CAPUT XXIII Als Republik war Hamburg nie So groß wie Venedig und Florenz, Doch Hamburg hat bessere Austern; man speist Die besten im Keller von Lorenz. Es war ein schöner Abend, als ich Mich hinbegab mit Campen; Wir wollten miteinander dort In Rheinwein und Austern schlampampen. Auch gute Gesellschaft fand ich dort, Mit Freude sah ich wieder Manch alten Genossen, zum Beispiel Chaufepié, Auch manche neue Brüder. Da war der Wille, dessen Gesicht Ein Stammbuch, worin mit Hieben Die akademischen Feinde sich Recht leserlich eingeschrieben. Da war der f**s, ein blinder Heid' Und persönlicher Feind des Jehova, Glaubt nur an Hegel und etwa noch An die Venus des Canova. Mein Campe war Amphitryo Und lächelte vor Wonne; Sein Auge strahlte Seligkeit, Wie eine verklärte Madonne. Ich aß und trank, mit gutem App'tit, Und dachte in meinem Gemüte: ›Der Campe ist wirklich ein großer Mann, Ist aller Verleger Blüte. Ein andrer Verleger hätte mich Vielleicht verhungern la**en, Der aber gibt mir zu trinken sogar; Werde ihn niemals verla**en. Ich danke dem Schöpfer in der Höh', Der diesen Saft der Reben Erschuf, und zum Verleger mir Den Julius Campe gegeben! Ich danke dem Schöpfer in der Höh', Der, durch sein großes Werde, Die Austern erschaffen in der See Und den Rheinwein auf der Erde! Der auch Zitronen wachsen ließ, Die Austern zu betauen – Nun laß mich, Vater, diese Nacht Das Essen gut verdauen!‹ Der Rheinwein stimmt mich immer weich Und löst jedwedes Zerwürfnis In meiner Brust, entzündet darin Der Menschenliebe Bedürfnis. Es treibt mich aus dem Zimmer hinaus, Ich muß in den Straßen schlendern; Die Seele sucht eine Seele und späht Nach zärtlich weißen Gewändern. In solchen Momenten zerfließe ich fast Vor Wehmut und vor Sehnen; Die Katzen scheinen mir alle grau, Die Weiber alle Helenen. – – – Und als ich auf die Drehbahn kam, Da sah ich im Mondenschimmer Ein hehres Weib, ein wunderbar
Hochbusiges Frauenzimmer. Ihr Antlitz war rund und kerngesund, Die Augen wie blaue Turkoasen, Die Wangen wie Rosen, wie Kirschen der Mund, Auch etwas rötlich die Nase. Ihr Haupt bedeckte eine Mütz' Von weißem gesteiftem Linnen, Gefältelt wie eine Mauerkron', Mit Türmchen und zackigen Zinnen. Sie trug eine weiße Tunika, Bis an die Waden reichend. Und welche Waden! Das Fußgestell Zwei dorischen Säulen gleichend. Die weltlichste Natürlichkeit Konnt man in den Zügen lesen; Doch das übermenschliche Hinterteil Verriet ein höheres Wesen. Sie trat zu mir heran und sprach: »Willkommen an der Elbe Nach dreizehnjähr'ger Abwesenheit – Ich sehe, du bist noch derselbe! Du suchst die schönen Seelen vielleicht, Die dir so oft begegnet Und mit dir geschwärmt die Nacht hindurch, In dieser schönen Gegend. Das Leben verschlang sie, das Ungetüm, Die hundertköpfige Hyder; Du findest nicht die alte Zeit Und die Zeitgenössinnen wieder! Du findest die holden Blumen nicht mehr, Die das junge Herz vergöttert; Hier blühten sie – jetzt sind sie verwelkt, Und der Sturm hat sie entblättert. Verwelkt, entblättert, zertreten sogar Von rohen Schicksalsfüßen – Mein Freund, das ist auf Erden das Los Von allem Schönen und Süßen!« »Wer bist du?« – rief ich –, »du schaust mich an Wie 'n Traum aus alten Zeiten – Wo wohnst du, großes Frauenbild? Und darf ich dich begleiten?« Da lächelte das Weib und sprach: »Du irrst dich, ich bin eine feine, Anständ'ge, moralische Person; Du irrst dich, ich bin nicht so eine. Ich bin nicht so eine kleine Mamsell, So eine welsche Lorettin – Denn wisse: ich bin Hammonia, Hamburgs beschützende Göttin! Du stutzest und erschreckst sogar, Du sonst so mutiger Sänger! Willst du mich noch begleiten jetzt? Wohlan, so zögre nicht länger.« Ich aber lachte laut und rief: »Ich folge auf der Stelle – Schreit du voran, ich folge dir, Und ging' es in die Hölle!«