Fünfter Akt
Ein großer freier Platz vor einer Kathedrale, deren gotisches Portal im Hintergrunde sichtbar. Zu beiden Seiten zierlich geschnittene Lindenbäume; unter denselben links sitzen zechende und schmausende Bürgersleute, gekleidet in der niederländischen Tracht des sechzehnten Jahrhunderts. Unfern sieht man auch mit Armbrüsten bewaffnete Schützen, die nach einem auf einen hohen Pfahl gepflanzten Vogel schießen. Überall Kirmesjubel: Schaubuden, Musikanten, Puppenspiel, umherspringende Pickelheringe und fröhliche Gruppen. In der Mitte der Szene ein Rasenplatz, wo die Honoratioren tanzen.-
Der Vogel ist herabgeschossen und der Sieger hält als Schützenkönig seinen Triumphzug. Eine feiste Bierbrauerfigur, auf dem Haupte eine enorme Krone, woran eine Menge Glöckchen, Bauch und Rücken behängt mit großen Schilden von Goldblech, und solchermaßen mit Geklingel und Gera**el einherstolzierend. Vor ihm marschieren Trommler und Pfeifer, auch der Fahnenträger, ein kurzbeiniger Knirps, der mit einer ungeheuern Fahne die drolligsten Schwenkungen verrichtet; die ganze Schützengilde folgt gravitätisch hinterher. Vor dem dicken Bürgermeister und seiner nicht minder korpulenten Gattin, die nebst ihrem Töchterlein unter den Linden sitzen, wird die Fahne geschwenkt und neigen sich respektvoll die Vorüberziehenden. Jene erwidern die Salutation, und ihr Töchterlein, ein blondlockiges Jungfrauenbild aus der niederländischen Schule, kredenzt dem Schützenkönig den Ehrenbecher.
Trompetenstöße ertönen und auf einem hohen mit Laubwerk geschmückten Karren, der von zwei schwarzen Gäulen gezogen wird, erscheint der hochgelahrte Doktor Faust in scharlachrotem und goldbetreßtem Quacksalberkostüme; dem Wagen voran, die Pferde lenkend, schreitet Mephistophela, ebenfalls in grell marktschreierischem Aufputz, reich bebändert und befiedert und in der Hand eine große Trompete, worauf sie zuweilen Fanfaren bläst, während sie eine das Volk heranlockende Reklame tanzt. Die Menge drängt sich alsbald um den Wagen, wo der fahrende Wunderdoktor allerlei Tränklein und Mixturen gegen bare Bezahlung austeilt. Einige Personen bringen ihm in großen Flaschen ihren Urin zur Besichtigung. Andern reißt er die Zähne aus. Er tut sichtbare Mirakelkuren an verkrüppelten Kranken, die ihn geheilt verla**en und vor Freude tanzen. Er steigt endlich herab vom Wagen, der davonfährt, und verteilt unter die Menge seine Phiolen, aus welchen man nur einige Tropfen zu genießen braucht, um von jedem Leibesübel geheilt und von der unbändigsten Tanzlust ergriffen zu werden. Der Schützenkönig, welcher den Inhalt einer Phiole verschluckt, empfindet dessen Zaubermacht, er ergreift Mephistophela und hopst mit ihr ein Pas-de-deux. Auch auf den bejahrten Bürgermeister und seine Gattin übt der Trank seine beinbewegende Wirkung, und beide humpeln den alten Großvatertanz.
Während aber das sämtliche Publikum im tollsten Wirbel sich umherdreht, hat Faust sich der Bürgermeisterstochter genaht, und bezaubert von ihrer reinen Natürlichkeit, Zucht und Schöne, erklärt er ihr seine Liebe, und mit wehmütigen, fast schüchternen Gebärden nach der Kirche deutend, wirbt er um ihre Hand. Auch bei den Eltern, die sich keuchend wieder auf ihre Bank niederla**en, wiederholt er seine Werbung; jene sind mit dem Antrag zufrieden, und auch die naive Schöne gibt endlich ihre verschämte Zustimmung. Letztere und Faust werden jetzt mit Blumensträußen geschmückt und tanzen als Braut und Bräutigam ihre sittsam bürgerlichen Hymenäen. Der Doktor hat endlich im bescheiden süßen Stilleben das Hausglück gefunden, welches die Seele befriedigt. Vergessen sind die Zweifel und die schwärmerischen Schmerzgenüsse des Hochmutgeistes, und er strahlt vor innerer Beseligung, wie der vergoldete Hahn eines Kirchturms.
Es bildet sich der Brautzug mit hochzeitlichem Gepränge, und derselbe ist schon auf dem Wege zur Kirche, als Mephistophela plötzlich mit hohnlachenden Gebärden vor den Bräutigam tritt und ihn seinen idyllischen Gefühlen entreißt; sie scheint ihm zu befehlen ihr unverzüglich von hinnen zu folgen. Faust widersetzt sich mit hervorbrechendem Zorn, und die Zuschauer sind bestürzt über diese Szene. Doch noch größerer Schrecken erfaßt sie, als plötzlich auf Mephistophelas Beschwörung, ein nächtliches Dunkel und das schrecklichste Gewitter hereinbricht. Sie fliehen angstvoll und flüchten sich in die nahe Kirche, wo eine Glocke zu läuten und eine Orgel zu rauschen beginnen, ein frommes Gedröhne, welches mit dem blitzenden und donnernden Höllenspektakel auf der Szene kontrastiert. Auch Faust hat sich wie die andern in den Schoß der Kirche flüchten wollen, aber eine große schwarze Hand, die aus dem Boden hervorgriff, hat ihn zurückgehalten, während Mephistophela, mit boshaft triumphierender Miene aus ihrem Mieder das Pergamentblatt hervorzieht, das der Doktor einst mit seinem Blute unterzeichnet hat; sie zeigt ihm, daß die Zeit des Kontraktes verflossen sei und Leib und Seele jetzt der Hölle gehöre. Vergebens macht Faust allerlei Einwendungen, vergebens legt er sich zuletzt aufs Jammern und Bitten – das Teufelsweib umtänzelt ihn mit allen Grima**en der Verhöhnung. Es öffnet sich der Boden und es treten hervor die greuelhaften Höllenfürsten, die gekrönten und szeptertragenden Ungetüme. In jubelnder Ronde verspotten sie ebenfalls den armen Doktor, den Mephistophela, die endlich sich in eine gräßliche Schlange verwandelt hat, mit wilder Umschlingung erdrosselt. Die ganze Gruppe versinkt unter Flammengepra**el in die Erde, während das Glockengeläute und die Orgelklänge, die vom Dome her ertönen, zu frommen, christlichen Gebeten auffordern.