Gotthold Ephraim Lessing - Nathan Der Weise - Kapitel 5 lyrics

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Gotthold Ephraim Lessing - Nathan Der Weise - Kapitel 5 lyrics

Fünfter Aufzug Erster Auftritt (Szene: das Zimmer in Saladins Palaste, in welches die Beutel mit Geld getragen worden, die noch zu sehen.) Saladin und bald darauf verschiedne Mamelucken. Saladin (im Hereintreten). Da steht das Geld nun noch! Und niemand weiß Den Derwisch aufzufinden, der vermutlich Ans Schachbrett irgendwo geraten ist, Das ihn wohl seiner selbst vergessen macht; Warum nicht meiner? Nun, Geduld! Was gibt's? Ein Mameluck. Erwünschte Nachricht, Sultan! Freude, Sultan! ... Die Karawane von Kahira kommt, Ist glücklich da! mit siebenjährigem Tribut des reichen Nils. Saladin. Brav, Ibrahim! Du bist mir wahrlich ein willkommner Bote! Ha! endlich einmal! endlich! Habe Dank Der guten Zeitung. Der Mameluck (wartend). (Nun? nur her damit!) Saladin. Was wartst du? Geh nur wieder. Der Mameluck. Dem Willkommnen Sonst nichts? Saladin. Was denn noch sonst? Der Mameluck. Dem guten Boten Kein Botenbrot? So wär' ich ja der erste, Den Saladin mit Worten abzulehnen Doch endlich lernte? Auch ein Ruhm! der erste, Mit dem er knickerte. Saladin. So nimm dir nur Dort einen Beutel. Der Mameluck. Nein, nun nicht! Du kannst Mir sie nun alle schenken wollen. Saladin. Trotz! Komm her! Da hast du zwei. Im Ernst? er geht? Tut mir's an Edelmut zuvor? Denn sicher Muß ihm es saurer werden, auszuschlagen, Als mir zu geben. Ibrahim! Was kommt Mir denn auch ein, so kurz vor meinem Abtritt Auf einmal ganz ein andrer sein zu wollen? Will Saladin als Saladin nicht sterben? So mußt' er auch als Saladin nicht leben. Ein zweiter Mameluck. Nun, Sultan! ... Saladin. Wenn du mir zu melden kommst ... Zweiter Mameluck. Daß aus Ägypten der Transport nun da! Saladin. Ich weiß schon. Zweiter Mameluck. Kam ich doch zu spät! Saladin. Warum Zu spät? Da nimm für deinen guten Willen Der Beutel einen oder zwei. Zweiter Mameluck. Macht drei! Saladin. Ja, wenn du rechnen kannst! So nimm sie nur. Zweiter Mameluck. Es wird wohl noch ein Dritter kommen, wenn Er anders kommen kann. Saladin. Wie das? Zweiter Mameluck. Je nu; Er hat auch wohl den Hals gebrochen! Denn Sobald wir drei der Ankunft des Transports Versichert waren, sprengte jeder frisch Davon. Der Vorderste, der stürzt'; und so Komm ich nun vor, und bleib auch vor bis in Die Stadt; wo aber Ibrahim, der Lecker Die Ga**en besser kennt. Saladin. Oh, der gestürzte! Freund, der gestürzte! Reit ihm doch entgegen. Zweiter Mameluck. Das werd ich ja wohl tun! Und wenn er lebt: So ist die Hälfte dieser Beutel sein. (Geht ab.) Saladin. Sieh, welch ein guter, edler Kerl auch das! Wer kann sich solcher Mamelucken rühmen? Und wär' mir denn zu denken nicht erlaubt, Daß sie mein Beispiel bilden helfen? Fort Mit dem Gedanken, sie zu guter Letzt Noch an ein anders zu gewöhnen! ... Ein dritter Mameluck. Sultan.... Saladin. Bist du's, der stürzte? Dritter Mameluck. Nein. Ich melde nur, Daß Emir Mansor, der die Karawane Geführt, vom Pferde steigt ... Saladin. Bring ihn! geschwind! Da ist er ja! Zweiter Auftritt Emir Mansor und Saladin. Saladin. Willkommen, Emir! Nun, Wie ist's gegangen? Mansor, Mansor, hast Uns lange warten la**en! Mansor. Dieser Brief Berichtet, was dein Abulka**em erst Für Unruh' in Thebais dämpfen müssen: Eh, wir es wagen durften abzugehen. Den Zug darauf hab ich beschleuniget Soviel, wie möglich war. Saladin. Ich glaube dir! Und nimm nur, guter Mansor, nimm sogleich ... Du tust es aber doch auch gern? ... nimm frische Bedeckung nur sogleich. Du mußt sogleich Noch weiter; mußt der Gelder größern Teil Auf Libanon zum Vater bringen. Mansor. Gern! Sehr gern! Saladin. Und nimm dir die Bedeckung ja Nur nicht zu schwach. Es ist um Libanon Nicht alles mehr so sicher. Hast du nicht Gehört? Die Tempelherrn sind wieder rege. Sei wohl auf deiner Hut! Komm nur! Wo hält Der Zug? Ich will ihn sehn; und alles selbst Betreiben. Ihr! ich bin sodann bei Sittah. Dritter Auftritt Szene: die Palmen vor Nathans Hause, wo der Tempelherr auf- und niedergeht. Ins Haus nun will ich einmal nicht. – Er wird Sich endlich doch wohl sehen la**en! Man Bemerkte mich ja sonst so bald, so gern! Will's noch erleben, daß er sich's verbittet, Vor seinem Hause mich so fleißig finden Zu la**en. Hm! ich bin doch aber auch Sehr ärgerlich. Was hat mich denn nun so Erbittert gegen ihn? Er sagte ja: Noch schlüg' er mir nichts ab. Und Saladin Hat's über sich genommen, ihn zu stimmen. Wie? sollte wirklich wohl in mir der Christ Noch tiefer nisten, als in ihm der Jude? Wer kennt sich recht? Wie könnt' ich ihm denn sonst Den kleinen Raub nicht gönnen wollen, den Er sich's zu solcher Angelegenheit Gemacht, den Christen abzujagen? Freilich; Kein kleiner Raub, ein solch Geschöpf! Geschöpf? Und wessen? Doch des Sklaven nicht, der auf Des Lebens öden Strand den Block geflößt, Und sich davongemacht? Des Künstlers doch Wohl mehr, der in dem hingeworfnen Blocke Die göttliche Gestalt sich dachte, die Er dargestellt? Ach! Rechas wahrer Vater Bleibt, trotz dem Christen, der sie zeugte, bleibt In Ewigkeit der Jude. Wenn ich mir Sie lediglich als Christendirne denke, Sie sonder alles das mir denke, was Allein ihr so ein Jude geben konnte: Sprich, Herz, was wär' an ihr, das dir gefiel? Nichts! Wenig! Selbst ihr Lächeln, wär' es nichts Als sanfte schöne Zuckung ihrer Muskeln; Wär', was sie lächeln macht, des Reizes unwert, In den es sich auf ihrem Munde kleidet: Nein; selbst ihr Lächeln nicht! Ich hab es ja Wohl schöner noch an Aberwitz, an Tand, An Höhnerei, an Schmeichler und an Buhler Verschwenden sehn! Hat's da mich auch bezaubert? Hat's da mir auch den Wunsch entlockt, mein Leben In seinem Sonnenscheine zu verflattern? Ich wüßte nicht. Und bin auf den doch launisch, Der diesen höhern Wert allein ihr gab? Wie das? warum? Wenn ich den Spott verdiente, Mit dem mich Saladin entließ! Schon schlimm Genug, daß Saladin es glauben konnte! Wie klein ich ihm da scheinen mußte! wie Verächtlich! Und das alles um ein Mädchen? Curd! Curd! das geht so nicht. Lenk ein! Wenn vollends Mir Daja nur was vorgeplaudert hätte, Was schwerlich zu erweisen stünde? Sieh, Da tritt er endlich, im Gespräch vertieft, Aus seinem Hause! Ha! mit wem! Mit ihm? Mit meinem Klosterbruder? Ha! so weiß Er sicherlich schon alles! ist wohl gar Dem Patriarchen schon verraten! Ha! Was hab ich Querkopf nun gestiftet! Daß Ein einz'ger Funken dieser Leidenschaft Doch unsers Hirns so viel verbrennen kann! Geschwind entschließ dich, was nunmehr zu tun! Ich will hier seitwärts ihrer warten; ob Vielleicht der Klosterbruder ihn verläßt. Vierter Auftritt Nathan und der Klosterbruder. Nathan (im Näherkommen). Habt nochmals, guter Bruder, vielen Dank! Klosterbruder. Und Ihr desgleichen! Nathan. Ich? von Euch? wofür? Für meinen Eigensinn, Euch aufzudrängen, Was Ihr nicht braucht? Ja, wenn ihm Eurer nur Auch nachgegeben hätt'; Ihr mit Gewalt Nicht wolltet reicher sein, als ich. Klosterbruder. Das Buch Gehört ja ohnedem nicht mir; gehört Ja ohnedem der Tochter; ist ja so Der Tochter ganzes väterliches Erbe. Je nu, sie hat ja Euch. Gott gebe nur, Daß Ihr es nie bereuen dürft, so viel Für sie getan zu haben! Nathan. Kann ich das? Das kann ich nie. Seid unbesorgt! Klosterbruder. Nu, nu! Die Patriarchen und die Tempelherren ... Nathan. Vermögen mir des Bösen nie so viel Zu tun, daß irgend was mich reuen könnte: Geschweige, das! Und seid Ihr denn so ganz Versichert, daß ein Tempelherr es ist, Der Euern Patriarchen hetzt? Klosterbruder. Es kann Beinah kein andrer sein. Ein Tempelherr Sprach kurz vorher mit ihm; und was ich hörte, Das klang darnach. Nathan. Es ist doch aber nur Ein einziger itzt in Jerusalem. Und diesen kenn ich. Dieser ist mein Freund. Ein junger, edler, offner Mann! Klosterbruder. Ganz recht; Der nämliche! Doch was man ist, und was Man sein muß in der Welt, das paßt ja wohl Nicht immer. Nathan. Leider nicht. So tue, wer's Auch immer ist, sein Schlimmstes oder Bestes! Mit Euerm Buche, Bruder, trotz ich allen; Und gehe graden Wegs damit zum Sultan. Klosterbruder. Viel Glücks! Ich will Euch denn nur hier verla**en. Nathan. Und habt sie nicht einmal gesehn? Kommt ja Doch bald, doch fleißig wieder. Wenn nur heut Der Patriarch noch nichts erfährt! Doch was? Sagt ihm auch heute, was Ihr wollt. Klosterbruder. Ich nicht. Lebt wohl! (Geht ab.) Nathan. Vergeßt uns ja nicht, Bruder! Gott! Daß ich nicht hier gleich unter freiem Himmel Auf meine Kniee sinken kann! Wie sich Der Knoten, der so oft mir bange machte, Nun von sich selber löset! Gott! wie leicht Mir wird, daß ich nun weiter auf der Welt Nichts zu verbergen habe! daß ich vor Den Menschen nun so frei kann wandeln, als Vor dir, der du allein den Menschen nicht Nach seinen Taten brauchst zu richten, die So selten seine Taten sind, o Gott! Fünfter Auftritt Nathan und der Tempelherr, der von der Seite auf ihn zukommt. Tempelherr. He! wartet, Nathan; nehmt mich mit! Nathan. Wer ruft? Seid Ihr es, Ritter? Wo gewesen, daß Ihr bei dem Sultan Euch nicht treffen la**en? Tempelherr. Wir sind einander fehlgegangen. Nehmt's Nicht übel. Nathan. Ich nicht; aber Saladin ... Tempelherr. Ihr wart nur eben fort ... Nathan. Und spracht ihn doch? Nun, so ist's gut. Tempelherr. Er will uns aber beide Zusammen sprechen. Nathan. Desto besser. Kommt Nur mit. Mein Gang stand ohnehin zu ihm. Tempelherr. Ich darf ja doch wohl fragen, Nathan, wer Euch da verließ? Nathan. Ihr kennt ihn doch wohl nicht? Tempelherr. War's nicht die gute Haut, der Laienbruder, Des sich der Patriarch so gern zum Stöber Bedient? Nathan. Kann sein! Beim Patriarchen ist Er allerdings. Tempelherr. Der Pfiff ist gar nicht übel: Die Einfalt vor der Schurkerei voraus- Zuschicken. Nathan. Ja, die dumme; nicht die fromme. Tempelherr. An fromme glaubt kein Patriarch. Nathan. Für den Nun steh ich. Der wird seinem Patriarchen Nichts Ungebührliches vollziehen helfen. Tempelherr. So stellt er wenigstens sich an. Doch hat Er Euch von mir denn nichts gesagt? Nathan. Von Euch? Von Euch nun namentlich wohl nichts. Er weiß Ja wohl auch schwerlich Euern Namen? Tempelherr. Schwerlich. Nathan. Von einem Tempelherren freilich hat Er mir gesagt ... Tempelherr. Und was? Nathan. Womit er Euch Doch ein für allemal nicht meinen kann! Tempelherr. Wer weiß? Laßt doch nur hören. Nathan. Daß mich einer Bei seinem Patriarchen angeklagt ... Tempelherr. Euch angeklagt? Das ist, mit seiner Gunst Erlogen. Hört mich, Nathan! Ich bin nicht Der Mensch, der irgend etwas abzuleugnen Imstande wäre. Was ich tat, das tat ich! Doch bin ich auch nicht der, der alles, was Er tat, als wohlgetan verteid'gen möchte. Was sollt' ich eines Fehls mich schämen? Hab Ich nicht den festen Vorsatz ihn zu bessern? Und weiß ich etwa nicht, wie weit mit dem Es Menschen bringen können? Hört mich, Nathan! Ich bin des Laienbruders Tempelherr, Der Euch verklagt soll haben, allerdings. Ihr wißt ja, was mich wurmisch machte! was Mein Blut in allen Adern sieden machte! Ich Gauch! ich kam, so ganz mit Leib und Seel' Euch in die Arme mich zu werfen. Wie Ihr mich empfingt -wie kalt wie lau denn lau Ist schlimmer noch als kalt; wie abgemessen Mir auszubeugen Ihr beflissen wart; Mit welchen aus der Luft gegriffnen Fragen Ihr Antwort mir zu geben scheinen wolltet: Das darf ich kaum mir itzt noch denken, wenn Ich soll gela**en bleiben. Hört mich, Nathan! In dieser Gärung schlich mir Daja nach, Und warf mir ihr Geheimnis an den Kopf Das mir den Aufschluß Euers rätselhaften Betragens zu enthalten schien. Nathan. Wie das? Tempelherr. Hört mich nur aus! Ich bildete mir ein, Ihr wolltet, was Ihr einmal nun den Christen So abgejagt, an einen Christen wieder Nicht gern verlieren. Und so fiel mir ein, Euch kurz und gut das Messer an die Kehle Zu setzen. Nathan. Kurz und gut? und gut? Wo steckt Das Gute? Tempelherr. Hört mich, Nathan! Allerdings: Ich tat nicht recht! Ihr seid wohl gar nicht schuldig. Die Närrin Daja weiß nicht was sie spricht Ist Euch gehässig sucht Euch nur damit In einen bösen Handel zu verwickeln Kann sein! kann sein! Ich bin ein junger Laffe, Der immer nur an beiden Enden schwärmt; Bald viel zuviel, bald viel zuwenig tut Auch das kann sein! Verzeiht mir, Nathan. Nathan. Wenn Ihr so mich freilich fa**et Tempelherr. Kurz, ich ging Zum Patriarchen! hab Euch aber nicht Genannt. Das ist erlogen, wie gesagt! Ich hab ihm bloß den Fall ganz allgemein Erzählt, um seine Meinung zu vernehmen. Auch das hätt' unterbleiben können: ja doch! Denn kannt' ich nicht den Patriarchen schon Als einen Schurken? Konnt' ich Euch nicht selber Nur gleich zur Rede stellen? Mußt' ich der Gefahr, so einen Vater zu verlieren, Das arme Mädchen opfern? Nun, was tut's? Die Schurkerei des Patriarchen, die So ähnlich immer sich erhält, hat mich Des nächsten Weges wieder zu mir selbst Gebracht. Denn hört mich, Nathan; hört mich aus! Gesetzt; er wüßt' auch Euern Namen: was Nun mehr, was mehr? Er kann Euch ja das Mädchen Nur nehmen, wenn sie niemands ist, als Euer. Er kann sie doch aus Euerm Hause nur Ins Kloster schleppen. Also gebt sie mir! Gebt sie nur mir; und laßt ihn kommen. Ha! Er soll's wohl bleibenla**en, mir mein Weib Zu nehmen. Gebt sie mir; geschwind! Sie sei Nun Eure Tochter, oder sei es nicht! Sei Christin, oder Jüdin, oder keines! Gleichviel! gleichviel! Ich werd Euch weder itzt Noch jemals sonst in meinem ganzen Leben Darum befragen. Sei, wie's sei! Nathan. Ihr wähnt Wohl gar, daß mir die Wahrheit zu verbergen Sehr nötig? Tempelherr. Sei, wie's sei! Nathan. Ich hab es ja Euch oder wem es sonst zu wissen ziemt Noch nicht geleugnet, daß sie eine Christin, Und nichts als meine Pflegetochter ist. Warum ich's aber ihr noch nicht entdeckt? Darüber brauch ich nur bei ihr mich zu Entschuldigen. Tempelherr. Das sollt Ihr auch bei ihr Nicht brauchen. Gönnt's ihr doch, daß sie Euch nie Mit andern Augen darf betrachten! Spart Ihr die Entdeckung doch! Noch habt Ihr ja, Ihr ganz allein, mit ihr zu schalten. Gebt Sie mir! Ich bitt Euch, Nathan; gebt sie mir! Ich bin's allein, der sie zum zweiten Male Euch retten kann und will. Nathan. Ja konnte! konnte! Nun auch nicht mehr. Es ist damit zu spät. Tempelherr. Wieso? zu spät? Nathan. Dank sei dem Patriarchen ... Tempelherr. Dem Patriarchen? Dank? ihm Dank? wofür? Dank hätte der bei uns verdienen wollen? Wofür? wofür? Nathan. Daß wir nun wissen, wem Sie unverwandt; nun wissen, wessen Händen Sie sicher ausgeliefert werden kann. Tempelherr. Das dank' ihm wer für mehr ihm danken wird! Nathan. Aus diesen müßt Ihr sie nun auch erhalten; Und nicht aus meinen. Tempelherr. Arme Recha! Was Dir alles zustößt, arme Recha! Was Ein Glück für andre Waisen wäre, wird Dein Unglück! Nathan! Und wo sind sie, diese Verwandte? Nathan. Wo sie sind? Tempelherr. Und wer sie sind? Nathan. Besonders hat ein Bruder sich gefunden, Bei dem Ihr um sie werben müßt. Tempelherr. Ein Bruder? Was ist er, dieser Bruder? Ein Soldat? Ein Geistlicher? Laßt hören, was ich mir Versprechen darf. Nathan. Ich glaube, daß er keines Von beiden oder beides ist. Ich kenn Ihn noch nicht recht. Tempelherr. Und sonst? Nathan. Ein braver Mann Bei dem sich Recha gar nicht übel wird Befinden. Tempelherr. Doch ein Christ! Ich weiß zuzeiten Auch gar nicht, was ich von Euch denken soll: Nehmt mir's nicht ungut, Nathan. Wird sie nicht Die Christin spielen müssen, unter Christen? Und wird sie, was sie lange g'nug gespielt, Nicht endlich werden? Wird den lautern Weizen, Den Ihr gesät, das Unkraut endlich nicht Ersticken? Und das kümmert Euch so wenig? Dem ungeachtet könnt Ihr sagen Ihr? Daß sie bei ihrem Bruder sich nicht übel Befinden werde? Nathan. Denk ich! hoff ich! Wenn Ihr ja bei ihm was mangeln sollte, hat Sie Euch und mich denn nicht noch immer? Tempelherr. Oh! Was wird bei ihm ihr mangeln können! Wird Das Brüderchen mit Essen und mit Kleidung, Mit Naschwerk und mit Putz, das Schwesterchen Nicht reichlich g'nug versorgen? Und was braucht Ein Schwesterchen denn mehr? Ei freilich: auch Noch einen Mann! Nun, nun, auch den, auch den Wird ihr das Brüderchen zu seiner Zeit Schon schaffen; wie er immer nur zu finden! Der Christlichste der Beste! Nathan, Nathan! Welch einen Engel hattet Ihr gebildet, Den Euch nun andre so verhunzen werden! Nathan. Hat keine Not! Er wird sich unsrer Liebe Noch immer wert genug behaupten. Tempelherr. Sagt Das nicht! Von meiner Liebe sagt das nicht! Denn die läßt nichts sich unterschlagen; nichts. Es sei auch noch so klein! Auch keinen Namen! Doch halt! Argwohnt sie wohl bereits, was mit Ihr vorgeht? Nathan. Möglich; ob ich schon nicht wüßte, Woher? Tempelherr. Auch eben viel; sie soll sie muß In beiden Fällen, was ihr Schicksal droht, Von mir zuerst erfahren. Mein Gedanke, Sie eher wieder nicht zu sehn, zu sprechen, Als bis ich sie die Meine nennen dürfe, Fällt weg. Ich eile ... Nathan. Bleibt! wohin? Tempelherr. Zu ihr! Zu sehn, ob diese Mädchenseele Manns genug Wohl ist, den einzigen Entschluß zu fa**en, Der ihrer würdig wäre! Nathan. Welchen? Tempelherr. Den: Nach Euch und ihrem Bruder weiter nicht Zu fragen Nathan. Und? Tempelherr. Und mir zu folgen; wenn Sie drüber eines Muselmannes Frau Auch werden müßte. Nathan. Bleibt! Ihr trefft sie nicht. Sie ist bei Sittah, bei des Sultans Schwester. Tempelherr. Seit wenn? warum? Nathan. Und wollt Ihr da bei ihnen Zugleich den Bruder finden: kommt nur mit. Tempelherr. Den Bruder? welchen? Sittahs oder Rechas? Nathan. Leicht beide. Kommt nur mit! Ich bitt Euch, kommt! (Er führt ihn fort.) Sechster Auftritt (Szene: in Sittahs Harem.) Sittah und Recha in Unterhaltung begriffen. Sittah. Was freu ich mich nicht deiner, süßes Mädchen! Sei so beklemmt nur nicht! so angst! so schüchtern! Sei munter! sei gesprächiger! vertrauter! Recha. Prinzessin.... Sittah. Nicht doch! nicht Prinzessin! Nenn Mich Sittah, deine Freundin, deine Schwester. Nenn mich dein Mütterchen! Ich könnte das Ja schier auch sein. So jung! so klug! so fromm! Was du nicht alles weißt! nicht alles mußt Gelesen haben! Recha. Ich gelesen? Sittah, Du spottest deiner kleinen albern Schwester. Ich kann kaum lesen. Sittah. Kannst kaum, Lügnerin! Recha. Ein wenig meines Vaters Hand! Ich meinte, Du sprächst von Büchern. Sittah. Allerdings! von Büchern. Recha. Nun, Bücher wird mir wahrlich schwer zu lesen! Sittah. Im Ernst? Recha. In ganzem Ernst. Mein Vater liebt Die kalte Buchgelehrsamkeit, die sich Mit toten Zeichen ins Gehirn nur drückt, Zu wenig. Sittah. Ei, was sagst du! Hat indes Wohl nicht sehr unrecht! Und so manches, was Du weißt ... ? Recha. Weiß ich allein aus seinem Munde Und könnte bei dem meisten dir noch sagen, Wie? wo? warum? er mich's gelehrt. Sittah. So hängt Sich freilich alles besser an. So lernt Mit eins die ganze Seele. Recha. Sicher hat Auch Sittah wenig oder nichts gelesen! Sittah. Wieso? Ich bin nicht stolz aufs Gegenteil. Allein wieso? Dein Grund! Sprich dreist. Dein Grund? Recha. Sie ist so schlecht und recht; so unverkünstelt; So ganz sich selbst nur ähnlich ... Sittah. Nun? Recha. Das sollen Die Bücher uns nur selten la**en! sagt Mein Vater. Sittah. O was ist dein Vater für Ein Mann! Recha. Nicht wahr? Sittah. Wie nah er immer doch Zum Ziele trifft! Recha. Nicht wahr? Und diesen Vater Sittah. Was ist dir, Liebe? Recha. Diesen Vater Sittah. Gott! Du weinst? Recha. Und diesen Vater Ah! es muß Heraus! Mein Herz will Luft, will Luft ... (Wirft sich, von Tränen überwältiget, zu ihren Füßen.) Sittah. Kind, was Geschieht dir? Recha? Recha. Diesen Vater soll Soll ich verlieren! Sittah. Du? verlieren? ihn? Wie das? Sei ruhig! Nimmermehr! Steh auf! Recha. Du sollst vergebens dich zu meiner Freundin, Zu meiner Schwester nicht erboten haben! Sittah. Ich bin's ja! bin's! Steh doch nur auf! Ich muß Sonst Hilfe rufen. Recha (die sich ermannt und aufsteht). Ah! verzeih! vergib! Mein Schmerz hat mich vergessen machen, wer Du bist. Vor Sittah gilt kein Winseln, kein Verzweifeln. Kalte, ruhige Vernunft Will alles über sie allein vermögen. Wes Sache diese bei ihr führt, der siegt! Sittah. Nun dann? Recha. Nein; meine Freundin, meine Schwester Gibt das nicht zu! Gibt nimmer zu, daß mir Ein andrer Vater aufgedrungen werde! Sittah. Ein andrer Vater? aufgedrungen? dir? Wer kann das? kann das auch nur wollen, Liebe? Recha. Wer? Meine gute böse Daja kann Das wollen, will das können. ja; du kennst Wohl diese gute böse Daja nicht? Nun, Gott vergeb' es ihr! belohn' es ihr! Sie hat mir so viel Gutes, so viel Böses Erwiesen! Sittah. Böses dir? So muß sie Gutes Doch wahrlich wenig haben. Recha. Doch! recht viel, Recht viel! Sittah. Wer ist sie? Recha. Eine Christin, die In meiner Kindheit mich gepflegt; mich so Gepflegt! Du glaubst nicht! Die mir eine Mutter So wenig missen la**en! Gott vergelt' Es ihr! Die aber mich auch so geängstet! Mich so gequält! Sittah. Und über was? warum? Wie? Recha. Ach! die arme Frau ich sag dir's ja Ist eine Christin; muß aus Liebe quälen; Ist eine von den Schwärmerinnen, die Den allgemeinen, einzig wahren Weg Nach Gott zu wissen wähnen! Sittah. Nun versteh ich! Recha. Und sich gedrungen fühlen, einen jeden, Der dieses Wegs verfehlt, darauf zu lenken. Kaum können sie auch anders. Denn ist's wahr, Daß dieser Weg allein nur richtig führt: Wie sollen sie gela**en ihre Freunde Auf einem andern wandeln sehn, der ins Verderben stürzt, ins ewige Verderben? Es müßte möglich sein, denselben Menschen Zur selben Zeit zu lieben und zu ha**en. Auch ist's das nicht, was endlich laute Klagen Mich über sie zu führen zwingt. Ihr Seufzen, Ihr Warnen, ihr Gebet, ihr Drohen hätt' Ich gern noch länger ausgehalten; gern! Es brachte mich doch immer auf Gedanken, Die gut und nützlich. Und wem schmeichelt's doch Im Grunde nicht, sich gar so wert und teuer, Von wem's auch sei, gehalten fühlen, daß Er den Gedanken nicht ertragen kann, Er müss' einmal auf ewig uns entbehren! Sittah. Sehr wahr! Recha. Allein allein das geht zu weit! Dem kann ich nichts entgegensetzen; nicht Geduld, nicht Überlegung; nichts! Sittah. Was? wem? Recha. Was sie mir eben itzt entdeckt will haben. Sittah. Entdeckt? und eben itzt? Recha. Nur eben itzt! Wir nahten, auf dem Weg hierher, uns einem Verfallnen Christentempel. Plötzlich stand Sie still; schien mit sich selbst zu kämpfen; blickte Mit na**en Augen bald gen Himmel, bald Auf mich. Komm, sprach sie endlich, laß uns hier Durch diesen Tempel in die Richte gehn! Sie geht; ich folg ihr, und mein Auge schweift Mit Graus die wa*kenden Ruinen durch. Nun steht sie wieder; und ich sehe mich An den versunknen Stufen eines morschen Altars mit ihr. Wie ward mir? als sie da Mit heißen Tränen, mit gerungnen Händen Zu meinen Füßen stürzte ... Sittah. Gutes Kind! Recha. Und bei der Göttlichen, die da wohl sonst So manch Gebet erhört, so manches Wunder Verrichtet habe, mich beschwor; mit Blicken Des wahren Mitleids mich beschwor, mich meiner Doch zu erbarmen! Wenigstens, ihr zu Vergeben, wenn sie mir entdecken müsse, Was ihre Kirch' auf mich für Anspruch habe. Sittah. (Unglückliche! Es ahnte mir!) Recha. Ich sei Aus christlichem Geblüte; sei getauft; Sei Nathans Tochter nicht; er nicht mein Vater! Gott! Gott! Er nicht mein Vater! Sittah! Sittah! Sieh mich aufs neu' zu deinen Füßen ... Sittah. Recha! Nicht doch! steh auf! Mein Bruder kömmt! steh auf! Siebenter Auftritt Saladin und die Vorigen. Saladin. Was gibt's hier, Sittah? Sittah. Sie ist von sich! Gott! Saladin. Wer ist's? Sittah. Du weißt ja ... Saladin. Unsers Nathans Tochter? Was fehlt ihr? Sittah. Komm doch zu dir, Kind! Der Sultan ... Recha (die sich auf den Knien zu Saladins Füßen schleppt, den Kopf zur Erde gesenkt). Ich steh nicht auf! nicht eher auf! mag eher Des Sultans Antlitz nicht erblicken! eher Den Abglanz ewiger Gerechtigkeit Und Güte nicht in seinen Augen, nicht Auf seiner Stirn bewundern... Saladin. Steh ... steh auf! Recha. Eh' er mir nicht verspricht... Saladin. Komm! ich verspreche ... Sei was es will! Recha. Nicht mehr, nicht weniger, Als meinen Vater mir zu la**en; und Mich ihm! Noch weiß ich nicht, wer sonst mein Vater Zu sein verlangt; verlangen kann. Will's auch Nicht wissen. Aber macht denn nur das Blut Den Vater? nur das Blut? Saladin (der sie aufhebt). Ich merke wohl! Wer war so grausam denn, dir selbst dir selbst Dergleichen in den Kopf zu setzen? Ist Es denn schon völlig ausgemacht? erwiesen? Recha. Muß wohl! Denn Daja will von meiner Amm' Es haben. Saladin. Deiner Amme! Recha. Die es sterbend Ihr zu vertrauen sich verbunden fühlte. Saladin. Gar sterbend! Nicht auch faselnd schon? Und wär's Auch wahr! Jawohl: das Blut, das Blut allein Macht lange noch den Vater nicht! macht kaum Den Vater eines Tieres! gibt zum höchsten Das erste Recht, sich diesen Namen zu Erwerben! Laß dir doch nicht bange sein! Und weißt du was? Sobald der Väter zwei Sich um dich streiten: laß sie beide; nimm Den dritten! Nimm dann mich zu deinem Vater! Sittah. O tu's! o tu's! Saladin. Ich will ein guter Vater, Recht guter Vater sein! Doch halt! mir fällt Noch viel was Bessers bei. Was brauchst du denn Der Väter überhaupt? Wenn sie nun sterben? Beizeiten sich nach einem umgesehn, Der mit uns um die Wette leben will! Kennst du noch keinen? ... Sittah. Mach sie nicht erröten! Saladin. Das hab ich allerdings mir vorgesetzt. Erröten macht die Häßlichen so schön: Und sollte Schöne nicht noch schöner machen? Ich habe deinen Vater Nathan; und Noch einen einen noch hierher bestellt. Errätst du ihn? Hierher! Du wirst mir doch Erlauben, Sittah? Sittah. Bruder! Saladin. Daß du ja Vor ihm recht sehr errötest, liebes Mädchen! Recha. Vor wem? erröten? ... Saladin. Kleine Heuchlerin! Nun, so erbla**e lieber! Wie du willst Und kannst! (Eine Sklavin tritt herein und nahet sich Sittah.) Sie sind doch etwa nicht schon da? Sittah (zur Sklavin). Gut! laß sie nur herein. Sie sind es, Bruder! Letzter Auftritt Nathan und der Tempelherr zu den Vorigen. Saladin. Ah, meine guten lieben Freunde! Dich, Dich, Nathan, muß ich nur vor allen Dingen Bedeuten, daß du nun, sobald du willst, Dein Geld kannst wieder holen la**en! Nathan. Sultan! Saladin. Nun steh ich auch zu deinen Diensten Nathan. Sultan! Saladin. Die Karawan' ist da. Ich bin so reich Nun wieder, als ich lange nicht gewesen. Komm, sag mir, was du brauchst, so recht was Großes Zu unternehmen! Denn auch ihr, auch ihr, Ihr Handelsleute, könnt des baren Geldes Zuviel nie haben! Nathan. Und warum zuerst Von dieser Kleinigkeit? Ich sehe dort Ein Aug' in Tränen, das zu trocknen, mir Weit angelegner ist. (Geht auf Recha zu.) Du hast geweint? Was fehlt dir? bist doch meine Tochter noch? Recha. Mein Vater! ... Nathan. Wir verstehen uns. Genug! Sei heiter! Sei gefaßt! Wenn sonst dein Herz Nur dein noch ist! Wenn deinem Herzen sonst Nur kein Verlust nicht droht! Dein Vater ist Dir unverloren! Recha. Keiner, keiner sonst! Tempelherr. Sonst keiner? Nun! so hab ich mich betrogen. Was man nicht zu verlieren fürchtet, hat Man zu besitzen nie geglaubt, und nie Gewünscht. Recht wohl! recht wohl! Das ändert, Nathan, Das ändert alles! Saladin, wir kamen Auf dein Geheiß. Allein, ich hatte dich Verleitet; itzt bemüh dich nur nicht weiter! Saladin. Wie gach nun wieder, junger Mann! Soll alles Dir denn entgegenkommen? Alles dich Erraten? Tempelherr. Nun du hörst ja! siehst ja, Sultan! Saladin. Ei wahrlich! Schlimm genug, daß deiner Sache Du nicht gewisser warst! Tempelherr. So bin ich's nun. Saladin. Wer so auf irgendeine Wohltat trotzt, Nimmt sie zurück. Was du gerettet, ist Deswegen nicht dein Eigentum. Sonst wär' Der Räuber, den sein Geiz ins Feuer jagt, So gut ein Held wie du! (Auf Recha zugehend, um sie dem Tempelherrn zuzuführen.) Komm, liebes Mädchen, Komm! Nimm's mit ihm nicht so genau. Denn wär' Er anders; wär' er minder warm und stolz: Er hätt' es bleibenla**en, dich zu retten. Du mußt ihm eins fürs andre rechnen. Komm! Beschäm ihn! tu, was ihm zu tun geziemte! Bekenn ihm deine Liebe! trage dich ihm an! Und wenn er dich verschmäht; dir's je vergißt, Wie ungleich mehr in diesem Schritte du Für ihn getan, als er für dich ... Was hat Er denn für dich getan? Ein wenig sich Beräuchern la**en! ist was Rechts! so hat Er meines Bruders, meines Assad, nichts! So trägt er seine Larve, nicht sein Herz. Komm, Liebe ... Sittah. Geh! geh, Liebe, geh! Es ist Für deine Dankbarkeit noch immer wenig; Noch immer nichts. Nathan. Halt Saladin! halt Sittah! Saladin. Auch du? Nathan. Hier hat noch einer mitzusprechen... Saladin. Wer leugnet das? Unstreitig, Nathan, kömmt So einem Pflegevater eine Stimme Mit zu! Die erste, wenn du willst. Du hörst, Ich weiß der Sache ganze Lage. Nathan. Nicht so ganz! Ich rede nicht von mir. Es ist ein andrer; Weit, weit ein andrer, den ich, Saladin, Doch auch vorher zu hören bitte. Saladin. Wer? Nathan. Ihr Bruder! Saladin. Rechas Bruder? Nathan. Ja! Recha. Mein Bruder? So hab ich einen Bruder? Tempelherr (aus seiner wilden, stummen Zerstreuung auffahrend). Wo? wo ist Er, dieser Bruder? Noch nicht hier? Ich sollt' Ihn hier ja treffen. Nathan. Nur Geduld! Tempelherr (äußerst bitter). Er hat Ihr einen Vater aufgebunden: wird Er keinen Bruder für sie finden? Saladin. Das Hat noch gefehlt! Christ! ein so niedriger Verdacht wär' über Assads Lippen nicht Gekommen. Gut! fahr nur so fort! Nathan. Verzeih Ihm! Ich verzeih ihm gern. Wer weiß, was wir An seiner Stell', in seinem Alter dächten! (Freundschaftlich auf ihn zugehend.) Natürlich, Ritter! Argwohn folgt auf Mißtraun! Wenn Ihr mich Eures wahren Namens gleich Gewürdigt hättet ... Tempelherr. Wie? Nathan. Ihr seid kein Stauffen! Tempelherr. Wer bin ich denn? Nathan. Heißt Curd von Stauffen nicht! Tempelherr. Wie heiß ich denn? Nathan. Heißt Leu von Filnek. Tempelherr. Wie? Nathan. Ihr stutzt? Tempelherr. Mit Recht! Wer sagt das? Nathan. Ich; der mehr, Noch mehr Euch sagen kann. Ich straf indes Euch keiner Lüge. Tempelherr. Nicht? Nathan. Kann doch wohl sein, Daß jener Nam' Euch ebenfalls gebührt. Tempelherr. Das sollt' ich meinen! (Das hieß Gott ihn sprechen!) Nathan. Denn Eure Mutter die war eine Stauffin. Ihr Bruder, Euer Ohm, der Euch erzogen, Dem Eure Eltern Euch in Deutschland ließen, Als, von dem rauhen Himmel dort vertrieben, Sie wieder hierzulande kamen: Der Hieß Curd von Stauffen; mag an Kindes Statt Vielleicht Euch angenommen haben! Seid Ihr lange schon mit ihm nun auch herüber- Gekommen? Und er lebt doch noch? Tempelherr. Was soll Ich sagen? Nathan! Allerdings! So ist's! Er selbst ist tot. Ich kam erst mit der letzten Verstärkung unsers Ordens. Aber, aber Was hat mit diesem allen Rechas Bruder Zu schaffen? Nathan. Euer Vater ... Tempelherr. Wie? auch den Habt Ihr gekannt? Auch den? Nathan. Er war mein Freund. Tempelherr. War Euer Freund? Ist's möglich, Nathan! ... Nathan. Nannte Sich Wolf von Filnek; aber war kein Deutscher ... Tempelherr. Ihr wißt auch das? Nathan. War einer Deutschen nur Vermählt; war Eurer Mutter nur nach Deutschland Auf kurze Zeit gefolgt ... Tempelherr. Nicht mehr! Ich bitt Euch! Aber Rechas Bruder? Rechas Bruder ... Nathan. Seid Ihr! Tempelherr. Ich? ich ihr Bruder? Recha. Er mein Bruder? Sittah. Geschwister! Saladin. Sie Geschwister! Recha (will auf ihn zu). Ah! mein Bruder! Tempelherr (tritt zurück). Ihr Bruder! Recha (hält an, und wendet sich zu Nathan). Kann nicht sein! nicht sein! Sein Herz Weiß nichts davon! Wir sind Betrüger! Gott! Saladin (zum Tempelherrn). Betrüger? wie? Das denkst du? kannst du denken? Betrüger selbst! Denn alles ist erlogen An dir: Gesicht und Stimm' und Gang! Nichts dein! So eine Schwester nicht erkennen wollen! Geh! Tempelherr (sich demütig ihm nahend). Mißdeut auch du nicht mein Erstaunen, Sultan! Verkenn in einem Augenblick', in dem Du schwerlich deinen Assad je gesehen, Nicht ihn und mich! (Auf Nathan zueilend.) Ihr nehmt und gebt mir, Nathan! Mit vollen Händen beides! Nein! Ihr gebt Mir mehr, als Ihr mir nehmt! unendlich mehr! (Recha um den Hals fallend.) Ah! meine Schwester! meine Schwester! Nathan. Blanda Von Filnek. Tempelherr. Blanda? Blanda? Recha nicht? Nicht Eure Recha mehr? Gott! Ihr verstoßt Sie! gebt ihr ihren Christennamen wieder! Verstoßt sie meinetwegen! Nathan! Nathan! Warum es sie entgelten la**en? sie! Nathan. Und was? O meine Kinder! meine Kinder! Denn meiner Tochter Bruder wär' mein Kind Nicht auch, sobald er will? (Indem er sich ihren Umarmungen überläßt, tritt Saladin mit unruhigem Erstaunen zu seiner Schwester.) Saladin. Was sagst du, Schwester? Sittah. Ich bin gerührt ... Saladin. Und ich, ich schaudere Vor einer größern Rührung fast zurück! Bereite dich nur drauf, so gut du kannst. Sittah. Wie? Saladin. Nathan, auf ein Wort! ein Wort! (Indem Nathan zu ihm tritt, tritt Sittah zu dem Geschwister, ihm ihre Teilnahme zu bezeigen; und Nathan und Saladin sprechen leiser.) Hör! hör doch, Nathan! Sagtest du vorhin Nicht ? Nathan. Was? Saladin. Aus Deutschland sei ihr Vater nicht Gewesen; ein geborner Deutscher nicht. Was war er denn? Wo war er sonst denn her? Nathan. Das hat er selbst mir nie vertrauen wollen. Aus seinem Munde weiß ich nichts davon. Saladin. Und war auch sonst kein Frank? kein Abendländer? Nathan. Oh! daß er der nicht sei, gestand er wohl. Er sprach am liebsten Persisch ... Saladin. Persisch? Persisch? Was will ich mehr? Er ist's! Er war es! Nathan. Wer? Saladin. Mein Bruder! ganz gewiß! Mein Assad! ganz Gewiß! Nathan. Nun, wenn du selbst darauf verfällst: Nimm die Versichrung hier in diesem Buche! (Ihm das Brevier überreichend.) Saladin (es begierig aufschlagend). Ah! seine Hand! Auch die erkenn ich wieder! Nathan. Noch wissen sie von nichts! Noch steht's bei dir Allein, was sie davon erfahren sollen! Saladin (indes er darin geblättert). Ich meines Bruders Kinder nicht erkennen? Ich meine Neffen meine Kinder nicht? Sie nicht erkennen? ich? Sie dir wohl la**en? (Wieder laut.) Sie sind's! Sie sind es, Sittah, sind's! Sie sind's! Sind beide meines ... deines Bruders Kinder! (Er rennt in ihre Umarmungen.) Sittah (ihm folgend). Was hör ich! Konnt's auch anders, anders sein! Saladin (zum Tempelherrn). Nun mußt du doch wohl, Trotzkopf, mußt mich lieben! (Zu Recha.) Nun bin ich doch, wozu ich mich erbot? Magst wollen, oder nicht! Sittah. Ich auch! ich auch! Saladin (zum Tempelherrn zurück). Mein Sohn! mein Assad! meines Assads Sohn! Tempelherr. Ich deines Bluts! So waren jene Träume, Womit man meine Kindheit wiegte, doch Doch mehr als Träume! (Ihm zu Füßen fallend.) Saladin (ihn aufhebend). Seht den Bösewicht! Er wußte was davon, und konnte mich Zu seinem Mörder machen wollen! Wart! (Unter stummer Wiederholung allseitiger Umarmungen fällt der Vorhang.)

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