Sonette [I] An A. W. v. Schlegel Im Reifrockputz mit Blumen reich verzieret, Schönpflästerchen auf den geschminkten Wangen, Mit Schnabelschuhn, mit Stickerein behangen, Mit Turmfrisur und wespengleich geschnüret: So war die Aftermuse ausstaffieret, Als sie einst kam, dich liebend zu umfangen. Du bist ihr aber aus dem Weg gegangen, Und irrtest fort, von dunkelm Trieb geführet. Da fandest du ein Schloß in alter Wildnis, Und drinnen lag, wie'n holdes Marmorbildnis, Die schönste Maid in Zauberschlaf versunken. Doch wich der Zauber bald, bei deinem Gruße Aufwachte lächelnd Deutschlands echte Muse, Und sank in deine Arme liebestrunken. [II] An meine Mutter B. Heine, geborene v. Gelderen 1 Ich bins gewohnt, den Kopf recht hoch zu tragen, Mein Sinn ist auch ein bißchen starr und zähe; Wenn selbst der König mir ins Antlitz sähe, Ich würde nicht die Augen niederschlagen. Doch, liebe Mutter, offen will ichs sagen: Wie mächtig auch mein stolzer Mut sich blähe, In deiner selig süßen, trauten Nähe Ergreift mich oft ein demutvolles Zagen. Ist es dein Geist, der heimlich mich bezwinget, Dein hoher Geist, der alles kühn durchdringet, Und blitzend sich zum Himmelslichte schwinget? Quält mich Erinnerung, daß ich verübet So manche Tat, die dir das Herz betrübet? Das schöne Herz, das mich so sehr geliebet? 2 Im tollen Wahn hatt ich dich einst verla**en, Ich wollte gehn die ganze Welt zu Ende, Und wollte sehn, ob ich die Liebe fände, Um liebevoll die Liebe zu umfa**en. Die Liebe suchte ich auf allen Ga**en, Vor jeder Türe streckt ich aus die Hände, Und bettelte um gringe Liebesspende – Doch lachend gab man mir nur kaltes Ha**en. Und immer irrte ich nach Liebe, immer Nach Liebe, doch die Liebe fand ich nimmer, Und kehrte um nach Hause, krank und trübe. Doch da bist du entgegen mir gekommen, Und ach! was da in deinem Aug geschwommen, Das war die süße, langgesuchte Liebe. [III] An H. S. Wie ich dein Büchlein hastig aufgeschlagen, Da grüßen mir entgegen viel vertraute, Viel goldne Bilder, die ich weiland schaute Im Knabentraum und in den Kindertagen. Ich sehe wieder stolz gen Himmel ragen Den frommen Dom, den deutscher Glaube baute, Ich hör der Glocken und der Orgel Laute, Dazwischen klingts wie süße Liebesklagen. Wohl seh ich auch, wie sie den Dom umklettern, Die flinken Zwerglein, die sich dort erfrechen Das hübsche Blum- und Schnitzwerk abzubrechen. Doch mag man immerhin die Eich entblättern Und sie des grünen Schmuckes rings berauben – Kommt neuer Lenz, wird sie sich neu belauben. [IV] Fresko-Sonette an Christian S. 1 Ich tanz nicht mit, ich räuchre nicht den Klötzen, Die außen goldig sind, inwendig Sand; Ich schlag nicht ein, reicht mir ein Bub die Hand, Der heimlich will den Namen mir zerfetzen. Ich beug mich nicht vor jenen hübschen Metzen, Die schamlos prunken mit der eignen Schand; Ich zieh nicht mit, wenn sich der Pöbel spannt Vor Siegeswagen seiner eiteln Götzen. Ich weiß es wohl, die Eiche muß erliegen, Derweil das Rohr am Bach, durch schwa*kes Biegen, In Wind und Wetter stehn bleibt, nach wie vor. Doch sprich, wie weit bringts wohl am End solch Rohr? Welch Glück! als ein Spazierstock dients dem Stutzer, Als Kleiderklopfer dients dem Stiefelputzer. 2 Gib her die Larv, ich will mich jetzt maskieren In einen Lumpenkerl, damit Halunken, Die prächtig in Charaktermasken prunken, Nicht wähnen, Ich sei einer von den Ihren. Gib her gemeine Worte und Manieren, Ich zeige mich in Pöbelart versunken, Verleugne all die schönen Geistesfunken, Womit jetzt fade Schlingel kokettieren. So tanz ich auf dem großen Maskenballe, Umschwärmt von deutschen Rittern, Mönchen, Köngen, Von Harlekin gegrüßt, erkannt von wengen. Mit ihrem Holzschwert prügeln sie mich alle. Das ist der Spaß. Denn wollt ich mich entmummen, So müßte all das Galgenpack verstummen. 3 Ich lache ob den abgeschmackten Laffen, Die mich anglotzen mit den Bocksgesichtern; Ich lache ob den Füchsen, die so nüchtern Und hämisch mich beschnüffeln und begaffen. Ich lache ob den hochgelahrten Affen, Die sich aufblähn zu stolzen Geistesrichtern; Ich lache ob den feigen Bösewichtern,
Die mich bedrohn mit giftgetränkten Waffen. Denn wenn des Glückes hübsche Siebensachen Uns von des Schicksals Händen sind zerbrochen, Und so zu unsern Füßen hingeschmissen; Und wenn das Herz im Leibe ist zerrissen, Zerrissen, und zerschnitten, und zerstochen – Dann bleibt uns doch das schöne gelle Lachen. 4 Im Hirn spukt mir ein Märchen wunderfein, Und in dem Märchen klingt ein feines Lied, Und in dem Liede lebt und webt und blüht Ein wunderschönes, zartes Mägdelein. Und in dem Mägdlein wohnt ein Herzchen klein, Doch in dem Herzchen keine Liebe glüht; In dieses lieblos frostige Gemüt Kam Hochmut nur und Übermut hinein. Hörst du, wie mir im Kopf das Märchen klinget? Und wie das Liedchen summet ernst und schaurig? Und wie das Mägdlein kichert, leise, leise? Ich fürchte nur, daß mir der Kopf zerspringet – Und, ach! da wärs doch gar entsetzlich traurig, Käm der Verstand mir aus dem alten Gleise. 5 In stiller, wehmutweicher Abendstunde Umklingen mich die längst verschollnen Lieder, Und Tränen fließen von der Wange nieder, Und Blut entquillt der alten Herzenswunde. Und wie in eines Zauberspiegels Grunde Seh ich das Bildnis meiner Liebsten wieder; Sie sitzt am Arbeitstisch, im roten Mieder, Und Stille herrscht in ihrer selgen Runde. Doch plötzlich springt sie auf vom Stuhl und schneidet Von ihrem Haupt die schönste aller Locken, Und gibt sie mir – vor Freud bin ich erschrocken! Mephisto hat die Freude mir verleidet. Er spann ein festes Seil von jenen Haaren, Und schleift mich dran herum seit vielen Jahren. 6 »Als ich vor einem Jahr dich wiederblickte, Küßtest du mich nicht in der Willkommstund.« So sprach ich, und der Liebsten roter Mund Den schönsten Kuß auf meine Lippen drückte. Und lächelnd süß ein Myrtenreis sie pflückte Vom Myrtenstrauche, der am Fenster stund: »Nimm hin, und pflanz dies Reis in frischen Grund, Und stell ein Glas darauf«, sprach sie und nickte. – Schon lang ists her. Es starb das Reis im Topf. Sie selbst hab ich seit Jahren nicht gesehn; Doch brennt der Kuß mir immer noch im Kopf. Und aus der Ferne triebs mich jüngst zum Ort, Wo Liebchen wohnt. Vorm Hause blieb ich stehn Die ganze Nacht, ging erst am Morgen fort. 7 Hüt dich, mein Freund, vor grimmen Teufelsfratzen, Doch schlimmer sind die sanften Engelsfrätzchen. Ein solches bot mir einst ein süßes Schmätzchen, Doch wie ich kam, da fühlt ich scharfe Tatzen. Hüt dich, mein Freund, vor schwarzen, alten Katzen, Doch schlimmer sind die weißen, jungen Kätzchen. Ein solches macht ich einst zu meinem Schätzchen, Doch tät mein Schätzchen mir das Herz zerkratzen. O süßes Frätzchen, wundersüßes Mädchen! Wie konnte mich dein klares Äuglein täuschen? Wie konnt dein Pfötchen mir das Herz zerfleischen? O meines Kätzchens wunderzartes Pfötchen! Könnt ich dich an die glühnden Lippen pressen, Und könnt mein Herz verbluten unterdessen! 8 Du sahst mich oft im Kampf mit jenen Schlingeln, Geschminkten Katzen und bebrillten Pudeln, Die mir den blanken Namen gern besudeln, Und mich so gerne ins Verderben züngeln. Du sahest oft, wie mich Pedanten hudeln, Wie Schellenkappenträger mich umklingeln, Wie giftge Schlangen um mein Herz sich ringeln; Du sahst mein Blut aus tausend Wunden sprudeln. Du aber standest fest gleich einem Turme; Ein Leuchtturm war dein Kopf mir in dem Sturme, Dein treues Herz war mir ein guter Hafen. Wohl wogt um jenen Hafen wilde Brandung, Nur wenge Schiff erringen dort die Landung, Doch ist man dort, so kann man sicher schlafen. 9 Ich möchte weinen, doch ich kann es nicht; Ich möcht mich rüstig in die Höhe heben, Doch kann ichs nicht; am Boden muß ich kleben, Umkrächzt, umzischt von eklem Wurmgezücht. Ich möchte gern mein heitres Lebenslicht, Mein schönes Lieb, allüberall umschweben, In ihrem selig süßen Hauche leben – Doch kann ichs nicht, mein krankes Herze bricht. Aus dem gebrochnen Herzen fühl ich fließen Mein heißes Blut, ich fühle mich ermatten, Und vor den Augen wirds mir trüb und trüber. Und heimlich schauernd sehn ich mich hinüber Nach jenem Nebelreich, wo stille Schatten Mit weichen Armen liebend mich umschließen.