Jaime, im Jahre sechsunddreißig
Schneider, Bauer, Monarchist
Hat Haus und Weinberg und eine Flinte
Womit er im Herbst die Rebhühner schießt!
Streng katholisch und zufrieden
Da** man nichts verändern muss
Liebt eine Frau mit Nähmaschine
Heiratet sie nach dem ersten Kuss!
Und als der General Franco fragte:
"Jaime, bist du dabei?»
Fragte Jaime nicht lang, nahm die Flinte und ging
Por Dios y la Patria y el Rey!
Der Priester sagt: "Die Roten stehlen
Haus und Weinberg und Mandelbaum
Die nehmen dem Schneider die Werkstatt weg
Und sozialisier'n die Frau'n!
Die feiern Fiesta im Oktober
Nach der russischen Tradition
Die Kirche muss in die Katakomben -
Freiheit ist aus und Religion!"
Und als der Priester am Sonntag fragte:
"Jaime, bist du dabei?"
Fragte Jaime nicht erst, ob das stimmt, und ging
Por Dios y la Patria y el Rey!
Jaime zieht aus mit den Faschisten
Ins Gebirg' auf Menschenjagd
Nicht Rebhühner schießt er, sondern Menschen
Ihn hat das Jagdfieber gepackt!
Er sieht den Tod von Guernica
Und auch den Tod von Aragón
Und kommt in den Gräben vor Madrid
Um Haaresbreite davon!
Zuhause dann aus dem Irache Kloster
Hört er einen furchtbaren Schrei -
"Die Folter muss sein!" sagt sein Offizier
"Por Dios y la Patria y el Rey!"
Ich kenne Jaime seit fünfzehn Jahren
Er ist inzwischen nicht nur alt
Er hat drei Töchter und diese Frau'n
La**en Gott und der König kalt!
Die Älteste, die Maria Nieves
Ist schon Witwe mit einem Sohn
Ihr Mann war Arbeiter in Pamplona -
Erschossen im Streik um besseren Lohn!
Und als da Jaime den Priester fragte:
"Don Pedro, was denkst du dabei?"
Hob der Priester die Hände: "Ordnung muss sein!
Por Dios y la Patria y el Rey!"
Die zweite Tochter, Maria Jesus
Hat einen Bauern zum Mann
Der steht jetzt am Band bei Opel in Bochum
Damit er leben kann!
Und Maria Paz, die Schneiderin
Ging mit ihrer Werkstatt bankrott -
Die Leut' kaufen lieber Kleider aus Plastik
Im Sonderangebot!
Da fragte Jaime den Bürgermeister:
"Ich dachte, das Handwerk ist frei?"
Da lachte der feine Herr: "So geht der Fortschritt!
Por Dios y la Patria y el Rey!"
Der Weinberg ist verkauft, da steht
Eine deutsche Waffenfabrik
Die macht den Besitzer reich, weil der Lohn
Weit unter dem Durchschnitt liegt!
Und Fiesta feiern sie für Touristen
Und für das Fernseh'n nochmal
Aber sonst tanzt niemand mehr auf dem Platz
Sondern in der Music Hall!
Da fragte Jaime, der Schneider, sich selber:
"Mensch, was gewinn' ich dabei
Wenn wir uns're eigenen Gräber schaufeln
Por Dios y la Patria y el Rey?"
Jaimes Schwager, ein Polizist
Kommt manchmal noch ins Haus
Er hat einen Flugblattverteiler erschossen
Und sagt: "Mir macht das nichts aus!"
Und neulich hat die Guardia Civil
Den Priester bei Nacht geweckt -
Den foltern sie jetzt in Burgos im Knast
Er hat einen Basken versteckt!
Und als dann Jaime die Töchter fragte:
"Was hört man am ersten Mai?"
Sagten die: "Man hört jetzt: 'Nieder mit Franco
Und Dios y la Wallstreet y el Rey!'"
Ich sprach mit Jaime zum letzten Mal
Unter seinem Mandelbaum
Er sagte: "Du musst vorsichtig sein
Du kannst nicht jedem trau'n!"
Er sagte: "Ja, es ist so weit
Und gestern kam da wer
Herunter von San Sebastian
Dem gab ich mein Gewehr!
Ich frage dich, was hilft uns noch
Wenn nicht Dynamit und Blei?
Was hilft gegen Franco und den Betrug
Mit Dios y la Patria y el Rey?"
Spoken:
So, jetzt kommt noch'n doppelter Nachruf - paar Jahr' später!
Dann kam die Zeit, da Franco an Trans-
Fusions-Kanülen hing
Bis er dann endlich doch den Weg
Carrero Blancos ging!
Drei Tage später schlief Jaime ein
Und wachte nicht mehr auf
So hat er noch eine Freude gehabt
Vor seinem letzten Schnauf!
Dann sangen die Töchter zur Mandoline
Zur Trommel und zur Schalmei
Unter lautem Gelächter die Hymne kaputt
Von Dios y la Patria y el Rey!