Leonore, laß dich finden!
Irr ich, oder ruffst du nach?
Sagt ihr schatten-reichen Linden –
Sage du verschwiegner Bach
Ob nicht die, so mich regiert
Dann und wann hierum spatziert?
Von den Spitzen dürrer Hügel
Seh' ich offt ins Vater-Land –
Hätt' ich doch nur Tauben-Flügel
Oder Daedals Zauber-Hand
Um nur, wie zuvor geschehn
Dich, mein Engel, noch zu sehn!
Dich, o Sonne meines Lebens
Dich, o Ursprung meiner Gluth!
Ists denn, leider, gantz vergebens
Daß mein Mund so kläglich thut?
Nein! Ich weiß, dein klingend Ohr
Stellt dir offt mein Leiden vor!
Wo ich sitze, steh und liege
Stehst und liegst du neben an
Daß ich auch die kleinsten Züge
Deiner Bildung zählen kann –
Greiff' ich aber mit der Hand
Fang' ich nichts als Lufft und Wand!
Hätt' ich nur von tausend Küssen
Manchen, den ich kaum genoß
Weil ich, ohn' es selbst zu wissen
Offt in trunckner Lust zerfloß –
O, wie ratsam wollt' ich ihn
Jetzt aus deinen Lippen ziehn!
Was zu tun? Die Zeit heißt warten
Wenn uns Glück und Not probiert –
Frost und Schnee verstellt den Garten
Bis der Lentz die Stöcke ziert
Da uns denn der Rosen Pracht
Nach dem Winter holder lacht!
Sammle nur auf jene Stunde
Die die Wiederkunfft bestimmt
Neuen Geist und Kraft im Munde –
Stärke, was im Auge glimmt!
Ja, verspar' auf diesen Tag
Alles, was entzücken mag!
O, mit was vor süssem Lallen
Werden wir alsdann, mein Kind
An- und umeinander fallen
Bis die Zunge Krafft gewinnt
Und durch holde Wort entdeckt
Was wir innerlich geschmeckt!
Echo mag indeß mein Klagen
In der grünen Einsamkeit
Durch die weiten Förste tragen –
Dort erwart' ich, liebste Zeit
Dich, du Bothe neuer Ruh!
Ich will warten – eile du!