Barbara Thalheim - Berlin, ein Tag lyrics

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Barbara Thalheim - Berlin, ein Tag lyrics

Früh um fünf sind die Bürgersteige bürgerleer Nur Hundehaufen neben gelbem Löwenzahn In Moabit, Neukölln, Kreuzberg und Marzahn Patrouilliert rudelweise das Rattenheer LKWs kopulieren mit Pflastersteinköpfen Politessen schwärmen aus, die Bürger zu schröpfen! Ein Notarzt wartet in der Mommsenstraße Auf die Droschke vom Bestattungshaus Zehnmal umsonst holte ihn heut' Nacht der Notruf raus Die Berliner stecken in einer Sterbephase Ein Hund bepinkelt die Bahre – welch ein Malheur! Es ist sechs Uhr – il est six heures! Berlin, Berlin, du bist nicht Wien Bist nicht Paris, nicht Lissabon – Dann wieder bist du allen gleich Spielst Großstadt als Chamäleon! Mal schwarz-rot-gold-verschmiert Dann wieder alliiert Mit jedem Menschennest Egal in welchem Weltenrest! Friedlich rauschen Platanen im Blätterfrack Den Weckruf zirpt ein Kastratenchor Kameraspione überwachen den Komfort Auch den Zobel vor der Tür im Humana-Kleidersack Wildschwein-Waschbären ziehen sich zurück Aus Vorgärten in Wannsee, Zehlendorf und Köpenick! Der Vertreter von der Kleeblatt-Glücksversicherung Fragt seine Nachbarin, Frau Milosewskaja: "Geht's bald zurück nach Bosnien-Herzegowina? Dafür biet' ich 'ne Police zur Reiserückführung Und sicheren Schutz beim Abschiebeverhör!" Es ist um Zehn – il est dix heures! Berlin, Berlin, bist nicht Turin Auch nicht New York, nicht Helsinki – Dann wieder bist du allen gleich Ein Labyrinth in Agonie! Mal schwarz-rot-gold-verschmiert Dann wieder alliiert Treibst du es schonungslos Mit jedem Möchtegernegroß! Beamte tafelspitzen sich im Einstein rund Präsidenten präsidieren im Brandenburger Tor Ein C-vier-Professor stürmt das Exelsior Die Paris Bar bietet Steaks vom Schweinehund Am Kotti gibt's um Zwölf zum Frühstück Methadon Am Kollwitzplatz gibt's Bocki mit Schrippen-Silikon! Im Tunnelklo am Alex packt die Klofrau Mit Appetit die dicken Blutwurststullen aus Nur in ihrem Radio geht noch die Sonne auf Der Koch im Kanzleramt blaut heute Kabeljau Die Gräten sind fürs Heim – das ist Diplomatie! Es ist zwölf Uhr – il est midi! Berlin, Berlin, du bist nicht Wien Nicht Glücksburg und nicht Gottesgrün – Berlin, Berlin, bist nicht Turin Nicht Himmelschloss nicht Friedenskühn! Mal bist du unerreicht Dann wieder allen gleich Wie jedes Menschennest Egal in welchem Weltenrest! In Mitte, Arbeitsamt, macht Arbeit auch nicht frei Die Vermittler sind gerade mal bei Kaffeepause zwei Heimlich trägt ein Arbeitgeber Arbeit vorbei Tchibofahnen wabern durch die Gänge wie Brei Benebeln das Langzeit-Arbeitslosenheer Der Jobtopf lacht sich eins und bleibt auf immer leer! Lauthals gähnt eine Sekretärin im Senat Drapiert auf Porzellan Wurzner-Extra-Biskuits Doch die Liebesmüh' ist für den alten Fritz Die Herrenrunde will nichts Süßes plant ein Attentat: Wie streichen wir gerecht Subventionen für "culture?" Es ist um drei – il est quinze heures! In den Bars verlöschen die ersten Gesichter Und Trickbetrüger proben ihren neuesten Trick Die Schönen gehen mit jedem Fremdgeher mit In der Spree treibt ein verkannter Dichter Die Liebespaare lieben sich rettungslos Bald gibt die Nacht ihnen den Gnadenstoß! Ein russischer Arzt lernt seine Deutsch-Lektion Neben ihm schläft friedlich sein deutscher Enkelsohn Die Ratten verla**en die Kan*lisation Goldelse fliegt vampirgleich auf und davon Der Himmel von Berlin kennt keine Utopie! Mitternacht – il est minuit! Berlin, Berlin, bist nicht die Queen Auch nicht die gute Herzogin – Viel eher bist du allen gleich Spielst bieder-brave Bürgerin! Mal schwarz-rot-gold-verschmiert Dann wieder alliiert – Komm hoch aus deinem Nest Besteh den Alltags-Härtetest! Berlin, Berlin, verarmt-verrücktes Ding Gib deinem Leben einen neuen Sinn – Komm hoch aus deinem Sarkophag Ich will dich schön und bärenstark!

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