Die Heimkehr I In mein gar zu dunkles Leben Strahlte einst ein süßes Bild; Nun das süße Bild erblichen, Bin ich gänzlich nachtumhüllt. Wenn die Kinder sind im Dunkeln, Wird beklommen ihr Gemüt, Und um ihre Angst zu bannen, Singen sie ein lautes Lied. Ich, ein tolles Kind, ich singe Jetzo in der Dunkelheit; Klingt das Lied auch nicht ergötzlich, Hats mich doch von Angst befreit. II Ich weiß nicht was soll es bedeuten, Daß ich so traurig bin; Ein Märchen aus alten Zeiten, Das kommt mir nicht aus dem Sinn. Die Luft ist kühl und es dunkelt, Und ruhig fließt der Rhein; Der Gipfel des Berges funkelt Im Abendsonnenschein. Die schönste Jungfrau sitzet Dort oben wunderbar; Ihr goldnes Geschmeide blitzet, Sie kämmt ihr goldenes Haar. Sie kämmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei; Das hat eine wundersame, Gewaltige Melodei. Den Schiffer im kleinen Schiffe Ergreift es mit wildem Weh; Er schaut nicht die Felsenriffe, Er schaut nur hinauf in die Höh. Ich glaube, die Wellen verschlingen Am Ende Schiffer und Kahn; Und das hat mit ihrem Singen Die Lore-Ley getan. III Mein Herz, mein Herz ist traurig, Doch lustig leuchtet der Mai; Ich stehe, gelehnt an der Linde, Hoch auf der alten Bastei. Da drunten fließt der blaue Stadtgraben in stiller Ruh; Ein Knabe fährt im Kahne, Und angelt und pfeift dazu. Jenseits erheben sich freundlich, In winziger bunter Gestalt, Lusthäuser, und Gärten, und Menschen, Und Ochsen, und Wiesen, und Wald. Die Mägde bleichen Wäsche, Und springen im Gras herum: Das Mühlrad stäubt Diamanten, Ich höre sein fernes Gesumm. Am alten grauen Turme Ein Schilderhäuschen steht; Ein rotgeröckter Bursche Dort auf und nieder geht. Er spielt mit seiner Flinte, Die funkelt im Sonnenrot, Er präsentiert und schultert – Ich wollt, er schösse mich tot. IV Im Walde wandl ich und weine, Die Drossel sitzt in der Höh; Sie springt und singt gar feine: Warum ist dir so weh? »Die Schwalben, deine Schwestern, Die könnens dir sagen, mein Kind; Sie wohnten in klugen Nestern, Wo Liebchens Fenster sind.« V Die Nacht ist feucht und stürmisch, Der Himmel sternenleer; Im Wald unter rauschenden Bäumen, Wandle ich schweigend einher. Es flimmert fern ein Lichtchen Aus dem einsamen Jägerhaus; Es soll mich nicht hin verlocken, Dort sieht es verdrießlich aus. Die blinde Großmutter sitzt ja Im ledernen Lehnstuhl dort, Unheimlich und starr, wie ein Steinbild, Und spricht kein einziges Wort. Fluchend geht auf und nieder Des Försters rotköpfiger Sohn, Und wirft an die Wand die Büchse, Und lacht vor Wut und Hohn. Die schöne Spinnerin weinet, Und feuchtet mit Tränen den Flachs; Wimmernd zu ihren Füßen Schmiegt sich des Vaters Dachs. VI Als ich, auf der Reise, zufällig Der Liebsten Familie fand, Schwesterchen, Vater und Mutter, Sie haben mich freudig erkannt. Sie fragten nach meinem Befinden, Und sagten selber sogleich: Ich hätte mich gar nicht verändert, Nur mein Gesicht sei bleich. Ich fragte nach Muhmen und Basen, Nach manchem langweilgen Geselln, Und nach dem kleinen Hündchen mit seinem sanften Belln. Auch nach der vermählten Geliebten Fragte ich nebenbei; Und freundlich gab man zur Antwort: Daß sie in den Wochen sei. Und freundlich gratuliert ich, Und lispelte liebevoll: Daß man sie von mir recht herzlich Viel tausendmal grüßen soll. Schwesterchen rief dazwischen: Das Hündchen, sanft und klein, Ist groß und toll geworden, Und ward ertränkt, im Rhein. Die Kleine gleicht der Geliebten, Besonders wenn sie lacht; Sie hat dieselben Augen, Die mich so elend gemacht. VII Wir saßen am Fischerhause, Und schauten nach der See; Die Abendnebel kamen, Und stiegen in die Höh. Im Leuchtturm wurden die Lichter Allmählig angesteckt, Und in der weiten Ferne Ward noch ein Schiff entdeckt. Wir sprachen von Sturm und Schiffbruch, Vom Seemann, und wie er lebt Und zwischen Himmel und Wa**er Und Angst und Freude schwebt. Wir sprachen von fernen Küsten, Vom Süden und vom Nord, Und von den seltsamen Völkern Und seltsamen Sitten dort. Am Ganges duftets und leuchtets, Und Riesenbäume blühn, Und schöne, stille Menschen Vor Lotosblumen knien. In Lappland sind schmutzige Leute, Plattköpfig, breitmäulig und klein; Sie kauern ums Feuer, und backen Sich Fische, und quäken und schrein. Die Mädchen horchten ernsthaft, Und endlich sprach niemand mehr; Das Schiff ward nicht mehr sichtbar, Es dunkelte gar zu sehr. VIII Du schönes Fischermädchen, Treibe den Kahn ans Land; Komm zu mir und setz dich nieder, Wir kosen Hand in Hand. Leg an mein Herz dein Köpfchen, Und fürchte dich nicht zu sehr, Vertraust du dich doch sorglos Täglich dem wilden Meer. Mein Herz gleicht ganz dem Meere, Hat Sturm und Ebb und Flut, Und manche schöne Perle In seiner Tiefe ruht. IX Der Mond ist aufgegangen Und überstrahlt die Welln; Ich halte mein Liebchen umfangen, Und unsre Herzen schwelln. Im Arm des holden Kindes ruh ich allein am Strand; – Was horchst du beim Rauschen des Windes? Was zuckt deine weiße Hand? »Das ist kein Rauschen des Windes, Das ist der Seejungfern Gesang, Und meine Schwestern sind es, Die einst das Meer verschlang.« X Der Wind zieht seine Hosen an, Die weißen Wa**erhosen! Er peitscht die Wellen, so stark er kann, Die heulen und brausen und tosen. Aus dunkler Höh, mit wilder Macht, Die Regengüsse träufen; Es ist, als wollt die alte Nacht Das alte Meer ersäufen. An den Mastbaum klammert die Möwe sich Mit heiserem Schrillen und Schreien; Sie flattert und will gar ängstiglich Ein Unglück prophezeien. XI Der Sturm spielt auf zum Tanze, Er pfeift und saust und brüllt; Heisa! wie springt das Schifflein! Die Nacht ist lustig und wild. Ein lebendes Wa**ergebirge Bildet die tosende See; Hier gähnt ein schwarzer Abgrund, Dort türmt es sich weiß in die Höh. Ein Fluchen, Erbrechen und Beten Schallt aus der Kajüte heraus; Ich halte mich fest am Mastbaum Und wünsche: wär ich zu Haus. XII Der Abend kommt gezogen, Der Nebel bedeckt die See; Geheimnisvoll rauschen die Wogen, Da steigt es weiß in die Höh. Die Meerfrau steigt aus den Wellen, Und setzt sich zu mir an den Strand; Die weißen Brüste quellen Hervor aus dem Schleiergewand. Sie drückt mich und sie preßt mich, Und tut mir fast ein Weh; – Du drückst ja viel zu fest mich, Du schöne Wa**erfee! »Ich preß dich, in meinen Armen, Und drücke dich mit Gewalt; Ich will bei dir erwarmen, Der Abend ist gar zu kalt.« Der Mond schaut immer bla**er Aus dämmriger Wolkenhöh; – Dein Auge wird trüber und na**er, Du schöne Wa**erfee! »Es wird nicht trüber und na**er, Mein Aug ist naß und trüb, Weil, als ich stieg aus dem Wa**er, Ein Tropfen im Auge blieb.« Die Möwen schrillen kläglich, Es grollt und brandet die See; – Dein Herz pocht wildbeweglich, Du schöne Wa**erfee! »Mein Herz pocht wildbeweglich, Es pocht beweglich wild, Weil ich dich lieb unsäglich, Du liebes Menschenbild!« XIII Wenn ich an deinem Hause Des Morgens vorübergeh, So freuts mich, du liebe Kleine, Wenn ich dich am Fenster seh. Mit deinen schwarzbraunen Augen Siehst du mich forschend an: Wer bist du, und was fehlt dir, Du fremder, kranker Mann? »Ich in ein deutscher Dichter, Bekannt im deutschen Land; Nennt man die besten Namen, So wird auch der meine genannt. Und was mir fehlt, du Kleine, Fehlt manchem im deutschen Land; Nennt man die schlimmsten Schmerzen, So wird auch der meine genannt.« XIV Das Meer erglänzte weit hinaus, Im letzten Abendscheine; Wir saßen am einsamen Fischerhaus, Wir saßen stumm und alleine. Der Nebel stieg, das Wa**er schwoll, Die Möwe flog hin und wieder; Aus deinen Augen, liebevoll, Fielen die Tränen nieder. Ich sah sie fallen auf deine Hand, Und bin aufs Knie gesunken; Ich hab von deiner weißen Hand Die Tränen fortgetrunken. Seit jener Stunde verzehrt sich mein Leib, Die Seele stirbt vor Sehnen; – Mich hat das unglückselge Weib Vergiftet mit ihren Tränen. XV Da droben auf jenem Berge, Da steht ein feines Schloß, Da wohnen drei schöne Fräulein, Von denen ich Liebe genoß. Sonnabend küßte mich Jette, Und Sonntag die Julia, Und Montag die Kunigunde, Die hat mich erdrückt beinah. Doch Dienstag war eine Fete Bei meinen drei Fräulein im Schloß; Die Nachbarschafts-Herren und Damen, Die kamen zu Wagen und Roß. Ich aber war nicht geladen, Und das habt ihr dumm gemacht! Die zischelnden Muhmen und Basen, Die merktens und haben gelacht. XVI Am fernen Horizonte Erscheint, wie ein Nebelbild, Die Stadt mit ihren Türmen, In Abenddämmrung gehüllt. Ein feuchter Windzug kräuselt Die graue Wa**erbahn; Mit traurigem Takte rudert Der Schiffer in meinem Kahn. Die Sonne hebt sich noch einmal Leuchtend vom Boden empor, Und zeigt mir jene Stelle, Wo ich das Liebste verlor. XVII Sei mir gegrüßt, du große, Geheimnisvolle Stadt, Die einst in ihrem Schoße Mein Liebchen umschlossen hat. Sagt an, ihr Türme und Tore, Wo ist die Liebste mein? Euch hab ich sie anvertrauet, Ihr solltet mir Bürge sein. Unschuldig sind die Türme, Sie konnten nicht von der Stell, Als Liebchen mit Koffern und Schachteln Die Stadt verla**en so schnell. Die Tore jedoch, die ließen Mein Liebchen entwischen gar still; Ein Tor ist immer willig, Wenn eine Törin will. XVIII So wandl ich wieder den alten Weg, Die wohlbekannten Ga**en; Ich komme vor meiner Liebsten Haus, Das steht so leer und verla**en. Die Straßen sind doch gar zu eng! Das Pflaster ist unerträglich! Die Häuser fallen mir auf den Kopf! Ich eile so viel als möglich! XIX Ich trat in jene Hallen, Wo sie mir Treue versprochen; Wo einst ihre Tränen gefallen, Sind Schlangen hervorgekrochen. XX Still ist die Nacht, es ruhen die Ga**en, In diesem Hause wohnte mein Schatz; Sie hat schon längst die Stadt verla**en, Doch steht noch das Haus auf demselben Platz. Da steht auch ein Mensch und starrt in die Höhe, Und ringt die Hände, vor Schmerzensgewalt; Mir graust es, wenn ich sein Antlitz sehe – Der Mond zeigt mir meine eigne Gestalt. Du Doppelgänger! du bleicher Geselle! Was äffst du nach mein Liebesleid, das mich gequält auf dieser Stelle, So manche Nacht, in alter Zeit? XXI Wie kannst du ruhig schlafen, Und weißt, ich lebe noch? Der alte Zorn kommt wieder, Und dann zerbrech ich mein Joch. Kennst du das alte Liedchen: Wie einst ein toter Knab Um Mitternacht die Geliebte Zu sich geholt ins Grab? Glaub mir, du wunderschönes, Du wunderholdes Kind, Ich lebe und bin noch stärker Als alle Toten sind! XXII »Die Jungfrau schläft in der Kammer, Der Mond schaut zitternd hinein; Da draußen singt es und klingt es, Wie Walzermelodein. Ich will mal schaun aus dem Fenster, Wer drunten stört meine Ruh. Da steht ein Totengerippe, Und fiedelt und singt dazu: Hast einst mir den Tanz versprochen, Und hast gebrochen dein Wort, Und heut ist Ball auf dem Kirchhof, Komm mit, wir tanzen dort. Die Jungfrau ergreift es gewaltig, Es lockt sie hervor aus dem Haus; Sie folgt dem Gerippe, das singend Und fiedelnd schreitet voraus. Es fiedelt und tänzelt und hüpfet, Und klappert mit seinem Gebein, Und nickt und nickt mit dem Schädel Unheimlich im Mondenschein.« XXIII Ich stand in dunkeln Träumen Und starrte ihr Bildnis an, Und das geliebte Antlitz Heimlich zu leben begann. Um ihre Lippen zog sich Ein Lächeln wunderbar, Und wie von Wehmutstränen Erglänzte ihr Augenpaar. Auch meine Tränen flossen Mir von den Wangen herab – Und ach, ich kann es nicht glauben, Daß ich dich verloren hab! XXIV Ich unglückselger Atlas! eine Welt, Die ganze Welt der Schmerzen, muß ich tragen, Ich trage Unerträgliches, und brechen Will mir das Herz im Leibe. Du stolzes Herz! du hast es ja gewollt! Du wolltest glücklich sein, unendlich glücklich Oder unendlich elend, stolzes Herz, Und jetzo bist du elend. XXV Die Jahre kommen und gehen, Geschlechter steigen ins Grab, Doch nimmer vergeht die Liebe, Die ich im Herzen hab. Nur einmal noch möcht ich dich sehen Und sinken vor dir aufs Knie, Und sterbend zu dir sprechen: Madame, ich liebe Sie! XXVI Mir träumte: traurig schaute der Mond, Und traurig schienen die Sterne; Es trug mich zur Stadt, wo Liebchen wohnt, Viel hundert Meilen ferne. Es hat mich zu ihrem Hause geführt, Ich küßte die Steine der Treppe, Die oft ihr kleiner Fuß berührt Und ihres Kleides Schleppe. Die Nacht war lang, die Nacht war kalt, Es waren so kalt die Steine; Es lugt aus dem Fenster die bla**e Gestalt, Beleuchtet vom Mondenscheine. XXVII Was will die einsame Träne? Sie trübt mir ja den Blick. Sie blieb aus alten Zeiten In meinem Auge zurück. Sie hatte viel leuchtende Schwestern, Die alle zerflossen sind, Mit meinen Qualen und Freuden, Zerflossen in Nacht und Wind. Wie Nebel sind auch zerflossen Die blauen Sternelein, Die mir jene Freuden und Qualen Gelächelt ins Herz hinein. Ach, meine Liebe selber Zerfloß wie eitel Hauch! Du alte, einsame Träne, Zerfließe jetzunder auch! XXVIII Der bleiche, herbstliche Halbmond Lugt aus den Wolken heraus; Ganz einsam liegt auf dem Kirchhof Das stille Pfarrerhaus. Die Mutter liest in der Bibel, Der Sohn, der starret ins Licht, Schlaftrunken dehnt sich die ältre, Die jüngere Tochter spricht: Ach Gott, wie einem die Tage Langweilig hier vergehn! Nur wenn sie einen begraben, Bekommen wir etwas zu sehn. Die Mutter spricht zwischen dem Lesen: Du irrst, es starben nur Vier, Seit man deinen Vater begraben Dort an der Kirchhofstür. Die ältre Tochter gähnet: Ich will nicht verhungern bei euch, Ich gehe morgen zum Grafen, Und der ist verliebt und reich. Der Sohn bricht aus in Lachen: Drei Jäger zechen im Stern, Die machen Gold und lehren Mir das Geheimnis gern. Die Mutter wirft ihm die Bibel Ins magre Gesicht hinein: So willst du, Gottverfluchter, Ein Straßenräuber sein! Sie hören pochen ans Fenster, Und sehn eine winkende Hand; Der tote Vater steht draußen Im schwarzen Predgergewand. XXIX Das ist ein schlechtes Wetter, Es regnet und stürmt und schmeit; Ich sitze am Fenster und schaue Hinaus in die Dunkelheit. Da schimmert ein einsames Lichtchen, Das wandelt langsam fort; Ein Mütterchen mit dem Laternchen wa*kt über die Straße dort. Ich glaube, Mehl und Eier Und bu*ter kaufte sie ein; Sie will einen Kuchen backen Fürs große Töchterlein. Die liegt zu Haus im Lehnstuhl, Und blinzelt schläfrig ins Licht; Die goldnen Locken wallen Über das süße Gesicht. XXX Man glaubt, daß ich mich gräme, In bitterm Liebesleid, Und endlich glaub ich es selber, So gut wie andre Leut. Du Kleine mit großen Augen, Ich hab es dir immer gesagt, Daß ich dich unsäglich liebe, Daß Liebe mein Herz zernagt. Doch nur in einsamer Kammer Sprach ich auf solche Art, Und ach! ich hab immer geschwiegen In deiner Gegenwart. Da gab es böse Engel, Die hielten mir zu den Mund; Und ach! durch böse Engel Bin ich so elend jetzund. XXXI Deine weißen Liljenfinger, Könnt ich sie noch einmal küssen, Und sie drücken an mein Herz, Und vergehn in stillem Weinen! Deine klaren Veilchenaugen Schweben vor mir Tag und Nacht, Und mich quält es: was bedeuten Diese süßen, blaune Rätsel? XXXII »Hat sie sich denn nie geäußert Über dein verliebtes Wesen? Konntest du in ihren Augen Niemals Gegenliebe lesen? Konntest du in ihren Augen Niemals bis zur Seele dringen? Und du bist ja sonst kein Esel, Teurer Freund, in solchen Dingen.« XXXIII Sie liebten sich beide, doch keiner Wollt es dem andern gestehn; Sie sahen sich an so feindlich, Und wollten vor Liebe vergehn. Sie trennten sich endlich und sahn sich Nur noch zuweilen im Traum; Sie waren längst gestorben, Und wußten es selber kaum. XXXIV Und als ich euch meine Schmerzen geklagt, Da habt ihr gegähnt und nichts gesagt; Doch als ich sie zierlich in Verse gebracht, Da habt ihr mir große Elogen gemacht. XXXV Ich rief den Teufel und er kam, Und ich sah ihn mit Verwundrung an. Er ist nicht häßlich und ist nicht lahm, Er ist ein lieber, scharmanter Mann, Ein Mann in seinen besten Jahren, Verbindlich und höflich und welterfahren. Er ist ein gescheuter Diplomat, Und spricht recht schön über Kirch und Staat. Blaß ist er etwas, doch ist es kein Wunder, Sanskrit und Hegel studiert er jetzunder. Sein Lieblingspoet ist noch immer Fouqué. Doch will er nicht mehr mit Kritik sich befa**en, Die hat er jetzt gänzlich überla**en Der teuren Großmutter Hekate. Er lobte mein juristisches Streben, Hat früher sich auch damit abgegeben. Er sagte, meine Freundschaft sei Ihm nicht zu teuer, und nickte dabei, Und frug: ob wir uns früher nicht Schon einmal gesehn beim spanschen Gesandten? Und als ich recht besah sein Gesicht, Fand ich in ihm einen alten Bekannten. XXXVI Mensch, verspotte nicht den Teufel, Kurz ist ja die Lebensbahn, Und die ewige Verdammnis Ist kein bloßer Pöbelwahn. Mensch, bezahle deine Schulden, Lang ist ja die Lebensbahn, Und du mußt noch manchmal borgen, Wie du es so oft getan. XXXVII Die heilgen drei Könige aus Morgenland, Sie frugen in jedem Städtchen: Wo geht der Weg nach Bethlehem, Ihr lieben Buben und Mädchen? Die Jungen und Alten, sie wußten es nicht, Die Könige zogen weiter; Sie folgtem einem goldenen Stern, Der leuchtete lieblich und heiter. Der Stern blieb stehn über Josephs Haus, Da sind sie hineingegangen; Das Öchslein brüllte, das Kindlein schrie, Die heilgen drei König sangen. XXXVIII Mein Kind, wir waren Kinder, Zwei Kinder, klein und froh; Wir krochen ins Hühnerhäuschen, Versteckten uns unter das Stroh. Wir krähten wie die Hähne, Und kamen Leute vorbei – Kikereküh! sie glaubten, Es wäre Hahnengeschrei. Die Kisten auf unserem Hofe Die tapezierten wir aus, Und wohnten drin beisammen, Und machten ein vornehmes Haus. Des Nachbars alte Katze Kam öfters zum Besuch; Wir machten ihr Bückling und Knickse Und Komplimente genug. Wir haben nach ihrem Befinden Besorglich und freundlich gefragt; Wir haben seitdem da**elbe Mancher alten Katze gesagt. Wir saßen auch oft und sprachen Vernünftig, wie alte Leut Und klagten, wie alles besser Gewesen zu unserer Zeit; Wie Lieb und Treu und Glauben Verschwunden aus der Welt, Und wie so teuer der Kaffee, Und wie so rar das Geld! – – – Vorbei sind die Kinderspiele, Und Alles rollt vorbei – Das Geld und die Welt und die Zeiten, Und Glauben und Lieb und Treu. XXXIX Das Herz ist mir bedrückt, und sehnlich Gedenke ich der alten Zeit; Die Welt war damals noch so wöhnlich, Und ruhig lebten hin die Leut. Doch jetzt ist alles wie verschoben, Das ist ein Drängen! eine Not! Gestorben ist der Herrgott oben, Und unten ist der Teufel tot. Und alles schaut so grämlich trübe, So krausverwirrt und morsch und kalt,
Und wäre nicht das bißchen Liebe, So gäb es nirgends einen Halt. XL Wie der Mond sich leuchtend dränget Durch den dunkeln Wolkenflor, Also taucht aus dunkeln Zeiten Mir ein lichtes Bild hervor. Saßen all auf dem Verdecke, Fuhren stolz hinab den Rhein, Und die sommergrünen Ufer Glühn im Abendsonnenschein. Sinnend saß ich zu den Füßen Einer Dame, schön und hold; In ihr liebes bleiches Antlitz Spielt' das rote Sonnengold. Lauten klangen, Buben sangen, Wunderbare Fröhlichkeit! Und der Himmel wurde blauer, Und die Seele wurde weit. Märchenhaft vorüberzogen Berg und Burgen, Wald und Au; – Und das alles sah ich glänzen In dem Aug der schönen Frau. XLI Im Traum sah ich die Geliebte, Ein banges, bekümmertes Weib, Verwelkt und abgefallen Der sonst so blühende Leib. Ein Kind trug sie auf dem Arme, Ein andres führt sie an der Hand, Und sichtbar ist Armut und Trübsal Am Gang und Blick und Gewand. Sie schwa*kte über den Marktplatz, Und da begegnet sie mir, Und sieht mich an, und ruhig Und schmerzlich sag ich zu ihr: Komm mit nach meinem Hause, Denn du bist blaß und krank; Ich will durch Fleiß und Arbeit Dir schaffen Speis und Trank. Ich will auch pflegen und warten Die Kinder, die bei dir sind, Vor allem aber dich selber, Du armes unglückliches Kind. Ich will dir nie erzählen, Daß ich dich geliebet hab, Und wenn du stirbst, so will ich Weinen auf deinem Grab. XLII »Teurer Freund! Was soll es nützen, Stets da alte Lied zu leiern? Willst du ewig brütend sitzen Auf den alten Liebes-Eiern? Ach! das ist ein ewig Gattern, Aus den Schalen kriechen Küchlein, Und sie piepsen und sie flattern, Und du sperrst sie in ein Büchlein.« XLIII Werdet nur nicht ungeduldig, Wenn von alten Leidensklängen Manche noch vernehmlich tönen In den neuesten Gesängen. Wartet nur, es wird verhallen Dieses Echo meiner Schmerzen, Und ein neuer Liederfrühling Sprießt aus dem geheilten Herzen. XLIV Nun ist es Zeit, daß ich mit Verstand Mich aller Torheit entledge; Ich hab so lang als ein Komödiant Mit dir gespielt die Komödie. Die prächtgen Kulissen, sie waren bemalt Im hochromantischen Stile, Mein Rittermantel hat goldig gestrahlt, Ich fühlte die feinsten Gefühle. Und nun ich mich gar säuberlich Des tollen Tands entledge, Noch immer elend fühl ich mich, Als spielt ich noch immer Komödie. Ach Gott! im Schmerz und unbewußt Sprach ich was ich gefühlet; Ich hab mit dem Tod in der eignen Brust Den sterbenden Fechter gespielet. XLV Den König Wiswamitra, Den treibts ohne Rast und Ruh, Er will durch Kampf und Büßung Erwerben Wasischtas Kuh. O, König Wiswamitra, O, welch ein Ochs bist du, Daß du so viel kämpfest und büßest, Und alles für eine Kuh! XLVI Herz, mein Herz, sei nicht beklommen, Und ertrage dein Geschick, Neuer Frühling gibt zurück, Was der Winter dir genommen. Und wie viel ist dir geblieben! Und wie schön ist noch die Welt! Und, mein Herz, was dir gefällt, Alles, alles darfst du lieben! XLVII Du bist wie eine Blume, So hold und schön und rein; Ich schau dich an, und Wehmut Schleicht mir ins Herz hinein. Mir ist, als ob ich die Hände Aufs Haupt dir legen sollt, Betend, daß Gott dich erhalte So rein und schön und hold. XLVIII Kind! Es wäre dein Verderben, Und ich geb mir selber Mühe, Daß dein liebes Herz in Liebe Nimmermehr für mich erglühe. Nur daß mirs so leicht gelinget, Will mich dennoch fast betrüben, Und ich denke manchmal dennoch: Möchtest du mich dennoch lieben! XLIX Wenn ich auf dem Lager liege, In Nacht und Kissen gehüllt, So schwebt vor mir ein süßes, Anmutig liebes Bild. Wenn mir der stille Schlummer Geschlossen die Augen kaum, So schleicht das Bild sich leise Hinein in meinen Traum. Doch mit dem Traum des Morgens Zerrinnt es nimmermehr; Dann trag ich es im Herzen Den ganzen Tag umher. L Mädchen mit dem roten Mündchen, Mit den Äuglein süß und klar, Du mein liebes, kleines Mädchen, Deiner denk ich immerdar. Lang ist heut der Winterabend, Und ich möchte bei dir sein, Bei dir sitzen, mit dir schwatzen, Im vertrauten Kämmerlein. An die Lippen wollt ich pressen Deine kleine, weiße Hand, Und mit Tränen sie benetzen, Deine kleine, weiße Hand. LI Mag da draußen Schnee sich türmen, Mag es hageln, mag es stürmen, Klirrend mir ans Fenster schlagen, Nimmer will ich mich beklagen, Denn ich trage in der Brust Liebchens Bild und Frühlingslust. LII Andre beten zur Madonne, Andre auch zu Paul und Peter; Ich jedoch, ich will nur beten, Nur zu dir, du schöne Sonne. Gib mir Küsse, gib mir Wonne, Sei mir gütig, sei mir gnädig, Schönste Sonne unter den Mädchen, Schönstes Mädchen unter der Sonne! LIII Verriet mein bla**es Angesicht Dir nicht mein Liebeswehe? Und willst du, daß der stolze Mund Das Bettelwort gestehe? O, dieser Mund ist viel zu stolz, Und kann nur küssen und scherzen; Er spräche vielleicht ein höhnisches Wort, Während ich sterbe vor Schmerzen. LIV Teurer Freund, du bist verliebt, Und dich quälen neue Schmerzen; Dunkler wird es dir im Kopf, Heller wird es dir im Herzen. Teurer Freund, du bist verliebt, Und du willst es nicht bekennen, Und ich seh des Herzens Glut Schon durch deine Weste brennen. LV Ich wollte bei dir weilen Und an deiner Seite ruhn; Du mußtest von mir eilen; Du hattest viel zu tun. Ich sagte, daß meine Seele Dir gänzlich ergeben sei; Du lachtest aus voller Kehle, Und machtest ´nen Knicks dabei. Du hast noch mehr gesteigert Mir meinen Liebesverdruß, Und hast mir sogar verweigert Am Ende den Abschiedskuß. Glaub nicht, daß ich mich erschieße, Wie schlimm auch die Sachen stehn! Das alles, meine Süße, Ist mir schon einmal geschehn. LVI Saphire sind die Augen dein, Die lieblichen, die süßen. O, dreimal glücklich ist der Mann, Den sie mit Liebe grüßen. Dein Herz, es ist ein Diamant, Der edle Lichter sprühet. O, dreimal glücklich ist der Mann, Für den es liebend glühet. Rubinen sind die Lippen dein, Man kann nicht schönre sehen. O, dreimal glücklich ist der Mann, Dem sie die Liebe gestehen. O, kennt ich nur den glücklichen Mann, O, daß ich ihn nur fände, So recht allein im grünen Wald, Sein Glück hätt bald ein Ende. LVII Habe mich mit Liebesreden Festgelogen an dein Herz, Und, verstrickt in eigne Fäden, Wird zum Ernste mir mein Scherz. Wenn du dich, mit vollem Rechte, Scherzend nun von mir entfernst, Nahn sich mir die Höllenmächte, Und ich schieß mich tot im Ernst. LVIII Zu fragmentarisch ist Welt und Leben! Ich will mich zum deutschen Professor begeben. Der weiß das Leben zusammenzusetzen, Und er macht ein verständlich System daraus; mit seinen Nachtmützen und Schlafrockfetzen Stopft er die Lücken des Weltenbaus. LIX Ich hab mir lang den Kopf zerbrochen, Mit Denken und Sinnen, Tag und Nacht, Doch deine liebenswürdigen Augen, Sie haben mich zum Entschluß gebracht. Jetzt bleib ich, wo deine Augen leuchten, In ihrer süßen, klugen Pracht – Daß ich noch einmal würde lieben, Ich hätt es nimmermehr gedacht. LX Sie haben heut abend Gesellschaft, Und das Haus ist lichterfüllt. Dort oben am hellen Fenster Bewegt sich ein Schattenbild. Du schaust mich nicht, im Dunkeln Steh ich hier unten allein; Noch wenger kannst du schauen In mein dunkles Herz hinein. Mein dunkles Herze liebt dich, Es liebt dich und es bricht, Und bricht und zuckt und verblutet, Aber du siehst es nicht. LXI Ich wollt, meine Schmerzen ergössen Sich all in ein einziges Wort, Das gäb ich den lustigen Winden, Die trügen es lustig fort. Sie tragen zu dir, Geliebte, Das schmerzerfüllte Wort; Du hörst es zu jeder Stunde, Du hörst es an jedem Ort. Und hast du zum nächtlichen Schlummer Geschlossen die Augen kaum, So wird dich mein Wort verfolgen Bis in den tiefsten Traum. LXII Du hast Diamanten und Perlen, Hast alles, was Menschenbegehr, Und hast die schönsten Augen – Mein Liebchen, was willst du mehr? Auf deine schönen Augen Hab ich ein ganzes Heer Von ewigen Liedern gedichtet – Mein Liebchen, was willst du mehr? Mit deinen schönen Augen Hast du mich gequält so sehr, Und hast mich zu Grunde gerichtet – Mein Liebchen, was willst du mehr? LXIII Wer zum ersten Male liebt, Seis auch glücklos, ist ein Gott; Aber wer zum zweiten Male Glücklos liebt, der ist ein Narr. Ich, ein solcher Narr, ich liebe Wieder ohne Gegenliebe! Sonne, Mond und Sterne lachen, Und ich lache mit – und sterbe. LXIV Gaben mir Rat und gute Lehren, Überschütteten mich mit Ehren, Sagten, daß ich nur warten sollt, Haben mich protegieren gewollt. Aber bei all ihrem Protegieren Hätte ich können vor Hunger krepieren, Wär nicht gekommen ein braver Mann, Wacker nahm er sich meiner an. Braver Mann! Er schafft mir zu essen.! Will es ihm nie und nimmer vergessen! Schade, daß ich ihn nicht küssen kann! Denn ich bin selbst dieser brave Mann. LXV Diesen liebenswürdgen Jüngling Kann man nicht genug verehren; Oft traktiert er mich mit Austern, Und mit Rheinwein und Likören. Zierlich sitzt ihm Rock und Höschen, Doch noch zierlicher die Binde, Und so kommt er jeden Morgen, Fragt, ob ich mich wohlbefinde; Spricht von meinem weiten Ruhme, Meiner Anmut, meinen Witzen; Eifrig und geschäftig ist er Mir zu dienen, mir zu nützen. Und des Abends, in Gesellschaft, Mit begeistertem Gesichte, Deklamiert er vor den Damen Meine göttlichen Gedichte. O, wie ist es hoch erfreulich, Solchen Jüngling noch zu finden, Jetzt in unsrer Zeit, wo täglich Mehr und mehr die Bessern schwinden. LXVI Mir träumt': ich bin der liebe Gott, Und sitz im Himmel droben, Und Englein sitzen um mich her, Die meine Verse loben. Und Kuchen ess ich und Konfekt Für manchen lieben Gulden, Und Kardinal trink ich dabei, Und habe keine Schulden. Doch Langeweile plagt mich sehr, Ich wollt, ich wär auf Erden, Und wär ich nicht der liebe Gott, Ich könnt des Teufels werden. Du langer Engel Gabriel, Geh, mach dich auf die Sohlen, Und meinen teuren Freund Eugen Sollst du herauf mir holen. Such ihn nicht im Kollegium, Such ihn beim Glas Tokayer; Such ihn nicht in der Hedwigskirch, Such ihn bei Mamsell Meyer. Da breitet aus sein Flügelpaar Und fliegt herab der Engel, Und packt ihn auf, und bringt herauf Den Freund, den lieben Bengel. Ja, Jung, ich bin der liebe Gott, Und ich regier die Erde! Ich habs ja immer dir gesagt, Daß ich was Rechts noch werde. Und Wunder tu ich alle Tag, Die sollen dich entzücken, Und dir zum Spaße will ich heut Die Stadt Berlin beglücken. Die Pflastersteine auf der Straß, Die sollen jetzt sich spalten, Und eine Auster, frisch und klar, Soll jeder Stein enthalten. Ein Regen von Zitronensaft Soll tauig sie begießen, Und in den Straßengössen soll Der beste Rheinwein fließen. Wie freuen die Berliner sich, Sie gehen schon ans Fressen; Die Herren von dem Landgericht Die saufen aus den Gössen. Wie freuen die Poeten sich Bei solchem Götterfraße! Die Leutnants und die Fähnderichs, Die lecken ab die Straße. Die Leutnants und die Fähnderichs, Das sind die klügsten Leute, Sie denken, alle Tag geschieht Kein Wunder so wie heute. LXVII Ich hab Euch im besten Juli verla**en, Und finde Euch wieder im Januar; Ihr saßet damals so recht in der Hitze, Jetzt seid Ihr gekühlt und kalt sogar. Bald scheid ich nochmals, und komm ich einst wieder, Dann seid Ihr weder warm noch kalt, Und über Eure Gräber schreit ich, Und das eigne Herz ist arm und alt. LXVIII Von schönen Lippen fortgedrängt, getrieben Aus schönen Armen, die uns fest umschlossen! Ich wäre gern noch einen Tag geblieben, Da kam der Schwager schon mit seinen Rossen. Das ist das Leben, Kind! Ein ewig Jammern, Ein ewig Abschiednehmen, ewges Trennen! Konnt denn dein Herz das meinge nicht umklammern? Hat selbst dein Auge mich nicht halten können? LXIX Wir fuhren allein im dunkeln Postwagen die ganze Nacht; Wir ruhten einander am Herzen, Wir haben gescherzt und gelacht. Doch als es morgens tagte, Mein Kind, wie staunten wir! Denn zwischen uns saß Amor, Der blinde Pa**agier. LXX Das weiß Gott, wo sich die tolle Dirne einquartieret hat; Fluchend, in dem Regenwetter, Lauf ich durch die ganze Stadt. Bin ich doch von einem Gasthof nach dem andern hingerannt, Und an jeden groben Kellner Hab ich mich umsonst gewandt. Da erblick ich sie am Fenster, Und sie winkt und kichert hell. Konnt ich wissen, du bewohntest, Mädchen, solches Prachthotel! LXXI Wie dunkle Träume stehen Die Häuser in langer Reih; Tief eingehüllt im Mantel, Schreite ich schweigend vorbei. Der Turm der Kathedrale Verkündet die zwölfte Stund; Mit ihren Reizen und Küssen Erwartet mich Liebchen jetzund. Der Mond ist mein Begleiter, Er leuchtet mir freundlich vor; Da bin ich an ihrem Hause, Und freudig ruf ich empor: Ich danke dir, alter Vertrauter, Daß du meinen Weg erhellt; Jetzt will ich dich entla**en, Jetzt leuchte der übrigen Welt! Und findest du einen Verliebten, Der einsam klagt sein Leid, So tröst ihn, wie du mich selber Getröstet in alter Zeit. LXXII Und bist du erst mein ehlich Weib, Dann bist du zu beneiden, Dann lebst du in lauter Zeitvertreib, In lauter Pläsier und Freuden. Und wenn du schiltst und wenn du tobst, Ich werd es geduldig leiden; Doch wenn du meine Verse nicht lobst, Laß ich mich von dir scheiden. LXXIII An deine schneeweiße Schulter Hab ich mein Haupt gelehnt, Und heimlich kann ich behorchen, Wonach dein Herz sich sehnt. Es blasen die blauen Husaren, Und reiten zum Tor herein, Und morgen will mich verla**en Die Herzallerliebste mein. Und willst du mich morgen verla**en, So bist du doch heute noch mein, Und in deinen schönen Armen Will ich doppelt selig sein. LXXIV Es blasen die blauen Husaren, Und reiten zum Tor hinaus; Da komm ich, Geliebte, und bringe Dir einen Rosenstrauß. Das war eine wilde Wirtschaft! Kriegsvolk und Landesplag! Sogar in deinem Herzchen Viel Einquartierung lag. LXXV Habe auch, in jungen Jahren, Manches bittre Leid erfahren Von der Liebe Glut. Doch das Holz ist gar zu teuer, Und erlöschen will das Feuer, Ma foi! und das ist gut. Das bedenke, junge Schöne, Schicke fort die dumme Träne, Und den dummen Liebesharm. Ist das Leben dir geblieben, So vergiß das alte Lieben, Ma foi! in meinem Arm. LXXVI Bist du wirklich mir so feindlich, Bist du wirklich ganz verwandelt? Aller Welt will ich es klagen, Daß du mich so schlecht behandelt. O ihr undankbaren Lippen, Sagt, wie könnt ihr Böses sagen Von dem Manne, der so liebend Euch geküßt, in schönen Tagen. LXXVII Ach, die Augen sind es wieder, Die mich einst so lieblich grüßten, Und es sind die Lippen wieder, Die das Leben mir versüßten! Auch die Stimme ist es wieder, Die ich einst so gern gehöret! Nur ich selber bins nicht wieder, Bin verändert heimgekehret. Von den weißen, schönen Armen Fest und liebevoll umschlossen, Lieg ich jetzt an ihrem Herzen, Dumpfen Sinnes und verdroßen. LXXVIII Selten habt ihr mich verstanden, Selten auch verstand ich euch, Nur wenn wir im Kot uns fanden, So verstanden wir uns gleich. LXXIX Doch die Kastraten klagten, Als ich meine Stimm erhob; Sie klagten und sie sagten: Ich sänge viel zu grob. Und lieblich erhoben sie alle Die kleinen Stimmelein, Die Trillerchen, wie Kristalle, Sie klangen so fein und rein. Sie sangen von Liebessehnen, Von Liebe und Liebeserguß; Die Damen schwammen in Tränen Bei solchem Kunstgenuß. LXXX Auf den Wällen Salamankas Sind die Lüfte lind und labend; Dort, mit meiner holden Donna, Wandle ich am Sommerabend. Um den schlanken Leib der Schönen Hab ich meinen Arm gebogen, Und mit selgem Finger fühl ich Ihres Busens stolzes Wogen. Doch ein ängstliches Geflüster Zieht sich durch die Lindenbäume, Und der dunkle Mühlbach unten Murmelt böse, bange Träume. »Ach Sennora, Ahnung sagt mir: Einst wird man mich relegieren, Und auf Salamankas Wällen Gehn wir nimmermehr spazieren.« LXXXI Neben mir wohnt Don Henriques, Den man auch den Schönen nennet; Nachbarlich sind unsre Zimmer Nur von dünner Wand getrennet. Salamankas Damen glühen, Wenn er durch die Straßen schreitet, Sporenklirrend, schnurrbartkräuselnd, Und von Hunden stets begleitet. Doch in stiller Abendstunde Sitzt er ganz allein daheime, In den Händen die Gitarre, In der Seele süße Träume. In die Saiten greift er bebend Und beginnt zu phantasieren, – Ach! wie Katzenjammer quält mich Sein Geschnarr und Quinquillieren. LXXXII Kaum sahen wir uns, und an Augen und Stimme Merkt ich, daß du mir gewogen bist; Stand nicht dabei die Mutter, die schlimme, Ich glaube, wir hätten uns gleich geküßt. Und morgen verla**e ich wieder das Städtchen, Und eile fort im alten Lauf; Dann lauert am Fenster mein blondes Mädchen, Und freundliche Grüße werf ich hinauf. LXXXIII Über die Berge steigt schon die Sonne, Die Lämmerherde läutet fern; Mein Liebchen, mein Lamm, meine Sonne und Wonne, Noch einmal säh ich dich gar zu gern! Ich schaue hinauf, mit spähender Miene – Leb wohl, mein Kind, ich wandre von hier! Vergebens! Es regt sich keine Gardine; Sie liegt noch und schläft – und träumt von mir? LXXXIV Zu Halle auf dem Markt, Da stehn zwei große Löwen. Ei, du hallischer Löwentrotz, Wie hat man dich gezähmet! Zu Halle auf dem Markt, Da steht ein großer Riese. Er hat ein Schwert und regt sich nicht, Er ist vor Schreck versteinert. Zu Halle auf dem Markt, Da steht eine große Kirche. Die Burschenschaft und die Landsmannschaft, Die haben dort Platz zum Beten. LXXXV Dämmernd liegt der Sommerabend Über Wald und grünen Wiesen; Goldner Mond, im blauen Himmel, Strahlt herunter, duftig labend. An dem Bache zirpt die Grille, Und es regt sich in dem Wa**er, Und der Wandrer hört ein Plätschern Und ein Atmen in der Stille. Dorten an dem Bach alleine, Badet sich die schöne Elfe; Arm und Nacken, weiß und lieblich, Schimmern in dem Mondenscheine. LXXXVI Nacht liegt auf den fremden Wegen, Krankes Herz und müde Glieder; – Ach, da fließt, wie stiller Segen, Süßer Mond, dein Licht hernieder. Süßer Mond, mit deinen Strahlen Scheuchest du das nächtge Grauen; Es zerrinnen meine Qualen, Und die Augen übertauen. LXXXVII Der Tod das ist die kühle Nacht, Das Leben ist der schwüle Tag. Es dunkelt schon, mich schläfert, Der Tag hat mich müd gemacht. Über mein Bett erhebt sich ein Baum, Drin singt die junge Nachtigall; Sie singt von lauter Liebe, Ich hör es sogar im Traum. LXXXVIII »Sag, wo ist dein schönes Liebchen, Das du einst so schön besungen, Als die zaubermächtgen Flammen Wunderbar dein Herz durchdrungen?« Jene Flammen sind erloschen, Und mein Herz ist kalt und trübe, Und dies Büchlein ist die Urne Mit der Asche meiner Liebe.