Kaput XII Wie sie schwärmen, die Poeten, Selbst die zahmen! und sie singen Und sie sagen: die Natur Sei ein großer Tempel Gottes; Sei ein Tempel, dessen Prächte Von dem Ruhm des Schöpfers zeugten, Sonne, Mond und Sterne hingen Dort als Lampen in der Kuppel. Immerhin, ihr guten Leute! Doch gesteht, in diesem Tempel Sind die Treppen unbequem – Niederträchtig schlechte Treppen! Dieses Ab- und Niedersteigen, Bergaufklimmen und das Springen Über Blöcke, es ermüdet Meine Seel' und meine Beine. Neben mir schritt der Laskaro, Bla** und lang wie eine Kerze! Niemals spricht er, niemals lacht er, Er, der todte Sohn der Hexe. Ja, es heißt, er sei ein Todter, Längst verstorben, doch der Mutter, Der Uraka, Zauberkünste Hielten scheinbar ihn am Leben. – Die verwünschten Tempeltreppen! Da** ich stolpernd in den Abgrund Nicht den Hals gebrochen mehrmals, Ist mir heut noch unbegreiflich. Wie die Wa**erstürze kreischten! Wie der Wind die Tannen peitschte, Da** sie heulten! Plötzlich platzten Auch die Wolken – schlechtes Wetter! In der kleinen Fischerhütte, An dem Lac-de-Gobe fanden Wir ein Obdach und Forellen; Diese aber schmeckten köstlich. In dem Polsterstuhle lehnte, Krank und grau, der alte Fährmann. Seine beiden schönen Nichten, Gleich zwei Engeln, pflegten seiner. Dicke Engel, etwas flämisch, Wie entsprungen aus dem Rahmen Eines Rubens: goldne Locken, Kerngesunde, klare Augen, Grübchen in Zinnoberwangen, Drin die Schalkheit heimlich kichert, Und die Glieder stark und üppig, Lust und Furcht zugleich erregend. Hübsche, herzliche Geschöpfe, Die sich köstlich disputierten: Welcher Trank dem siechen Oheim Wohl am besten munden würde? Reicht die Eine ihm die Schale Mit gekochten Lindenblüthen, Dringt die andre auf ihn ein Mit Hollunderblumen-Aufguss. »Keins von Beiden will ich saufen,« –
Rief der Alte ungeduldig – »Holt mir Wein, da** ich den Gästen Einen bessern Trunk kredenze!« Ob es wirklich Wein gewesen, Was ich trank am Lac-de-Gobe, Weiß ich nicht. In Braunschweig hätt' ich Wohl geglaubt, es wäre Mumme. Von dem besten schwarzen Bocksfell War der Schlauch; er stank vorzüglich. Doch der Alte trank so freudig, Und er ward gesund und heiter. Er erzählte uns die Thaten Der Banditen und der Schmuggler, Die da hausen frei und frank In den Pirenäenwäldern. Auch von älteren Geschichten Wusst' er viele, unter andern Auch die Kämpfe der Giganten Mit den Bären in der Vorzeit. Ja, die Riesen und die Bären Stritten weiland um die Herrschaft Dieser Berge, dieser Thäler, Eh' die Menschen eingewandert. Bei der Menschen Ankunft flohen Uns dem Lande fort die Riesen, Wie verblüfft; denn wenig Hirn Steckt in solchen großen Köpfen. Auch behauptet man: die Tölpel, Als sie an das Meer gelangten Und gesehn, wie sich der Himmel In der blauen Fluth gespiegelt, Hätten sie geglaubt, das Meer Sei der Himmel, und sie stürzten Sich hinein mit Gottvertrauen; Seien sämmtlich dort ersoffen. Was die Bären anbeträfe, So vertilge jetzt der Mensch Sie allmählich, jährlich schwände Ihre Zahl in dem Gebirge. »So macht Einer« – sprach der Alte »Platz dem Andern auf der Erde. Nach dem Untergang der Menschen Kommt die Herrschaft an die Zwerge, »An die winzig klugen Leutchen, Die im Schoß der Berge Haufen, In des Reichthums goldnen Schachten? Emsig klaubend, emsig sammelnd. »Wie sie lauern aus den Löchern, Mit den pfiffig kleinen Köpfchen, Sah ich selber oft im Mondschein, Und mir graute vor der Zukunft! »Vor der Geldmacht jener Knirpse! Ach, ich fürchte, unsre Enkel Werden sich wie dumme Riesen In den Wa**erhimmel flüchten!«