CAPUT XVI Das Stoßen des Wagens weckte mich auf, Doch sanken die Augenlider Bald wieder zu, und ich entschlief Und träumte vom Rotbart wieder. Ging wieder schwatzend mit ihm herum Durch alle die hallenden Säle; Er frug mich dies, er frug mich das, Verlangte, daß ich erzähle. Er hatte aus der Oberwelt Seit vielen, vielen Jahren, Wohl seit dem Siebenjährigen Krieg, Kein Sterbenswort erfahren. Er frug nach Moses Mendelssohn, Nach der Karschin, mit Intresse Frug er nach der Gräfin Dubarry, Des fünfzehnten Ludwigs Mätresse. »O Kaiser«, rief ich, »wie bist du zurück! Der Moses ist längst gestorben, Nebst seiner Rebekka, auch Abraham, Der Sohn, ist gestorben, verdorben. Der Abraham hatte mit Lea erzeugt Ein Bübchen, Felix heißt er, Der brachte es weit im Christentum, Ist schon Kapellenmeister. Die alte Karschin ist gleichfalls tot, Auch die Tochter ist tot, die Klencke; Helmine Chézy, die Enkelin, Ist noch am Leben, ich denke. Die Dubarry lebte lustig und flott, Solange Ludwig regierte, Der Fünfzehnte nämlich, sie war schon alt, Als man sie guillotinierte. Der König Ludwig der Fünfzehnte starb Ganz ruhig in seinem Bette, Der Sechzehnte aber ward guillotiniert Mit der Königin Antoinette. Die Königin zeigte großen Mut, Ganz wie es sich gebührte, Die Dubarry aber weinte und schrie, Als man sie guillotinierte.« – – Der Kaiser blieb plötzlich stillestehn, Und sah mich an mit den stieren Augen und sprach: »Um Gottes will'n, Was ist das, guillotinieren!« »Das Guillotinieren« – erklärte ich ihm »Ist eine neue Methode, Womit man die Leute jeglichen Stands Vom Leben bringt zu Tode. Bei dieser Methode bedient man sich
Auch einer neuen Maschine, Die hat erfunden Herr Guillotin, Drum nennt man sie Guillotine. Du wirst hier an ein Brett geschnallt; – Das senkt sich; – du wirst geschoben Geschwinde zwischen zwei Pfosten; – es hängt Ein dreieckig Beil ganz oben; – Man zieht eine Schnur, dann schießt herab Das Beil, ganz lustig und munter; – Bei dieser Gelegenheit fällt dein Kopf In einen Sack hinunter.« Der Kaiser fiel mir in die Red': »Schweig still, von deiner Maschine Will ich nichts wissen, Gott bewahr', Daß ich mich ihrer bediene! Der König und die Königin! Geschnallt! an einem Brette! Das ist ja gegen allen Respekt Und alle Etikette! Und du, wer bist du, daß du es wagst, Mich so vertraulich zu duzen? Warte, du Bürschchen, ich werde dir schon Die kecken Flügel stutzen! Es regt mir die innerste Galle auf, Wenn ich dich höre sprechen, Dein Odem schon ist Hochverrat Und Majestätsverbrechen!« Als solchermaßen in Eifer geriet Der Alte und sonder Schranken Und Schonung mich anschnob, da platzten heraus Auch mir die geheimsten Gedanken. »Herr Rotbart« – rief ich laut –, »du bist Ein altes Fabelwesen, Geh, leg dich schlafen, wir werden uns Auch ohne dich erlösen. Die Republikaner lachen uns aus, Sehn sie an unserer Spitze So ein Gespenst mit Zepter und Kron'; Sie rissen schlechte Witze. Auch deine Fahne gefällt mir nicht mehr, Die altdeutschen Narren verdarben Mir schon in der Burschenschaft die Lust An den schwarzrotgoldnen Farben. Das beste wäre, du bliebest zu Haus, Hier in dem alten Kyffhäuser – Bedenk ich die Sache ganz genau, So brauchen wir gar keinen Kaiser.«