Jede Nacht um zwei Uhr aufsteh'n
Und um halb drei in den Bus
Der schon voll mit Arbeiterkollegen
Die sich wie die Kinder noch im Schlaf bewegen
Weil die Nacht sehr kurz sein muss
Und der Bus der rumpelt durchs Gelände
Von Marienbaum zur Hütte nach Rheinhausen
Flaches Land und nirgendwo vier Wände
Wiesen nehmen hier kein Ende
Graues Licht kennt keine Pausen
Halb sechs dann an Ort und Stelle
Denn um sechs beginnt die Schicht
Hacke, Schaufel, Schotter, neue Schwelle
Noch ein Schlag - für alle Fälle
Denn sonst hält die Schiene nicht
Ausgekoffert, raus den Schotter
Eins-zwei-drei und eins-zwei-drei
Bisschen schneller, bisschen flotter
Raus die Schwelle, rein den Schotter
Nächste Strecke - Schiene frei
Raus den Schotter, rein die Schwelle
Bücken, schaufeln, hacken, kontrollieren
Noch einmal dieselbe Stelle
Rottenarbeiter sind schnelle
Bis sie ihren Rücken spüren
Und um zwei Uhr ist die Schicht zu Ende
Dann um halb drei wieder in den Bus
Müde Augen, aufgeriss'ne Hände
Und drei Stunden nochmals durchs Gelände
Kartenspiel und Fußballstuss
Dann ein bisschen noch im Garten kramen
Und den Kindern "Gute Nacht!" gesagt
Lebenslänglich "Ja und Amen!"
Ohne Glanz und ohne Namen
Keiner, der nach seinen Träumen fragt
Jede Nacht um zwei Uhr aufsteh'n
Und um halb drei in den Bus
Der schon voll mit Arbeiterkollegen
Die sich wie die Kinder noch im Schlaf bewegen
Weil die Nacht sehr kurz sein muss
Da ist nichts mit Goethe und mit Schiller
Feinem Geist ästhetischem Konfekt
Keiner übt hier Tonleitern und Triller
Niemand kennt hier Dürrenmatt und Miller
Wenn man mal in dieser Mühle steckt
Halb sechs dann an Ort und Stelle
Denn um sechs beginnt die Schicht
Hacke, Schaufel, Schotter, neue Schwelle
Noch ein Schlag - für alle Fälle
Denn sonst hält die Schiene nicht
Das ist mir im Kopf geblieben
Und aus dem Erinnerungsmüll
Habe ich's jetzt aufgeschrieben
Weil, und das ist gar nicht übertrieben
Weil ich's nicht vergessen will
Damals als ich nur für neunzig Tage
So als Werkstudent bei Krupp und Thyssen
Sah ich viele Menschen, die in dieser Lage
Dort für immer und für alle Tage
Dieses monotone Leben leben müssen
Und um zwei Uhr ist die Schicht zu Ende
Dann um halb drei wieder in den Bus
Müde Augen, aufgeriss'ne Hände
Und drei Stunden nochmal durchs Gelände
Kartenspiel und Fußballstuss
Dann ein bisschen noch am Fernsehkasten
Rumgedreht und wieder ausgemacht
Mit der Frau noch schnell besprochen
Was die Kinder so am Tag verbrochen
Und schon ist sie wieder rum die Nacht
Jede Nacht um zwei Uhr aufsteh'n
Und um halb drei in den Bus
Der schon voll mit Arbeiterkollegen
Die sich wie die Kinder noch im Schlaf bewegen
Weil die Nacht sehr kurz sein muss
Zugegeben diese vielen Zeilen
Sind kein polyphones Kunstgedicht
Doch die so an uns vorübereilen
Aufgebracht, zermürbt und kaum zu heilen
Guckt doch diesen Menschen einmal richtig ins Gesicht
Guckt doch diesen Menschen einmal richtig ins Gesicht!
Mehr will dieses Liedchen nicht
Mehr will dieses Liedchen nicht!