemals ratend beschützt Die Göttin der Klugheit, Pallas Athene. Also rief Poseidon Und tauchte zurück ins Meer; Und über den groben Seemannswitz Lachten unter dem Wa**er Amphitrite, das plumpe Fischweib, Und die dummen Töchter des Nereus. VI Erklärung Herangedämmert kam der Abend, Wilder toste die Flut, Und ich saß am Strand, und schaute zu Dem weißen Tanz der Wellen, Und meine Brust schwoll auf wie das Meer, Und sehnend ergriff mich ein tiefes Heimweh Nach dir, du holdes Bild, Das überall mich umschwebt, Und überall mich ruft, Überall, überall, Im Sausen des Windes, im Brausen des Meers, Und im Seufzen der eigenen Brust. Mit leichtem Rohr schrieb ich in den Sand: »Agnes, ich liebe Dich!« Doch böse Wellen ergossen sich Über das süße Bekenntnis, Und löschten es aus. Zerbrechliches Rohr, zerstiebender Sand, Zerfließende Wellen, euch trau ich nicht mehr! Der Himmel wird dunkler, mein Herz wird wilder, Und mit starker Hand, aus Norwegs Wäldern, Reiß ich die höchste Tanne, Und tauche sie ein In des Ätnas glühenden Schlund, und mit solcher Feuergetränkten Riesenfeder Schreib ich an die dunkle Himmelsdecke: »Agnes, ich liebe Dich!« Jedwede Nacht lodert alsdann Dort oben die ewige Flammenschrift, Und alle nachwachsende Enkelgeschlechter Lesen jauchzend die Himmelsworte: »Agnes, ich liebe Dich!« VII Nachts in der Kajüte Das Meer hat seine Perlen, Der Himmel hat seine Sterne, Aber mein Herz, mein Herz, Mein Herz hat seine Liebe. Groß ist das Meer und der Himmel, Doch größer ist mein Herz, Und schöner als Perlen und Sterne Leuchtet und strahlt meine Liebe. Du kleines, junges Mädchen, Komm an mein großes Herz; Mein Herz und das Meer und der Himmel Vergehn vor lauter Liebe. * An die blaue Himmelsdecke, Wo die schönen Sterne blinken, Möcht ich pressen meine Lippen, Pressen wild und stürmisch weinen. Jene Sterne sind die Augen Meiner Liebsten, tausendfältig Schimmern sie und grüßen freundlich Aus der blauen Himmelsdecke. Nach der blauen Himmelsdecke, Nach den Augen der Geliebten, Heb ich andachtsvoll die Arme, Und ich bitte und ich flehe: Holde Augen, Gnadenlichter, O, beseligt meine Seele, Laßt mich sterben und erwerben Euch und euren ganzen Himmel! * Aus den Himmelsaugen droben Fallen zitternd goldne Funken Durch die Nacht, und meine Seele Dehnt sich liebeweit und weiter. O, ihr Himmelsaugen droben! Weint euch aus in meine Seele, Daß von lichten Sternentränen Überfließet meine Seele. * Eingewiegt von Meereswellen, Und von träumenden Gedanken, Lieg ich still in der Kajüte, In dem dunkeln Winkelbette. Durch die offne Luke schau ich Droben hoch die hellen Sterne, Die geliebten, süßen Augen Meiner süßen Vielgeliebten. Die geliebten, süßen Augen Wachen über meinem Haupte, Und sie blinken und sie winken Aus der blauen Himmelsdecke. Nach der blauen Himmelsdecke schau ich selig lange Stunden, Bis ein weißer Nebelschleier Mir verhüllt die lieben Augen. * An die bretterne Schiffswand, Wo mein träumendes Haupt liegt, Branden die Wellen, die wilden Wellen. Sie rauschen und murmeln Mir heimlich ins Ohr: »Betörter Geselle! Dein Arm ist kurz, und der Himmel ist weit, Und die Sterne droben sind festgenagelt, Mit goldnen Nägeln, – Vergebliches Sehnen, vergebliches Seufzen, Das beste wäre, du schliefest ein.« * Es träumte mir von einer weiten Heide, Weit überdeckt von stillem, weißem Schnee, Und unterm weißen Schnee lag ich begraben Und schlief den einsam kalten Todesschlaf. Doch droben aus dem dunkeln Himmel schauten Herunter auf mein Grab die Sternenaugen, Die süßen Augen! und sie glänzten sieghaft Und ruhig heiter, aber voller Liebe. VIII Sturm Es wütet der Sturm, Und er peitscht die Wellen, Und die Welln, wutschäumend und bäumend, Türmen sich auf, und es wogen lebendig Die weißen Wa**erberge, Und das Schifflein erklimmt sie, Hastig mühsam, Und plötzlich stürzt es hinab In schwarze, weitgähnende Flutabgründe – O Meer! Mutter der Schönheit, der Schaumentstiegenen! Großmutter der Liebe! schone meiner! Schon flattert, leichenwitternd, Die weiße, gespenstische Möwe, Und wetzt an dem Mastbaum den Schnabel, Und lechzt, voll Fraßbegier, nach dem Herzen, Das vom Ruhm deiner Tochter ertönt, Und das dein Enkel, der kleine Schalk, Zum Spielzeug erwählt. Vergebens mein Bitten und Flehn! Mein Rufen verhallt im tosenden Sturm, Im Schlachtlärm der Winde. Es braust und pfeift und pra**elt und heult, Wie ein Tollhaus von Tönen! Und zwischendurch hör ich vernehmbar Lockende Harfenlaute, Sehnsuchtwilden Gesang, Seelenschmelzend und seelenzerreißend, Und ich erkenne die Stimme. Fern an schottischer Felsenküste, Wo das graue Schlößlein hinausragt Über die brandende See, Dort, am hochgewölbten Fenster, Steht eine schöne, kranke Frau, Zartdurchsichtig und marmorblaß, Und sie spielt die Harfe und singt, Und der Wind durchwühlt ihre langen Locken, Und trägt ihr dunkles Lied Über das weite, stürmende Meer. IX Meeresstille Meeresstille! Ihre Strahlen Wirft die Sonne auf das Wa**er, Und im wogenden Geschmeide Zieht das Schiff die grünen Furchen. Bei dem Steuer liegt der Bootsmann Auf dem Bauch, und schnarchet leise. Bei dem Mastbaum, segelflickend, Kauert der beteerte Schiffsjung. Hinterm Schmutze seiner Wangen Sprüht es rot, wehmütig zuckt es Um das breite Maul, und schmerzlich Schaun die großen, schönen Augen. Denn der Kapitän steht vor ihm, Tobt und flucht und schilt ihn: Spitzbub. »Spitzbub! einen Hering hast du Aus der Tonne mir gestohlen!« Meeresstille! aus den Wellen Taucht hervor ein kluges Fischlein, Wärmt das Köpfchen in der Sonne, Plätschert lustig mit dem Schwänzchen. Doch die Möwe, aus den Lüften, Schießt herunter auf das Fischlein, Und den raschen Raub im Schnabel, Schwingt sie sich hinauf ins Blaue. X Seegespenst Ich aber lag am Rande des Schiffes, Und schaute, träumenden Auges, Hinab in das spiegelklare Wa**er, Und schaute tiefer und tiefer – Bis tief, im Meeresgrunde, Anfangs wie dämmernde Nebel, Jedoch allmählich farbenbestimmter, Kirchenkuppel und Türme sich zeigten, Und endlich, sonnenklar, eine ganze Stadt, Altertümlich niederländisch, Und menschenbelebt. Bedächtige Männer, schwarzbemäntelt, Mit weißen Halskrausen und Ehrenketten Und langen Degen und langen Gesichtern, Schreiten, über den wimmelnden Marktplatz, Nach dem treppenhohen Rathaus, Wo steinerne Kaiserbilder Wacht halten mit Zepter und Schwert. Unferne, vor langen Häuserreihn, Wo spiegelblanke Fenster Und pyramidisch beschnittene Linden, Wandeln seidenrauschende Jungfern, Schlanke Leibchen, die Blumengesichter Sittsam umschlossen von schwarzen Mützchen Und hervorquellendem Goldhaar. Bunte Gesellen, in spanischer Tracht, Stolzieren vorüber und nicken. Bejahrte Frauen, In braunen, verschollnen Gewändern, Gesangbuch und Rosenkranz in der Hand, Eilen, trippelnden Schritts, Nach dem großen Dome, Getrieben von Glockengeläute Und rauschendem Orgelton. Mich selbst ergreift des fernen Klangs Geheimnisvoller Schauer! Unendliches Sehnen, tiefe Wehmut Beschleicht mein Herz, Mein kaum geheiltes Herz; – Mir ist, als würden seine Wunden Von lieben Lippen aufgeküßt, Und täten wieder bluten – Heiße, rote Tropfen, Die lang und langsam niederfalln Auf ein altes Haus, dort unten In der tiefen Meerstadt, Auf ein altes, hochgegiebeltes Haus, Wo melancholisch einsam Untetn am Fenster ein Mädchen sitzt, Den Kopf auf den Arm gelehnt, Wie ein armes, vergessenes Kind – Und ich kenne dich armes, vergessenes Kind! So tief, meertief also Verstecktest du dich vor mir, Aus kindischer Laune, Und konntest nicht mehr herauf, Und saßest fremd unter fremden Leuten, Jahrhundertelang, Derweilen ich, die Seele voll Gram, Auf der ganzen Erde dich suchte, Und immer dich suchte, Du Immergeliebte, Du Längstverlorene, Du Endlichgefundene – Ich hab dich gefunden und schaue wieder Dein süßes Gesicht, Die klugen, treuen Augen, Das liebe Lächeln – Und nimmer will ich dich wieder verla**en, Und ich komme hinab zu dir, Und mit ausgebreiteten Armen Stürz ich hinab an dein Herz – Aber zur rechten Zeit noch Ergriff mich beim Fuß der Kapitän, Und zog mich vom Schiffsrand, Und rief, ärgerlich lachend: Doktor, sind Sie des Teufels? XI Reinigung Bleib du in deiner Meerestiefe, Wahnsinniger Traum, Der du einst so manche Nacht Mein Herz mit falschem Glück gequält hast, Und jetzt, als Seegespenst, Sogar am hellen Tag mich bedrohest – Bleib du dort unten, in Ewigkeit, Und ich werfe noch zu dir hinab All meine Schmerzen und Sünden, Und die Schellenkappe der Torheit, Die so lange mein Haupt umklingelt, Und die kalte, gleißende Schlangenhaut Der Heuchelei, Die mir so lang die Seele umwunden, Die kranke Seele, Die gottverleugnende, engelverleugnende, Unselige Seele – Hoiho! hoiho! Da kommt der Wind! Die Segel auf! Sie flattern und schwelln! Über die stillverderbliche Fläche Eilet das Schiff, Und es jauchzt die befreite Seele. XII Frieden Hoch am Himmel stand die Sonne, Von weißen Wolken umwogt, Das Meer war still, Und sinnend lag ich am Steuer des Schiffes, Träumerisch sinnend, – und halb im Wachen Und halb im Schlummer, schaute ich Christus, Den Heiland der Welt. Im wallend weißen Gewande Wandelt er riesengroß Über Land und Meer; Es ragte sein Haupt in den Himmel, Die Hände streckte er segnend Über Land und Meer; Und als ein Herz in der Brust Trug er die Sonne, Die rote, flammende Sonne, Und das rote, flammende Sonnenherz Goß seine Gnadenstrahlen Und sein holdes, liebseliges Licht, Erleuchtend und wärmend, Über Land und Meer. Glockenklänge zogen feierlich Hin und her, zogen wie Schwäne, An Rosenbändern, das gleitende Schiff, Und zogen es spielend ans grüne Ufer, Wo Menschen wohnen, in hochgetürmter, Ragender Stadt. O Friedenswunder! Wie still die Stadt! Es ruhte das dumpfe Geräusch Der schwatzenden, schwülen Gewerbe, Und durch die reinen, hallenden Straßen Wandelten Menschen, weißgekleidete, Palmzweigtragende, Und wo sich zwei begegneten, Sahn sie sich an, verständnisinnig, Und schauernd, in Liebe und süßer Entsagung, Küßten sie sich auf die Stirne, Und schauten hinauf Nach des Heilands Sonnenherzen, Das freudig versöhnend sein rotes Blut Hinunterstrahlte, Und dreimalselig sprachen sie: Gelobt sei Jesu Christ!

You need to sign in for commenting.
No comments yet.