XXII.
Phöbus, in der Sonnendroschke,
Peitschte seine Flammenrosse,
Und er hatte schon zur Hälfte
Seine Himmelsfahrt vollendet –
Während ich im Schlafe lag
Und von Bären und Gespenstern,
Die sich wunderlich umschlangen,
Tolle Arabesken! träumte.
Mittag war's, als ich erwachte,
Und ich fand mich ganz allein.
Meine Wirthin und Laskaro
Gingen auf die Jagd schon frühe.
In der Hütte blieb zurück
Nur der Mops. Am Feuerherde
Stand er aufrecht vor dem Kessel,
In den Pfoten einen Löffel.
Schien vortrefflich abgerichtet,
Wenn die Suppe überkochte,
Schnell darin herumzurühren
Und die Blasen abzuschäumen.
Aber bin ich selbst behext?
Oder lodert mir im Kopfe
Noch das Fieber? Meinen Ohren
Glaub' ich kaum – es spricht der Mops!
Ja, er spricht, und zwar gemüthlich
Schwäbisch ist die Mundart; träumend,
Wie verloren in Gedanken,
Spricht er folgendergestalt:
»O, ich armer Schwabendichter!
In der Fremde muss ich traurig
Als verwünschter Mops verschmachten,
Und den Hexenkessel hüten!
»Welch ein schändliches Verbrechen
Ist die Zauberei! Wie tragisch
Ist mein Schicksal: menschlich fühlen
In der Hülle eines Hundes!
»Wär' ich doch daheim geblieben,
Bei den trauten Schulgenossen!
Das sind keine Hexenmeister,
Sie bezaubern keinen Menschen.
»Wär' ich doch daheim geblieben,
Bei Karl Mayer, bei den süßen
Gelbveiglein des Vaterlandes,
Bei den frommen Metzelsuppen!
»Heute sterb' ich fast vor Heimweh –
Sehen möcht' ich nur den Rauch,
Der emporsteigt aus dem Schornstein,
Wenn man Nudeln kocht in Stukkert!«
Als ich Dies vernahm, ergriff mich
Tiefe Rührung; von dem Lager
Sprang ich auf, an das Kamin
Setzt' ich mich, und sprach mitleidig:
»Edler Sänger, wie geriethest
Du in diese Hexenhütte?
Und warum hat man so grausam
Dich in einen Hund verwandelt?«
Jener aber rief mit Freude:
»Also sind Sie kein Franzose?
Sind ein Deutscher, und verstanden
Meinen stillen Monolog?
»Ach, Herr Landsmann, welch ein Unglück,
Da** der Legationsrath Kölle,
Wenn wir bei Taback und Bier
In der Kneipe diskurierten,
»Immer auf den Satz zurückkam,
Man erwürbe nur durch Reisen
Jene Bildung, die er selber
Aus der Fremde mitgebracht!
»Um mir nun die rohe Kruste
Von den Beinen abzulaufen,
Und, wie Kölle, mir die feinern
Weltmannssitten anzuschleifen:
»Nahm ich Abschied von der Heimat,
Und auf meiner Bildungsreise
Kam ich nach den Pirenäen,
Nach der Hütte der Uraka.
»Bracht' ihr ein Empfehlungsschreiben
Vom Justinus Kerner; dachte
Nicht daran, da** dieser Freund
In Verbindung steht mit Hexen.
»Freundlich nahm mich auf Uraka,
Nach es wuchs, zu meinem Schrecken,
Diese Freundlichkeit, ausartend
Endlich gar in Sinnenbrunst.
»Ja, es flackerte die Unzucht
Scheußlich auf im welken Busen
Dieser lasterhaften Bettel,
Und sie wollte mich verführen.
»Doch ich flehte: Ach, entschuld'gen
Sie, Madame; bin kein frivoler
Goetheaner, ich gehöre
Zu der Dichterschule Schwabens.
»Sittlichkeit ist unsre Muse,
Und sie trägt vom dicksten Leder
Unterhosen – Ach! vergreifen
Sie sich nicht an meiner Tugend!
»Andre Dichter haben Geist,
Andre Phantasie, und andre
Leidenschaft, jedoch die Tugend
Haben wir, die Schwabendichter.
»Das ist unser einz'ges Gut!
Rauben Sie mir nicht den sittlich
Religiösen Bettelmantel,
Welcher meine Blöße deckt!
»Also sprach ich, doch ironisch
Lächelte das Weib, und lächelnd
Nahm sie eine Mistelgerte
Und berührt' damit mein Haupt.
»Ich empfand alsbald ein kaltes
Missgefühl, als überzöge
Eine Gänsehaut die Glieder,
die Haut von einer Gans
»War es nicht, es war vielmehr
Eines Hundes Fell – Seit jener
Unheilstund' bin ich verwandelt,
Wie Sie sehn, in einen Mops!«
Armer Schelm! Vor lauter Schluchzen,
Konnte er nicht weiter sprechen,
Und er weinte so beträglich,
Da** er fast zerfloss in Thränen.
»Hören Sie,« sprach ich mit Wehmuth,
»Kann ich etwa von dem Hundsfell
Sie befrein, und Sie der Dichtkunst
Und der Menschheit wiedergeben?«
Jener aber hub wie trostlos
Und verzweiflungsvoll die Pfoten
In die Höhe, und mit Seufzen
Und mit Stöhnen sprach er endlich:
»Bis zum jüngsten Tage bleib' ich
Eingekerkert in der Mopshaut,
Wenn nicht einer Jungfrau Großmuth
Mich erlöst aus der Verwünschung.
»Ja, nur eine reine Jungfrau,
Die noch keinen Mann berührt hat,
Und die folgende Bedingung
Treu erfüllt, kann mich erlösen:
»Diese reine Jungfrau muß
In der Nacht von Sankt-Sylvester
Die Gedichte Gustav Pfizer's
Lesen – ohne einzuschlafen!
»Blieb sie wach bei der Lektüre,
Schloss sie nicht die keuschen Augen –
Dann bin ich entzaubert, menschlich
Athm' ich auf, ich bin entmopst!«
»Ach, in diesem Falle« – sprach ich –
»Kann ich selbst nicht unternehmen
Das Erlösungswerk; denn erstens
Bin ich keine reine Jungfrau,
»Und im Stande war' ich zweitens
Noch viel wen'ger, die Gedichte
Gustav Pfizer's je zu lesen,
Ohne dabei einzuschlafen.«
In der ursprünglichen Fa**ung des Gedichts folgt hier das nachstehende Kaput:
Einsam sinnend, vor dem Heide,
Saß ich in der Hexenhütte;
Neben mir, den Kessel rührend.
Stand der tugendhafte Mops.
War es Neugier, war es Hunger?
Endlich nahm ich aus den Pfoten
Ihm den Löffel, und im Kessel
Fischt' ich mir ein Stückchen Fleisch.
War ein großes Herz gekocht
Ganz vortrefflich, äußerst schmackhaft;
Doch ich hatt' es kaum verzehrt,
Als ich hörte eine Stimme:
»O, der deutsche Fresser! Dieser
Frißt das Herz von einem Diebe,
Der gehenkt war in Tolosa!
Kann man so gefräßig sein!«
Jene Worte rief ein Geier,
Einer von den ausgestopften,
Und die andern, wie im Chore,
Schnarrten: »O, der deutsche Fresser!«
Wer ein Diebesherz gegessen,
Der versteht, was das Gevögel
Pfeift und zwitschert, also heißt es;
Hab' erprobt der Sage Wahrheit.
Denn seit jener Stunde bin ich
Aller Vogelsprachen kundig;
Ich versteh' sogar die todten,
Ausgestopften Dialekte.
Draußen klopfte es ans Fenster.
Und ich eilte, es zu öffnen.
Sieben große Raben waren's,
Die hereingeflogen kamen.
Nahten sich dem Feuer, wärmten
Sich die Krallen, leidenschaftlich
Ihre Fittige bewegend,
Krächzen auch diverse Flüche.
Sie verwünschten ganz besonders
Jenen Juden Mendizabel,
Der die Klöster aufgehoben,
Ihre lieben alten Nester.
Frugen mich: »Wo geht der Weg
Nach Monacho Monachorum?«
Links, links um die Ecke, sprach ich,
Grüßt mir dort den Pater Joseph!
Doch die schwarzen Emigranten
Weilten an dem Herd nicht lange,
Und sie flatterten von dannen
Wieder durch das offne Fenster.
Federvieh von allen Sorten
Kam jetzt ab und zu geflogen.
Unsre Hütte schien ein Wirtshaus
Für das reisende Gevögel.
Mehre Störche, ein'ge Schwäne,
Auch verschiedne Eulen; diese
Klagten über schlechtes Wetter,
Sonnenschein und Atheismus.
In Gesellschaft zweier Gänse,
Die wie Wärterinnen aussahn
Und im Flug ihn unterstützten
Kam ein kranker Pelikan.
Wärmte seine wunde Brust,
Und mit leidender Verachtung
Auf die Eulensippschaft blickend,
zog er wieder fort durchs Fenster.
Auch etwelche Tauben schwirrten
An das Feuer, lachend, kullernd,
Und nachdem sie sich erquickt,
Flogen sie des Weges weiter.
Endlich kam ein Wiedehopf,
Kurzbeflügelt, stelzenbeinig;
Als er mich erblickt, da lacht er:
»Kennst nicht mehr den Freund Hut-Hut?«
Und ich selber musste lachen,
Denn es war mein Freund Hut-hut,
Der vor dritthalb tausend Jahren
Kabinettskourier gewesen,
Und von Salomo, dem Weisen,
Mit Depeschen abgeschickt ward
An die holde Balkaïsa,
An die Königin von Saba.
Jener glühte für die Schöne,
Die man ihm so schön geschildert;
Diese schwärmte für den Weisen,
Dessen Weisheit weltberühmt war.
Ihren Scharfsinn zu erproben,
Schickten sie einander Räthsel,
Und mit solcherlei Depeschen
Lief Hut-Hut durch Sand und Wüste.
Räthselmüde zog die Kön'gin
Endlich nach Jeruscholayim,
Und sie stürzte mir Erröthen
In die Arme Salomonis.
Dieser drückte sie ans Herz,
Und er sprach: »Das größte Räthsel,
Süßes Kind, Das ist die Liebe –
Doch wir wollen es nicht lösen!«
Ja, Hut-Hut, der alte Vogel,
War es, der mir freundlich nahte
Im verhexten Luftreviere,
In der Hütte der Uraka.
Alter Vogel! Unverändert
Fand ich ihn. Ganz gravitätisch,
Wie'n Toupet trug er noch immer
Auf dem Kopf das Federkämmchen.
Kreuzte auch das eine Streckbein
Übers andre, und geschwätzig
War er noch, wie sonst; er kürzte
Mir die Zeit mit Hofgeschichten.
Er erzählte mir aufs Neue,
Was mir schon Arabiens Dichter
Längst erzählt, wie Salomo
Einst bezwang den Todesengel
Und am Leben blieb – Unsterblich
Lebt er jetzt in Dschinnistan,
Herrschend über die Dämonen,
Als ein unbeschränkter König.
»Auch die Kön'gin Balkaïsa« –
Sprach Hut-Hut – »ist noch am Leben,
Kraft des Talismans, den weiland
Ihr der Herzgeliebte schenkte.
»Residierend in den fernsten
Mondgebirgen Äthiopiens,
Blieb sie dennoch in Verbindung
Mit dem König Salomo.
»Beide haben zwar gealtert
Und sich abgekühlt, doch schreiben
Sie sich oft, und ganz wie ehmals
Schicken sie einander Räthsel.
»Kindisch freut sich Balkaïa,
Wenn das Räthsel, das sie aufgab,
Nicht gelöst ward von dem König.
Der vergeblich nachgegrübelt –
»Und sie neckt ihn dann graziöse
Und behauptet, mit den Jahren
Werde er ein bischen kopfschwach,
Nennt ihn Schlafmütz' oder Schelling.
»Seinerseits gab jüngst der König
Eine harte Nuss zu knacken
Seiner Freundin, und er schickte
Ihr durch mich die Räthselfrage:
»Wer ist wohl der größte Lump
Unter allen deutschen Lumpen,
Die in allen sechsunddreißig
Deutschen Bundesstaaten leben?
»Hundert Namen hat seitdem
Schon die Kön'gin eingesendet;
Immer schrieb zurück der König:
Kind, Das ist noch nicht der größte! –
»Sehr verdrießlich ist die Kön'gin!
Ob sie gleich durch Emissäre
überall in Deutschland forschte,
Blieb sie doch die Antwort schuldig
»Denn so oft sie einen Lumpen
Als den größten proklamiert,
Läßt ihr Salomo vermelden:
Kind, es giebt noch einen größern!« –
Als ich Dies vernahm, da sprach ich:
Liebster Freund, die Balkaïa
Wird noch lang' vergebens rathen,
Wem der Lumpen-Lorbeer ziemt.
(Dort in meiner theuren Heimat,
Ist das Lumpenthum in Fortschritt,
Und es machen gar zu Viele
Anspruch auf den schmutz'gen Lorbeer.
Gestern noch schien dort der ****
Mir der größte Lump, doch heute
Dünkt er mir ein Unterlümpchen,
Im Vergleich mit dem ****
Und vielleicht im nächsten Zeitblatt
Offenbart sich uns ein neuer
Erzlumpazius, der unsern
Großen **** überlumpt.)
Die eingeklammerten letzten drei Strophen sind im Originalman*skript durchstrichen. strichen.