Kaput XIX. Aber als der Schönheit Kleeblatt Ragten in des Zuges Mitten Drei Gestalten – Nie vergess' ich Diese holden Frauenbilder. Leicht erkennbar war die Eine An dem Halbmond auf dem Haupte; Stolz, wie eine reine Bildsäul', Ritt einher die große Göttin. Hochgeschürzte Tunika, Brust und Hüfte halb bedeckend. Fackellicht und Mondschein spielten. Lüstern um die weißen Glieder. Auch das Antlitz weiß wie Marmor, Und wie Marmor kalt. Entsetzlich War die Starrheit und die Blässe Dieser strengen edlen Züge. Doch in ihrem schwarzen Auge Loderte ein grauenhaftes Und unheimlich süßes Feuer, Seelenblendend und verzehrend. Wie verändert ist Diana, Die, im Übermuth der Keuschheit, Einst den Aktäon verhirschte Und den Hunden preisgegeben! Büßt sie jetzt für diese Sünde In galantester Gesellschaft? Wie ein spukend armes Weltkind Fährt sie nächtlich durch die Lüfte. Spät zwar, aber desto stärker Ist erwacht in ihr die Wollust, Und es brennt in ihren Augen Wie ein wahrer Höllenbrand. Die verlorne Zeit bereut sie, Wo die Männer schöner waren, Und die Quantität ersetzt ihr Jetzt vielleicht die Qualität. Neben ihr ritt eine Schöne, Deren Züge nicht so griechisch Streng gemessen, doch sie strahlten Von des Celtenstammes Anmuth. Dieses war die Fee Abunde, Die ich leicht erkennen konnte An der Süße ihres Lächelns Und am herzlich tollen Lachen! Ein Gesicht, gesund und rosig, Wie gemalt von Meister Grenze, Mund in Herzform, stets geöffnet, Und entzückend weiße Zähne. Trug ein flatternd blaues Nachtkleid, Das der Wind zu lüften suchte – Selbst in meinen besten Träumen Sah ich nimmer solche Schultern! Wenig fehlte und ich sprang Aus dem Fenster, sie zu küssen! Dieses wär' mir schlecht bekommen, Denn den Hals hätt' ich gebrochen. Ach! sie hätte nur gelacht, Wenn ich unten in dem Abgrund Blutend fiel zu ihren Füßen – Ach! ich kenne solches Lachen! Und das dritte Frauenbild, Das dein Herz so tief bewegte, War es eine Teufelinne, Wie die andern zwo Gestalten? Ob's ein Teufel oder Engel, Weiß ich nicht. Genau bei Weibern Weiß man niemals, wo der Engel Aufhört und der Teufel anfängt. Auf dem gluthenkranken Antlitz Lag des Morgenlandes Zauber, Auch die Kleider mahnten kostbar An Scheherezadens Märchen. Sanfte Lippen, wie Grenaten, Ein gebognes Liljennäschen, Und die Glieder schlank und kühlig Wie die Palme der Oase. Lehnte hoch auf weißem Zelter, Dessen Goldzaum von zwei Mohren Ward geleitet, die zu Fuß An der Fürstin Seite trabten. Wirklich eine Fürstin war sie, War Judäa's Königin, Des Herodes schönes Weib, Die des Täufers Haupt begehrt hat. Dieser Blutschuld halber ward sie Auch vermaledeit; als Nachtspuk Muss sie bis zum jüngsten Tage Reiten mit der wilden Jagd. In den Händen trägt sie immer Jene Schüssel mit dem Haupte Des Johannes, und sie küsst es; Ja, sie küsst das Haupt mit Inbrunst. Denn sie liebte einst Johannem – In der Bibel steht es nicht, Doch im Volke lebt die Sage Von Herodias' blut'ger Liebe – Anders war' ja unerklärlich Das Gelüste jener Dame – Wird ein Weib das Haupt begehren Eines Manns, den sie nicht liebt? War vielleicht ein bischen böse Ans den Liebsten, ließ ihn köpfen; Aber als sie auf der Schüssel Das geliebte Haupt erblickte, Weinte sie und ward verrückt, Und sie starb in Liebeswahnsinn – (Liebeswahnsinn! Pleonasmus! Liebe ist ja schon ein Wahnsinn!) Nächtlich auferstehend trägt sie, Wie gesagt, das blut'ge Haupt In der Hand, auf ihrer Jagdfahrt – Doch mit toller Weiberlaune Schleudert sie das Haupt zuweilen Durch die Lüfte, kindisch lachend, Und sie fängt es sehr behende Wieder auf, wie einen Spielball. Als sie mir vorüberritt, Schaute sie mich an und nickte So kokett zugleich und schmachtend, Da** mein tiefstes Herz erbebte. Dreimal auf und nieder wogend Fuhr der Zug vorbei, und dreimal Im Vorüberreiten grüßte Mich das liebliche Gespenst. Als der Zug bereits erblichen Und verklungen das Getümmel, Loderte mir im Gehirne Immer fort der holde Gruß. Und die ganze Nacht hindurch Wälzte ich die müden Glieder Auf der Streu – denn Federbetten Gab's nicht in Uraka's Hütte – Und ich sann: was mag bedeuten Das geheimnisvolle Nicken? Warum hast du mich so zärtlich Angesehn, Herodias?