spoken: "Ich rufe die Jugend der Welt" heißt es auf der Glocke von Olympia. Nun hat sich in jüngster Zeit besonders unter der Jugend so eine Tendenz breit gemacht, nicht immer gleich zu kommen, wenn da irgend jemand ruft, was die Rufenden bisweilen mit einem gewissen Unmut und einer gewissen Ratlosigkeit erfüllt. Sollte sich die erwähnte Tendenz weiter verbreiten, so wird vielleicht im Jahre 2008 die alte Frau Olympia tränenden Auges auf der Ehrentribüne hocken, um sie herum die Herren des olympischen Komitees, die ihr mit zittrig gewordenen Stimmchen ins Ohr flüstern: Olympia, deine Sportfanfare schweigt Die Mannschaft ist vergreist, der Nachwuchs streikt! Olympia sieht sich kalt gestellt Sie ruft die Jugend dieser Welt Die sie mit ihren herben Reizen nicht mehr lockt Um dennoch diese Spiele zu gestalten Greift sie zurück auf die bewährten Alten Und damit hat sie sich was Schönes eingebrockt Denn da schleppen sich die Veteranen Mühsam um die Aschenbahnen Schön ist dieser Anblick gerade nicht Ein alter Läufer, ein Getreuer Bringt mit letzter Kraft das Feuer Schaut Olympia an, worauf sein Auge bricht Olympia Anno Zweitausendundacht Was hat der Zahn der Zeit aus dir gemacht! Wir wollen zunächst zur Damenmannschaft blicken Die stellt sich auf zum hundert Meter Stricken Und das ist eine völlig neue Disziplin Und man hört die Nadeln ra**eln Und man sieht die Maschen pra**eln Und die Damen ihre bunten Fäden zieh'n Rosel Redlich mit den zottig grauen Locken Liegt schon bei vierundsechzig Fuß blauweißer Socken Sie hält sich ziemlich forsch in diesem Lauf Doch da erteilt das Schiedsgericht einen Tadel Denn Vera Wolle, genannt die heiße Nadel
Räufelt Rosels Werk von hinten wieder auf Vera war auch einst ein flotter Falter Heut' ist sie im Lotteralter Und für Fairness schwärmte sie noch nie Früher warf sie stolz den Diskus Heute plagt sie der Meniskus Und sie häkelt sich was Warmes für die Knie Vorne Häkeln, hinten Wickeln Frau Olympia spürt ein Prickeln So was geht doch ganz bestimmt daneben Wirklich, Vera wird nur zweite Rosel siegt um Nadelbreite Haucht: "Der schönste Augenblick in meinem Leben." Olympia Anno Zweitausendundacht Was hat der Zahn der Zeit aus dir gemacht! Die Herren von der Hürdenläuferzunft Sind mit den Jahren mächtig eingeschrumpft Sie können unter ihren Hürden aufrecht steh'n Da tritt auch der Stabhochspringer Mücke an Bringt statt des Stabes heut nur seine Krücke an Man legt für ihn die Latte auf einszehn Und das Weitsprunga** Kurt Windisch Ward im Alter wieder kindisch Springt in die Grube und spielt dort mit Pampe Und die ganze Weitsprungsippe Kommt mit Eimerchen und Schippe Leise kichernd: "Tante Olympia ist 'ne Schlampe." Nur der Sportartikelfabrikant Hat seinen Job noch in der Hand Lächelnd blickt er auf die müden Hünen Er denkt, la** die Leute tratschen Produziert statt Spikes jetzt Latschen Denn mit Sport, denkt er, ist nichts mehr zu verdienen Olympia stöhnt: "Jetzt hat es mich erwischt!" Die Fackel fällt zu Boden und verlischt Aber Kopf hoch, noch ist's nicht soweit Die Jugend ist noch gern bereit Noch hast du alle Herrlichkeit und Macht Und dein Licht wird weiter glimmen Denn sie la**en sich noch trimmen Und sicher auch noch Zweitausendundacht