Löscht nun alle Lichter und schweigt still, vor Erwartung weit geöffnet Augen und Mund. Und la**t mit uns gemeinsam ein letztes Mal erwachen: Alice! Und einem Schauspiel gleich ergründen dieser armen Seele tiefsten Abgrunds...
Alice' Wahrnehmungen waren schlagartig klar. Als hätte ihr Schrei giftigen Staub von Jahren aus ihren Gedanken geblasen. Jetzt blickt sie an sich herab und war doch verwundert, denn sie fand sich barfuß und im Nachthemd mitten in einem dunklen Zimmer stehend
Und obwohl sie ganz still stand, dort wo sie war
Knarrten die Holzdielen ganz sonderbar
Als ginge im Raum jemand herum –
Dem Tode gleich unheimlich und stumm
Und so formte sie im Geiste Laute:
Oh Schwesterherz, spielst ein grausam Spiel
Oh Schwesterherz, du verlangst viel zu viel
Was du begehrst, kann ich dir kaum geben
Was du verlangst, das trennt mich vom Leben!
Alice erblickte vor sich auf der Kommode einen Spiegel. Das heißt, es war nur Rahmen, denn das Glas war zerschlagen und fehlte. Der ihr mittlerweile fremde Anblick ihres eigenen Gesichts hätte sie ohnehin nur noch mehr verwirrt, waren doch Jahre vergangen, die sie im Dämmerzustand verbracht hatte
So stand Alice im Mondenschein
Doch sie glaubte sich nicht allein
In ihren Wimpern der Schlaf langer Zeit
In ihrem Geiste so schrecklich entzweit
Und so formten trockene Lippen Laute:
Oh Schwesterherz, schlägst so kalt in mir
Oh Schwesterherz, quälst mich oh so sehr
Bist bei mir so lang schon dicht an dicht
Im Dunkel gefangen spüre ich dich
Und hätte jemand an der Tür gelauscht oder gar durchs Schlüsselloch geblickt, er wäre wohl sehr erschrocken. Denn er hätte miterlebt, wie das Mädchen mit sich selbst wild diskutierend und gestikulierend zwei Stimmen imitierte. So wirr im Kopf...
Wieviel Schmerz kann eine Seele ertragen?
Wie laut ein Herz in fremder Brust schlagen?
Wieviel Realität unser Auge betrachten?
Wieviel der Wahrheit ein Geist verkraften?
Oh Schwesterherz, wiegst so schwer wie Blei
Oh Schwesterherz, willst nichts sein als frei
Was du begehrst, kann ich dir kaum geben
Was du verlangst, das trennt mich vom Leben
Oh Schwester mein, wie kann das sein?
Das Herz in mir kann doch nicht sein dein?
Ich bitte dich, la** ab von mir
Gab ich doch schon so viel Herzblut dir
Ein Schmerz schießt in ihre Brust: Alice stockt der Atem! Das Mädchen spürt einen scharfen Gegenstand, der sich durch Fleisch und Rippen bohrt. Sie sieht an sich herunter und erblickt voller Entsetzen ihre eigenen Hände, die blutverschmiert eine Spiegelscherbe umklammern und damit in ihrem Brustkorb herumrühren. Doch sie kann diese Hände nicht kontrollieren!
Und alles wird dunkel
Und alles wird schwarz
Diesmal wird jede Hilfe kommen zu spät. Die Augen starr geöffnet, liegt das Mädchen erschreckend bla** und still. Und diesmal wird der Befund eindeutig sein und nicht fallen allzu schwer: Tod aufgrund fehlenden Herzens. Doch sollte man finden dieses Herz nimmer mehr...